Versammlungsfreiheit

Der Staat darf nicht frei wirtschaften. Ihm ist es nicht möglich, gleich einem freien Bürger unternehmerische Ziele zu verfolgen. Staatliches Handeln ist immer an die Grundrechte gebunden und am Gemeinwohl orientiert. Da nützt es ihm auch nichts, wenn er sich das Kleid eines privaten Unternehmens anzieht, um Leute vom Betriebsgelände zu schmeißen, die dort demonstrieren. Anders als der freie Unternehmer, muss er abwägen, ob sein Hausrecht wichtiger ist, als das Versammlungssrecht der Demonstranten (tm.)

BVerfG, Urteil vom 22.02.2011 – 1 BvR 699/06 – 
Art. 5 Abs. 1 S. 1, 8 Abs. 1 GG

Leitsätze (amtl./tm.)

1. Zum Streit zwischen einer Privatperson und der Fraport AG, Betreiberin des Frankfurter Flughafens und mehrheitlich im Besitz der öffentlichen Hand, über die Rechtmässigkeit eines Verbotes, auf dem Flughafengelände zu demonstrieren. (tm.)
2. Gemäss Art. 1 Abs. 3 GG binden die Grundrechte jedes staatliche Handeln als unmittelbar geltendes Recht. Eine Flucht in das Privatrecht mit der Folge, dass der Staat unter Freistellung von Art. 1 Abs. 3 GG als Privatrechtssubjekt zu begreifen wäre, ist ihm verstellt. (tm.)
3. Unternehmen in Privatrechtsform, die von der öffentlichen Hand beherrscht sind, unterliegen einer unmittelbaren Grundrechtsbindung. (tm.)
4. Die Grundrechtsbindung verpflichtet öffentlich beherrschte Unternehmen zu rechtsstaatlicher Neutralität bei der Gestaltung ihrer Vertragsbeziehungen. Ihnen steht es inicht frei, ihre wirtschaftliche Tätigkeit nach Belieben mit subjektiv weltanschaulichen Präferenzen oder Zielsetzungen zu verbinden. (tm.)
5. Die Versammlungsfreiheit verbürgt die Durchführung von Versammlungen dort, wo ein allgemeiner öffentlicher Verkehr eröffnet ist. (tm.)
6. Eingriffe in die Versammlungsfreiheit bedürfen nach dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit eines legitimen Zwecks. Ein Verbot, sich auf dem Flughafengelände zu versammeln, kann daher nicht allein auf ein privatautonomes Bestimmungsrecht über die Nutzung ihres Privateigentums gestützt werden. (tm.)
7. Die besondere Störanfälligkeit eines Flughafens rechtfertigt nach Massgabe der Verhältnismässigkeit weitergehende Einschränkungen der Versammlungsfreiheit, als sie im öffentlichen Strassenraum zulässig sind. (amtl)

Tenor

Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20. Januar 2006 V ZR 134/05 , das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 20. Mai 2005 2/1 S 9/05 und das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 20. Dezember 2004 31 C 2799/04 23 verletzen die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten der Meinungsfreiheit aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 und der Versammlungsfreiheit aus Artikel 8 Absatz 1 des Grundgesetzes. Die Urteile werden aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht Frankfurt am Main zurückverwiesen.
Die Bundesrepublik Deutschland hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

A.
[1] Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen zivilgerichtliche Entscheidungen, die ein Verbot der als Aktiengesellschaft organisierten, mehrheitlich in öffentlicher Hand befindlichen Betreiberin des Flughafens Frankfurt bestätigen, das der Beschwerdeführerin auf Dauer untersagt, den Flughafen ohne deren Erlaubnis für Meinungskundgaben und Demonstrationen zu nutzen.

(…)

[9] 5. Die Beschwerdeführerin betrat gemeinsam mit fünf weiteren Aktivisten der “Initiative gegen Abschiebungen” am 11. März 2003 den Terminal 1 des Flughafens, sprach an einem Abfertigungsschalter Mitarbeiter der Deutschen Lufthansa an und verteilte Flugblätter zu einer bevorstehenden Abschiebung. Mitarbeiter der Beklagten und Einsatzkräfte des Bundesgrenzschutzes beendeten die Aktion.

[10] 6. Mit Schreiben vom 12. März 2003 erteilte die Beklagte der Beschwerdeführerin ein “Flughafenverbot” und wies sie darauf hin, gegen sie werde Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs gestellt, sobald sie “erneut hier unberechtigt angetroffen” werde. Mit einem erläuternden Schreiben vom 7. November 2003 wies die Beklagte die Beschwerdeführerin unter Verweis auf ihre Flughafenbenutzungsordnung darauf hin, sie dulde “mit uns nicht abgestimmte Demonstrationen im Terminal aus Gründen des reibungslosen Betriebsablaufes und der Sicherheit grundsätzlich nicht”.

[11] 7. Das Amtsgericht wies die auf die Aufhebung des Meinungskundgabe und Demonstrationsverbots zielende und gegen die Fraport AG gerichtete Klage der Beschwerdeführerin ab. Die Beklagte könne sich als Eigentümerin auf ihr Hausrecht berufen. Einer unmittelbaren Grundrechtsbindung unterliege sie nicht. Eine solche Grundrechtsbindung folge auch nicht aus dem Umstand, dass die öffentliche Hand mehrheitlich an der Beklagten beteiligt sei, da sich die Beteiligung nicht auf 100 % belaufe. (…)

[12] 8. Das Landgericht wies die Berufung der Beschwerdeführerin unter Verweis auf die Gründe des amtsgerichtlichen Urteils als unbegründet zurück. (…)

[13] 9. Der Bundesgerichtshof wies die Revision der Beschwerdeführerin als unbegründet zurück (vgl. NJW 2006, S. 1054 ff.). (…)

II.
[20] Mit ihrer am 15. März 2006 eingelegten Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin unter anderem eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Art. 8 Abs. 1 GG.
(…)

B.
[44] Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist begründet. Die angegriffenen Entscheidungen der Zivilgerichte verletzen die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten aus Art. 8 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

I.
[45] Die Beklagte ist gegenüber der Beschwerdeführerin unmittelbar an die Grundrechte gebunden. Entsprechend kann sie sich zur Rechtfertigung des von ihr ausgesprochenen Flughafenverbots nicht ihrerseits auf eigene Grundrechte berufen.

[46] 1. Die Nutzung zivilrechtlicher Formen enthebt die staatliche Gewalt nicht von ihrer Bindung an die Grundrechte gemäss Art. 1 Abs. 3 GG. Dies gilt sowohl für die Verwendung von zivilrechtlichen Handlungsformen als auch für den Einsatz privatrechtlicher Organisations und Gesellschaftsformen. Von der öffentlichen Hand beherrschte gemischtwirtschaftliche Unternehmen unterliegen ebenso wie im Alleineigentum des Staates stehende öffentliche Unternehmen, die in den Formen des Privatrechts organisiert sind, einer unmittelbaren Grundrechtsbindung.

[47] a) Gemäss Art. 1 Abs. 3 GG binden die Grundrechte Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht. Sie gelten nicht nur für bestimmte Bereiche, Funktionen oder Handlungsformen staatlicher Aufgabenwahrnehmung, sondern binden die staatliche Gewalt umfassend und insgesamt. Der Begriff der staatlichen Gewalt ist dabei weit zu verstehen und erstreckt sich nicht nur auf imperative Massnahmen. Entscheidungen, Äusserungen und Handlungen, die auf den jeweiligen staatlichen Entscheidungsebenen den Anspruch erheben können, autorisiert im Namen aller Bürger getroffen zu werden, sind von der Grundrechtsbindung erfasst. Grundrechtsgebundene staatliche Gewalt im Sinne des Art. 1 Abs. 3 GG ist danach jedes Handeln staatlicher Organe oder Organisationen, weil es in Wahrnehmung ihres dem Gemeinwohl verpflichteten Auftrags erfolgt.

[48] Art. 1 Abs. 3 GG liegt dabei eine elementare Unterscheidung zugrunde: Während der Bürger prinzipiell frei ist, ist der Staat prinzipiell gebunden. Der Bürger findet durch die Grundrechte Anerkennung als freie Person, die in der Entfaltung ihrer Individualität selbstverantwortlich ist. Er und die von ihm gegründeten Vereinigungen und Einrichtungen können ihr Handeln nach subjektiven Präferenzen in privater Freiheit gestalten, ohne hierfür grundsätzlich rechenschaftspflichtig zu sein. Ihre Inpflichtnahme durch die Rechtsordnung ist von vornherein relativ und insbesondere nach Massgabe der Verhältnismässigkeit prinzipiell begrenzt. Dem gegenüber handelt der Staat in treuhänderischer Aufgabenwahrnehmung für die Bürger und ist ihnen rechenschaftspflichtig. Seine Aktivitäten verstehen sich nicht als Ausdruck freier subjektiver Überzeugungen in Verwirklichung persönlicher Individualität, sondern bleiben in distanziertem Respekt vor den verschiedenen Überzeugungen der Staatsbürger und werden dementsprechend von der Verfassung umfassend an die Grundrechte gebunden. Diese Bindung steht nicht unter einem Nützlichkeits- oder Funktionsvorbehalt. Sobald der Staat eine Aufgabe an sich zieht, ist er bei deren Wahrnehmung auch an die Grundrechte gebunden, unabhängig davon, in welcher Rechtsform er handelt. Dies gilt auch, wenn er für seine Aufgabenwahrnehmung auf das Zivilrecht zurückgreift. Eine Flucht aus der Grundrechtsbindung in das Privatrecht mit der Folge, dass der Staat unter Freistellung von Art. 1 Abs. 3 GG als Privatrechtssubjekt zu begreifen wäre, ist ihm verstellt.

[49] b) Die unmittelbare Grundrechtsbindung betrifft nicht nur öffentliche Unternehmen, die vollständig im Eigentum der öffentlichen Hand stehen, sondern auch gemischtwirtschaftliche Unternehmen, wenn diese von der öffentlichen Hand beherrscht werden.

[50] aa) Für öffentliche Unternehmen in Privatrechtsform, die vollständig im Eigentum der öffentlichen Hand stehen, ist anerkannt, dass die Grundrechtsbindung nicht nur den oder die Träger des jeweiligen Unternehmens trifft, sondern das Unternehmen selbst (vgl. BVerwGE 113, 208 <211>; Rüfner, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, 2. Aufl. 2000, § 117 Rn. 49; Ehlers, Gutachten E für den 64. DJT <2002>, S. E 39; Dreier, in: Dreier, GG, Bd. 1, 2. Aufl. 2004, Art. 1 Abs. 3 Rn. 69 f.; Pieroth/Schlink, Grundrechte Staatsrecht II, 25. Aufl. 2009, Rn. 187; Höfling, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 1 Rn. 104). Dies entspricht dem Charakter eines solchen Unternehmens als verselbständigter Handlungseinheit und stellt eine effektive Grundrechtsbindung unabhängig davon sicher, ob, wieweit und in welcher Form der oder die Eigentümer gesellschaftsrechtlich auf die Leitung der Geschäfte Einfluss nehmen können und wie bei Unternehmen mit verschiedenen öffentlichen Anteilseignern eine Koordination der Einflussrechte verschiedener öffentlicher Eigentümer zu gewährleisten wäre. Aktivitäten öffentlicher Unternehmen bleiben unabhängig von der Ausgestaltung der gesellschaftsrechtlichen Einflussrechte eine Form staatlicher Aufgabenwahrnehmung, bei der die Unternehmen selbst unmittelbar an die Grundrechte gebunden sind.

[51] bb) Nichts anderes hat für gemischtwirtschaftliche Unternehmen, an denen sowohl private wie öffentliche Anteilseigner beteiligt sind, zu gelten, wenn diese von der öffentlichen Hand beherrscht werden.

[52] (1) Auch bei gemischtwirtschaftlichen Unternehmen erfasst die Frage der Grundrechtsbindung das jeweilige Unternehmen insgesamt und kann nur einheitlich beantwortet werden. Sie sind gleichfalls als verselbständigte Handlungseinheiten tätig. Die Grundrechtsbindung der hinter den Unternehmen stehenden öffentlichen Eigentümer und ihre gesellschaftsrechtlichen Einwirkungsbefugnisse allein sind ungeeignet, die Grundrechtsbindung solcher Unternehmen zu ersetzen und machen sie insbesondere nicht überflüssig. Schon grundsätzlich kann eine Grundrechtsbindung nicht quotenweise realisiert werden. Auch sind die Einwirkungsrechte der Anteilseigner auf die laufende Geschäftsführung gesellschaftsrechtlich vielfach beschränkt, so dass insbesondere im Aktienrecht (vgl. etwa § 119 Abs. 2 AktG), und unter Berücksichtigung des Mitbestimmungsrechts eine Grundrechtsbindung selbst durch die Mehrheit der Eigentümer vielfach nicht durchsetzbar ist. Überdies wäre die Geltendmachung von Grundrechten über den Umweg der Einwirkungsrechte, zumal wenn an einem Unternehmen mehrere öffentliche Anteilseigner beteiligt sind, vom Verfahren und Zeitaufwand her zu schwerfällig, um einen effektiven Grundrechtsschutz sicherzustellen.

[53] (2) Ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen unterliegt dann der unmittelbaren Grundrechtsbindung, wenn es von den öffentlichen Anteilseignern beherrscht wird. Dies ist in der Regel der Fall, wenn mehr als die Hälfte der Anteile im Eigentum der öffentlichen Hand stehen. Insoweit kann grundsätzlich an entsprechende zivilrechtliche Wertungen angeknüpft werden (vgl. §§ 16, 17 AktG, Art. 2 Abs. 1 Buchstabe f Richtlinie 2004/109/EG). Ob in besonderen Fällen dieses Kriterium zu ergänzen ist, bedarf hier keiner Entscheidung.

[54] Das Kriterium der Beherrschung mit seiner Anknüpfung an die eigentumsrechtlichen Mehrheitsverhältnisse stellt danach nicht auf konkrete Einwirkungsbefugnisse hinsichtlich der Geschäftsführung ab, sondern auf die Gesamtverantwortung für das jeweilige Unternehmen: Anders als in Fällen, in denen die öffentliche Hand nur einen untergeordneten Anteil an einem privaten Unternehmen hält, handelt es sich dann grundsätzlich nicht um private Aktivitäten unter Beteiligung des Staates, sondern um staatliche Aktivitäten unter Beteiligung von Privaten. Für sie gelten unabhängig von ihrem Zweck oder Inhalt die allgemeinen Bindungen staatlicher Aufgabenwahrnehmung. Bei der Entfaltung dieser Aktivitäten sind die öffentlich beherrschten Unternehmen unmittelbar durch die Grundrechte gebunden und können sich umgekehrt gegenüber Bürgern nicht auf eigene Grundrechte stützen.

[55] (3) Die Rechte der privaten Anteilseigner erfahren hierdurch keine ungerechtfertigte Einbusse: Ob diese sich an einem öffentlich beherrschten Unternehmen beteiligen oder nicht, liegt in ihrer freien Entscheidung, und auch wenn sich die Mehrheitsverhältnisse erst nachträglich ändern, steht es ihnen wie bei der Änderung von Mehrheitsverhältnissen sonst frei, hierauf zu reagieren. Sofern sich Private indes an solchen Unternehmen beteiligen, haben sie an den Chancen und Risiken, die sich aus den Handlungsbedingungen der öffentlichen Hand ergeben, gleichermassen teil. Ohnehin unberührt bleibt ihre Rechtsstellung als Grundrechtsträger insbesondere des Eigentumsgrundrechts unmittelbar gegenüber den öffentlichen Anteilseignern oder sonst gegenüber der öffentlichen Gewalt.

[56] c) Mit der unmittelbaren Grundrechtsbindung und der damit fehlenden Berechtigung, sich in einem Zivilrechtsstreit gegenüber Privaten auf eigene Grundrechte zu berufen, unterliegen öffentlich beherrschte Unternehmen spezifischen Beschränkungen, denen materiell private beziehungsweise privat beherrschte Unternehmen nicht unterliegen. Die Auswirkungen dieser Grundrechtsbindung sind, da im Rahmen des Zivilrechts verbleibend, jedoch begrenzt. Insbesondere wird die öffentliche Hand hierdurch nicht grundsätzlich daran gehindert, in adäquater und weithin gleichberechtigter Weise wie Private die Handlungsinstrumente des Zivilrechts für ihre Aufgabenwahrnehmung zu nutzen und auch sonst am privaten Wirtschaftsverkehr teilzunehmen. Dies schliesst umgekehrt allerdings nicht aus, dass möglicherweise Private etwa im Wege der mittelbaren Drittwirkung unbeschadet ihrer eigenen Grundrechte ähnlich oder auch genauso weit durch die Grundrechte in Pflicht genommen werden, insbesondere wenn sie in tatsächlicher Hinsicht in eine vergleichbare Pflichten oder Garantenstellung hineinwachsen wie traditionell der Staat.

[57] aa) Viele typische Gefährdungslagen für den Grundrechtsschutz entstehen im Privatrecht von vornherein nicht, da dort dem Staat keine spezifischen Eingriffsbefugnisse zu Gebote stehen. Einseitig verbindliches Handeln ist ihm im Privatrecht nur sehr begrenzt etwa wie vorliegend unter Rückgriff auf die zivilrechtlichen Eigentümerbefugnisse, insbesondere das Hausrecht eröffnet. Sofern hingegen Grundrechte im Rahmen von Vertragsbeziehungen in Frage stehen, ist es möglich, dass mangels einseitiger Entscheidungsgewalt der öffentlichen Hand schon kein Eingriff in Grundrechte stattfindet oder bei einer Grundrechtsbeschränkung die Freiwilligkeit des Vertragsschlusses seitens des Bürgers im konkreten Fall mit in Rechnung zu stellen ist. Auch hindert die unmittelbare Grundrechtsbindung öffentlich beherrschte Unternehmen nicht, sich erwerbswirtschaftlich am Wirtschaftsverkehr zu beteiligen. Insbesondere verbietet auch Art. 3 Abs. 1 GG Differenzierungen nicht, die an marktrelevante Kriterien wie Produktqualität, Zuverlässigkeit und Zahlungsfähigkeit anknüpfen, um ein wettbewerbliches Wirtschaften des Unternehmens zu ermöglichen.

[58] bb) Allerdings sind die Grundrechtsbindung und die ihr entsprechende fehlende Grundrechtsberechtigung nicht ohne Bedeutung. Sie verwehren öffentlich beherrschten Unternehmen insbesondere, sich auf die Subjektivität gewillkürter Freiheit zu berufen. So kann die öffentliche Hand zwar die zivilrechtlichen Eigentümerbefugnisse wie vorliegend das Hausrecht nutzen, jedoch entheben diese nicht davon, insbesondere einseitig verbindliche Entscheidungen durch legitime Gemeinwohlzwecke am Massstab der Grundrechte und des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes zu rechtfertigen. Praktische Bedeutung erlangt die Grundrechtsbindung vor allem als Verpflichtung zu rechtsstaatlicher Neutralität bei der Gestaltung ihrer Vertragsbeziehungen. Öffentliche einschliesslich der öffentlich beherrschten Unternehmen können zwar ihre Kundenbeziehungen nach der Logik des Marktes gestalten, jedoch steht es ihnen nicht frei, ihre wirtschaftliche Tätigkeit nach Belieben mit subjektiv weltanschaulichen Präferenzen oder Zielsetzungen und hierauf beruhenden Differenzierungen zu verbinden.

[59] cc) Die unmittelbare Grundrechtsbindung öffentlich beherrschter Unternehmen unterscheidet sich somit grundsätzlich von der in der Regel nur mittelbaren Grundrechtsbindung, der auch Private und Privatunternehmen insbesondere nach den Grundsätzen der mittelbaren Drittwirkung und auf der Grundlage von staatlichen Schutzpflichten unterworfen sind. Während diese auf einer prinzipiellen Rechenschaftspflicht gegenüber dem Bürger beruht, dient jene dem Ausgleich bürgerlicher Freiheitssphären untereinander und ist damit von vornherein relativ. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Wirkung der Grundrechte und damit die sei es mittelbare, sei es unmittelbare Inpflichtnahme Privater in jedem Fall weniger weit reicht. Je nach Gewährleistungsinhalt und Fallgestaltung kann die mittelbare Grundrechtsbindung Privater einer Grundrechtsbindung des Staates vielmehr nahe oder auch gleich kommen. Für den Schutz der Kommunikation kommt das insbesondere dann in Betracht, wenn private Unternehmen die Bereitstellung schon der Rahmenbedingungen öffentlicher Kommunikation selbst übernehmen und damit in Funktionen eintreten, die wie die Sicherstellung der Post und Telekommunikationsdienstleistungen früher dem Staat als Aufgabe der Daseinsvorsorge zugewiesen waren. Wieweit dieses heute in Bezug auf die Versammlungsfreiheit oder die Freiheit der Meinungsäusserung auch für materiell private Unternehmen gilt, die einen öffentlichen Verkehr eröffnen und damit Orte der allgemeinen Kommunikation schaffen, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.

[60] 2. Die Beklagte ist als Aktiengesellschaft, deren Anteile zu mehr als 50 % von öffentlichen Anteilseignern gehalten werden, folglich unmittelbar an die Grundrechte des Grundgesetzes gebunden.

II.
[61] Die angegriffenen Entscheidungen der Zivilgerichte verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 GG.

[62] 1. Das durch die angegriffenen Entscheidungen bestätigte Verbot, im Frankfurter Flughafen ohne Erlaubnis der Beklagten Versammlungen durchzuführen, greift in den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit gemäss Art. 8 Abs. 1 GG ein.

[63] a) aa) Art. 8 Abs. 1 GG schützt die Freiheit, mit anderen Personen zum Zwecke einer gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung örtlich zusammen zu kommen (vgl. BVerfGE 104, 92 <104>; 111, 147 <154 f.>). Als Freiheit zur kollektiven Meinungskundgabe ist die Versammlungsfreiheit für eine freiheitlich demokratische Staatsordnung konstituierend (vgl. BVerfGE 69, 315 <344 f.>). In ihrer idealtypischen Ausformung sind Demonstrationen die gemeinsame körperliche Sichtbarmachung von Überzeugungen, bei der die Teilnehmer in der Gemeinschaft mit anderen eine Vergewisserung dieser Überzeugungen erfahren und andererseits nach aussen schon durch die blosse Anwesenheit, die Art des Auftretens und die Wahl des Ortes im eigentlichen Sinne des Wortes Stellung nehmen und ihren Standpunkt bezeugen (vgl. BVerfGE 69, 315 <345>).

[64] bb) Art. 8 Abs. 1 GG gewährleistet auch das Recht, selbst zu bestimmen, wann, wo und unter welchen Modalitäten eine Versammlung stattfinden soll. Als Abwehrrecht, das auch und vor allem andersdenkenden Minderheiten zugute kommt, gewährleistet das Grundrecht den Grundrechtsträgern so nicht nur die Freiheit, an einer öffentlichen Versammlung teilzunehmen oder ihr fern zu bleiben, sondern zugleich ein Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Veranstaltung (vgl. BVerfGE 69, 315 <343>). Die Bürger sollen damit selbst entscheiden können, wo sie ihr Anliegen gegebenenfalls auch in Blick auf Bezüge zu bestimmten Orten oder Einrichtungen am wirksamsten zur Geltung bringen können.

[65] (1) Die Versammlungsfreiheit verschafft damit allerdings kein Zutrittsrecht zu beliebigen Orten. Insbesondere gewährt es dem Bürger keinen Zutritt zu Orten, die der Öffentlichkeit nicht allgemein zugänglich sind oder zu denen schon den äusseren Umständen nach nur zu bestimmten Zwecken Zugang gewährt wird. Die Durchführung von Versammlungen etwa in Verwaltungsgebäuden oder in eingefriedeten, der Allgemeinheit nicht geöffneten Anlagen ist durch Art. 8 Abs. 1 GG ebenso wenig geschützt wie etwa in einem öffentlichen Schwimmbad oder Krankenhaus.

[66] (2) Dem gegenüber verbürgt die Versammlungsfreiheit die Durchführung von Versammlungen dort, wo ein allgemeiner öffentlicher Verkehr eröffnet ist.

[67] Dies betrifft unabhängig von einfachrechtlichen Bestimmungen des Strassenrechts zunächst den öffentlichen Strassenraum. Dieser ist das natürliche und geschichtlich leitbildprägende Forum, auf dem Bürger ihre Anliegen besonders wirksam in die Öffentlichkeit tragen und hierüber die Kommunikation anstossen können. Vor allem innerörtliche Strassen und Plätze werden heute als Stätten des Informations und Meinungsaustausches sowie der Pflege menschlicher Kontakte angesehen. In verstärktem Mass gilt dies für Fussgängerzonen und verkehrsberuhigte Bereiche; die Ermöglichung des kommunikativen Verkehrs ist ein wesentliches Anliegen, das mit solchen Einrichtungen verfolgt wird (vgl. Stahlhut, in: Kodal, Strassenrecht, 7. Aufl. 2010, S. 730). Das Versammlungsrecht knüpft an diese Funktion an. Dabei beachtet es die allgemeinen strassen und strassenverkehrsrechtlichen Bestimmungen, die es jedoch partiell überlagert, sofern dies für eine effektive Wahrnehmung der Versammlungsfreiheit erforderlich ist. Öffentliche Versammlungen und Aufzüge finden hier die Bedingungen, um Forderungen _einem allgemeinen Publikum zu Gehör zu bringen und Protest oder Unmut sinnbildlich ?auf die Strasse zu tragen?.

[68] Entsprechendes gilt aber auch für Stätten ausserhalb des öffentlichen Strassenraums, an denen in ähnlicher Weise ein öffentlicher Verkehr eröffnet ist und Orte der allgemeinen Kommunikation entstehen. Wenn heute die Kommunikationsfunktion der öffentlichen Strassen, Wege und Plätze zunehmend durch weitere Foren wie Einkaufszentren, Ladenpassagen oder sonstige Begegnungsstätten ergänzt wird, kann die Versammlungsfreiheit für die Verkehrsflächen solcher Einrichtungen nicht ausgenommen werden, soweit eine unmittelbare Grundrechtsbindung besteht oder Private im Wege der mittelbaren Drittwirkung in Anspruch genommen werden können. Dies gilt unabhängig davon, ob die Flächen sich in eigenen Anlagen befinden oder in Verbindung mit Infrastruktureinrichtungen stehen, überdacht oder im Freien angesiedelt sind. Grundrechtlich ist auch unerheblich, ob ein solcher Kommunikationsraum mit den Mitteln des öffentlichen Strassen und Wegerechts oder des Zivilrechts geschaffen wird. Ein Verbot von Versammlungen kann auch nicht als Minus zu der Nichtöffnung des Geländes und damit als blosse Versagung einer freiwilligen Leistung angesehen werden. Vielmehr besteht zwischen der Eröffnung eines Verkehrs zur öffentlichen Kommunikation und der Versammlungsfreiheit ein unaufhebbarer Zusammenhang: Dort wo öffentliche Kommunikationsräume eröffnet werden, kann der unmittelbar grundrechtsverpflichtete Staat nicht unter Rückgriff auf frei gesetzte Zweckbestimmungen oder Widmungsentscheidungen den Gebrauch der Kommunikationsfreiheiten aus den zulässigen Nutzungen ausnehmen: Er würde sich damit in Widerspruch zu der eigenen Öffnungsentscheidung setzen.

[69] (3) Orte allgemeinen kommunikativen Verkehrs, die neben dem öffentlichen Strassenraum für die Durchführung von Versammlungen in Anspruch genommen werden können, sind zunächst nur solche, die der Öffentlichkeit allgemein geöffnet und zugänglich sind. Ausgeschlossen sind demgegenüber zum einen Orte, zu denen der Zugang individuell kontrolliert und nur für einzelne, begrenzte Zwecke gestattet wird. Wenn eine individuelle Eingangskontrolle wie an der Sicherheitsschleuse zum Abflugbereich für eine Einrichtung sicherstellt, dass nur bestimmte Personen die Flugpassagiere, um ihre Reise anzutreten Zutritt haben, ist dort kein allgemeiner Verkehr eröffnet. Die Wahrnehmung der Versammlungsfreiheit kann an solchen Orten nicht beansprucht werden.

[70] Zum anderen beantwortet sich die Frage, ob ein solcher ausserhalb öffentlicher Strassen, Wege und Plätze liegender Ort als ein öffentlicher Kommunikationsraum zu beurteilen ist, nach dem Leitbild des öffentlichen Forums (vgl. zu ähnlichen Kriterien: Supreme Court of Canada, Committee for the Commonwealth of Canada v. Canada, <1991> 1 S. C. R. 139; Supreme Court of the United States, International Society for Krishna Consciousness v. Lee, 505 U.S. 672 <1992>). Dieses ist dadurch charakterisiert, dass auf ihm eine Vielzahl von verschiedenen Tätigkeiten und Anliegen verfolgt werden kann und hierdurch ein vielseitiges und offenes Kommunikationsgeflecht entsteht. Abzugrenzen ist dies von Stätten, die der Allgemeinheit ihren äusseren Umständen nach nur zu ganz bestimmten Zwecken zur Verfügung stehen und entsprechend ausgestaltet sind. Wenn Orte in tatsächlicher Hinsicht ausschliesslich oder ganz überwiegend nur einer bestimmten Funktion dienen, kann in ihnen ausserhalb privater Nutzungsrechte die Durchführung von Versammlungen nach Art. 8 Abs. 1 GG nicht begehrt werden. Anders ist dies indes dort, wo die Verbindung von Ladengeschäften, Dienstleistungsanbietern, Restaurationsbetrieben und Erholungsflächen einen Raum des Flanierens schafft und so Orte des Verweilens und der Begegnung entstehen. Werden Räume in dieser Weise für ein Nebeneinander verschiedener, auch kommunikativer Nutzungen geöffnet und zum öffentlichen Forum, kann aus ihnen gemäss Art. 8 Abs. 1 GG auch die politische Auseinandersetzung in Form von kollektiven Meinungskundgaben durch Versammlungen nicht herausgehalten werden. Art. 8 Abs. 1 GG gewährleistet den Bürgern für die Verkehrsflächen solcher Orte das Recht, das Publikum mit politischen Auseinandersetzungen, gesellschaftlichen Konflikten oder sonstigen Themen zu konfrontieren. Solche Möglichkeiten, Aufmerksamkeit zu erzielen, sind als Grundlage der demokratischen Willensbildung mit der Versammlungsfreiheit gewollt und bilden ein konstituierendes Element der demokratischen Staatsordnung.

[71] b) Hiervon ausgehend greift die Bestätigung des von der Beklagten ausgesprochenen Flughafenverbots durch die angegriffenen Entscheidungen in die Versammlungsfreiheit der Beschwerdeführerin ein.

[72] Das Begehren der Beschwerdeführerin, im Frankfurter Flughafen Versammlungen durchzuführen, fällt nicht schon aus dem Schutzbereich der Versammlungsfreiheit heraus. Der Frankfurter Flughafen ist in wesentlichen Bereichen als Ort allgemeinen kommunikativen Verkehrs ausgestaltet. Zwar gilt dies nicht für den gesamten Flughafen. So ist eine Berufung auf die Versammlungsfreiheit für die Sicherheitsbereiche, die nicht allgemein zugänglich sind, ebenso ausgeschlossen wie für solche Bereiche, die nur bestimmten Funktionen (zum Beispiel der Gepäckausgabe) dienen. Jedoch umfasst der Flughafen auch grosse Bereiche, die als Orte des Flanierens und des Gesprächs, als Wege zum Einkaufen und zu Gastronomiebetrieben ausgestaltet sind und hierfür einen allgemeinen Verkehr eröffnen. Unter der Rubrik ?Einkaufen und Erleben? wirbt die Beklagte, die sich als ?City in the City? versteht, im Internet: ?Airport Shopping für alle!?, ?Auf 4.000 Quadratmetern zeigt sich der neue Marktplatz in neuem Gewand und freut sich auf Ihren Besuch!?. Hier sind ersichtlich Orte als allgemein zugängliche öffentliche Foren ausgestaltet, deren Verkehrsflächen Versammlungen damit grundsätzlich offenstehen.

[73] Die Beklagte untersagt der Beschwerdeführerin demgegenüber für die Zukunft zeitlich unbegrenzt und damit ohne Ansehung der durch eine bestimmte Versammlung konkret drohenden Beeinträchtigungen des Betriebsablaufs die Durchführung von Versammlungen ohne ihre Erlaubnis für den gesamten Bereich des Flughafens. Indem die angegriffenen Entscheidungen dieses Verbot bestätigen, greifen sie in die Versammlungsfreiheit der Beschwerdeführerin ein.

[74] 2. Der Eingriff unterliegt im Hinblick auf die formelle Verfassungsmässigkeit der das Grundrecht der Versammlungsfreiheit einschränkenden Ermächtigungsgrundlage keinen Bedenken. Die Beklagte kann sich für die Beschränkung von Versammlungen im Frankfurter Flughafen grundsätzlich auf die Eigentümerbefugnisse des Bürgerlichen Gesetzesbuches stützen. Sie hat deren Ausübung allerdings am Grundrecht der Versammlungsfreiheit auszurichten.

[75] a) Die Versammlungsfreiheit ist nicht vorbehaltlos gewährleistet. Vielmehr können Versammlungen unter freiem Himmel gemäss Art. 8 Abs. 2 GG durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes beschränkt werden. Diesem Gesetzesvorbehalt unterfallen auch Versammlungen im Innern des Frankfurter Flughafens.

[76] aa) Versammlungen an Orten allgemeinen kommunikativen Verkehrs sind Versammlungen unter freiem Himmel im Sinne des Art. 8 Abs. 2 GG und unterliegen dem Gesetzesvorbehalt. Dies gilt unabhängig davon, ob die der Allgemeinheit geöffneten Orte als solche in der freien Natur oder in geschlossenen Gebäuden liegen. Massgeblich ist, dass Versammlungen an solchen Orten ihrerseits in einem öffentlichen Raum, das heisst inmitten eines allgemeinen Publikumsverkehrs stattfinden und von diesem nicht räumlich getrennt sind.

[77] Der Begriff der ?Versammlung unter freiem Himmel? des Art. 8 Abs. 2 GG darf nicht in einem engen Sinne als Verweis auf einen nicht überdachten Veranstaltungsort verstanden werden. Sein Sinn erschliesst sich vielmehr zutreffend erst in der Gegenüberstellung der ihm unterliegenden versammlungsrechtlichen Leitbilder: Während ?Versammlungen unter freiem Himmel? idealtypisch solche auf öffentlichen Strassen und Plätzen sind, steht dem als Gegenbild die Versammlung in von der Öffentlichkeit abgeschiedenen Räumen wie etwa in Hinterzimmern von Gaststätten gegenüber. Dort bleiben die Versammlungsteilnehmer unter sich und sind von der Allgemeinheit abgeschirmt, so dass Konflikte, die eine Regelung erforderten, weniger vorgezeichnet sind. Demgegenüber finden Versammlungen ?unter freiem Himmel? in der unmittelbaren Auseinandersetzung mit einer unbeteiligten Öffentlichkeit statt (vgl. Arbeitskreis Versammlungsrecht, Musterentwurf eines Versammlungsgesetzes, Enders/HoffmannRiem/Kniesel/Poscher/SchulzeFielitz , 2011, Begründung zu § 10, S. 34). Hier besteht im Aufeinandertreffen der Versammlungsteilnehmer mit Dritten ein höheres, weniger beherrschbares Gefahrenpotential: Emotionalisierungen der durch eine Versammlung herausgeforderten Auseinandersetzung können sich im Gegenüber zu einem allgemeinen Publikum schneller zuspitzen und eventuell Gegenreaktionen provozieren. Die Versammlung kann hier leichter Zulauf finden, sie bewegt sich als Kollektiv im öffentlichen Raum. Art. 8 Abs. 2 GG ermöglicht es dem Gesetzgeber, solche Konflikte abzufangen und auszugleichen. Er trägt dem Umstand Rechnung, dass in solcher Berührung mit der Aussenwelt ein besonderer, namentlich organisations und verfahrensrechtlicher Regelungsbedarf besteht, um einerseits die realen Voraussetzungen für die Ausübung des Versammlungsrechts zu schaffen, anderseits kollidierende Interessen anderer hinreichend zu wahren (vgl. BVerfGE 69, 315 <348>).

[78] bb) Hiervon ausgehend unterliegen die von der Beschwerdeführerin erstrebten Versammlungen im Frankfurter Flughafen dem Gesetzesvorbehalt des Art. 8 Abs. 2 GG. Zwar liegen die Orte, für die die Beschwerdeführerin die Versammlungsfreiheit in Anspruch nimmt, hauptsächlich im Innern des Flughafens und sind damit überdacht und seitlich begrenzt. Die beabsichtigten Versammlungen sollen jedoch nicht in eigenen, von den anderen Flughafengästen abgeschirmten Räumlichkeiten durchgeführt werden, sondern inmitten des allgemeinen Flughafenpublikums, an das sich die kollektiven Meinungskundgaben richten. Im Sinne des Art. 8 Abs. 2 GG gelten deshalb Versammlungen in derartigen Räumlichkeiten als ?Versammlungen unter freiem Himmel?, die nach allgemeinen Grundsätzen gesetzlich beschränkt werden können.

[79] b) Die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches können als ein die Versammlungsfreiheit beschränkendes Gesetz im Sinne des Art. 8 Abs. 2 GG herangezogen werden. Das zivilrechtliche Hausrecht gemäss § 903 Satz 1, § 1004 BGB ist dementsprechend grundsätzlich geeignet, Eingriffe in die Versammlungsfreiheit zu rechtfertigen. Unberührt bleiben hiervon die Versammlungsgesetze als massgebliche Rechtsgrundlage der Befugnisse der Versammlungsbehörden für alle Orte allgemeinen kommunikativen Verkehrs.

[80] aa) Der Gesetzesvorbehalt des Art. 8 Abs. 2 GG erlaubt es dem Gesetzgeber, Ermächtigungsgrundlagen zu schaffen, aufgrund derer die Versammlungsfreiheit beschränkt werden kann. Der Gesetzgeber kann staatlichen Behörden die Befugnis einräumen, Versammlungen unter bestimmten Bedingungen mit beschränkenden Verfügungen zu versehen oder sie erforderlichenfalls auch zu untersagen. Soweit in dieser Weise spezifische hoheitliche Entscheidungsbefugnisse geschaffen werden und entsprechende Entscheidungen einseitig durchsetzbar sind, verlangt Art. 8 Abs. 2 GG eine bewusste und ausdrücklich auf die Versammlungsfreiheit der Bürger bezogene Regelung durch den Gesetzgeber. Die Eingriffsvoraussetzungen müssen in hinreichend bestimmter und normenklarer Weise zumindest in den Grundzügen vom Gesetzgeber selbst festgelegt werden. Dem entspricht, dass für entsprechende Regelungen auch das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG gilt und die in ihm liegende Warnfunktion entfaltet.

[81] Durch das Versammlungsgesetz des Bundes, das im Land Hessen gemäss Art. 125a Abs. 1 Satz 1 GG bis zur Ablösung durch ein Versammlungsgesetz des Landes fortgilt, hat der Gesetzgeber von diesem Gesetzesvorbehalt Gebrauch gemacht. Das Versammlungsgesetz ist dabei nicht auf Versammlungen im öffentlichen Strassenraum beschränkt, sondern erstreckt sich auf alle öffentlichen Versammlungen, unabhängig davon, ob sie auf privatem oder öffentlichem Grund stattfinden. Es findet damit auf Versammlungen im Frankfurter Flughafen Anwendung.

[82] bb) Dies lässt unberührt, dass die öffentliche Hand, wenn sie in den Formen des Privatrechts handelt, Beschränkungen der Versammlungsfreiheit zusätzlich auf die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches, hier § 903 Satz 1, § 1004 BGB, stützen kann. Auch diese Vorschriften füllen in diesem Fall Art. 8 Abs. 2 GG aus. Dem steht nicht entgegen, dass es sich insoweit nicht um versammlungsbezogene Vorschriften handelt und damit deren Reichweite für Versammlungen durch den Gesetzgeber inhaltlich nicht näher präzisiert ist. Da die öffentliche Hand hier wie jeder Private auf die allgemeinen Vorschriften des Zivilrechts zurückgreift, ihr also keine spezifisch hoheitlichen Befugnisse eingeräumt werden und sie ihre Entscheidungen grundsätzlich auch nicht einseitig durchsetzen kann, sind die sonst an Eingriffsgesetze zu stellenden Anforderungen zurückgenommen. Auch das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG kann gegenüber solchen unspezifischen Bestimmungen eine Warnfunktion nicht erfüllen und findet keine Anwendung. Grundrechtseingriffe in Art. 8 Abs. 1 GG, die sich allein auf die allgemeinen Befugnisse des Privatrechts stützen, sind damit nicht schon deshalb verfassungswidrig, weil es an einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage fehlt. Dies ist die Konsequenz dessen, dass der Staat überhaupt in den Formen des Privatrechts handeln darf.

[83] cc) Versammlungsbeschränkende Entscheidungen, die ein öffentliches beziehungsweise öffentlich beherrschtes Unternehmen allein auf das Privatrecht stützt, vermögen die Eingriffsbefugnisse staatlicher Behörden gegenüber Versammlungen allerdings nicht zu erweitern oder gar zu begründen. Soweit die Versammlungsbehörde in Bezug auf eine Versammlung im Flughafenbereich Entscheidungen trifft oder die Vollzugspolizei zur Rechtsdurchsetzung einschreitet, haben diese zwar die Flughafenbetreiberin als Betroffene grundsätzlich einzubeziehen und gegebenenfalls deren Einschätzungen wie sie insbesondere in der Flughafenbenutzungsordnung zum Ausdruck kommen zu berücksichtigen, sind aber sachlich allein an die Vorgaben der für sie selbst geltenden Ermächtigungsgrundlagen und damit vorrangig an das Versammlungsgesetz gebunden.

[84] 3. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin jedoch in ihrem Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 GG, weil sie ein unverhältnismässiges Versammlungsverbot bestätigen.

[85] Wenn die staatlichen Organe versammlungsbeschränkende Gesetze gemäss Art. 8 Abs. 2 GG auslegen und anwenden, haben sie diese stets im Lichte der grundlegenden Bedeutung der Versammlungsfreiheit im freiheitlich demokratischen Staat auszulegen und sich bei ihren Massnahmen auf das zu beschränken, was zum Schutz gleichwertiger Rechtsgüter notwendig ist (vgl. BVerfGE 69, 315 <349>). Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit ist hierbei strikt zu beachten. Die angegriffenen Entscheidungen halten diesen Anforderungen nicht stand.

[86] a) Eingriffe in die Versammlungsfreiheit bedürfen nach dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit eines legitimen Zwecks. Ein Verbot, sich auf dem Flughafengelände zu versammeln, kann nicht schlichtweg auf ein dem Belieben der Beklagten unterliegendes privatautonomes Bestimmungsrecht über die Nutzung ihres Privateigentums gestützt werden. Die Grundrechtsbindung der Beklagten und die ihr fehlende Befugnis, sich im Verhältnis zu anderen Privaten auf ihr Eigentumsgrundrecht zu berufen, bedingen, dass § 903 Satz 1 BGB hier nicht wie zwischen Privaten als Ausdruck einer privatautonomen, grundsätzlich im Gutdünken stehenden Entscheidungsfreiheit des Eigentümers Anwendung findet, sondern als Ermächtigungsnorm zur Verfolgung legitimer Zwecke des gemeinen Wohls in Ausfüllung der Schranken der Versammlungsfreiheit. Der Rückgriff auf § 903 Satz 1 BGB bedarf deshalb einer auf solche Aufgaben bezogenen funktionalen Einbindung und ist nur dann gerechtfertigt, wenn er zum Schutz individueller Rechtsgüter oder zur Verfolgung legitimer, hinreichend gewichtiger öffentlicher Zwecke des gemeinen Wohls dient.

[87] Bei Versammlungen, die im Bereich eines Flughafens durchgeführt werden, gehören hierzu vor allem die Sicherheit und Funktionsfähigkeit des Flughafenbetriebs. Ein Flughafen ist ein Verkehrsknotenpunkt für Güter und Personenströme, er ist in ein komplexes System globaler Netzwerke eingebunden und baut auf die einwandfreie Funktionstüchtigkeit sensibler technischer Vorrichtungen und den reibungslosen Ablauf logistischer Prozesse, die im Falle der Störung oder gar des Versagens zum Verlust von unter Umständen elementaren Rechtsgütern führen können. Beeinträchtigungen im Betriebsablauf können daher eine unbestimmte Zahl von Menschen empfindlich treffen. Angesichts der hieraus folgenden spezifischen Gefährdungslage, die sich gegebenenfalls aus der unmittelbaren Verbindung von als Räume öffentlicher Kommunikation ausgestalteten Bereichen des Flughafens mit den der Verkehrsfunktion dienenden Einrichtungen noch verstärken kann, gewinnen die Sicherheit und die Funktionsfähigkeit des Flughafenbetriebs erhebliches Gewicht und können Einschränkungen der Versammlungsfreiheit rechtfertigen. Massnahmen, die der Sicherheit und Leichtigkeit der Betriebsabläufe sowie dem Schutz der Fluggäste, der Besucher oder der Einrichtungen des Flughafens dienen, können folglich grundsätzlich auf das Hausrecht gestützt werden.

[88] b) Versammlungsbeschränkungen müssen zur Erreichung dieser Zwecke nach dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit weiterhin geeignet, erforderlich und angemessen sein. Dabei haben die auf der Grundlage des Hausrechts ergehenden Massnahmen der grundlegenden Bedeutung der Versammlungsfreiheit im freiheitlich demokratischen Staat Rechnung zu tragen. Es gelten grundsätzlich die für die Schranken der Versammlungsfreiheit auch sonst geltenden verfassungsrechtlichen Massgaben. Diese ermöglichen es, der besonderen Gefährdungslage eines Flughafens wirksam Rechnung zu tragen. Versammlungsbeschränkende Massnahmen können zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des komplexen logistischen Systems eines Flughafens im Einzelfall unter weniger strengen Bedingungen erlassen werden, als dies für entsprechende Versammlungen im öffentlichen Strassenraum möglich wäre.

[89] aa) Gemäss Art. 8 Abs. 1 GG ist die Durchführung von Versammlungen grundsätzlich ohne Anmeldung oder Erlaubnis gewährleistet. Versammlungen können danach nicht unter einen generellen Erlaubnisvorbehalt gestellt werden. Jedenfalls gegenüber einem unmittelbar grundrechtsgebundenen Rechtsträger scheidet damit eine allgemeine Erlaubnispflicht von Versammlungen für die dem allgemeinen kommunikativen Verkehr eröffneten Flächen in einem Flughafen auch auf der Grundlage des Hausrechts aus. Demgegenüber unterliegt eine Anzeigepflicht auch bei dem Flughafenbetreiber grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, zumal sie hier auch kurzfristig vor Ort erfolgen kann. Verhältnismässig ist diese jedoch nur, sofern sie nicht ausnahmslos gilt, sondern Spontan oder Eilversammlungen zulässt, und ein Verstoss gegen die Anmeldepflicht nicht automatisch das Verbot der Versammlung zur Folge hat (vgl. BVerfGE 69, 315 <350 f.>; 85, 69 <74 f.>).

[90] Eine Untersagung einer Versammlung kommt nur in Betracht, wenn eine unmittelbare, aus erkennbaren Umständen herleitbare Gefahr für mit der Versammlungsfreiheit gleichwertige, elementare Rechtsgüter vorliegt. Für das Vorliegen der ?unmittelbaren? Gefährdung bedarf es einer konkreten Gefahrenprognose. Blosse Belästigungen Dritter, die sich aus der Gruppenbezogenheit der Grundrechtsausübung ergeben und sich ohne Nachteile für den Versammlungszweck nicht vermeiden lassen, reichen hierfür nicht. Sie müssen in der Regel hingenommen werden. Sind unmittelbare Gefährdungen von Rechtsgütern zu befürchten, ist diesen primär durch Auflagen entgegenzuwirken. Die Untersagung einer Versammlung kommt als ultima ratio nur in Betracht, wenn die Beeinträchtigungen anders nicht verhindert werden können (vgl. BVerfGE 69, 315 <353>).

[91] Diese Grundsätze hindern nicht, dass dem besonderen Gefahrenpotential von Versammlungen in einem Flughafen in spezifischer Weise begegnet und die Rechte anderer Grundrechtsträger berücksichtigt werden können. Insbesondere erlaubt es der Verhältnismässigkeitsgrundsatz ohne Weiteres, etwa die räumliche Beengtheit der Terminals auf den jeweiligen Stufen der Abwägung in Rechnung zu stellen. Deshalb kann in einem Flughafen eine die dortigen räumlichen Verhältnisse sprengende Grossdemonstration untersagt beziehungsweise auf andere Stätten verwiesen werden ebenso wie das etwa in einer engen Fussgängerzone oder einer dicht bebauten historischen Altstadt möglich wäre; dabei kann die Teilnehmerzahl in einer den örtlichen Gegebenheiten gerecht werdenden Weise begrenzt werden. Auch liegt auf der Hand, dass in einem Flughafen bestimmte Formen, Mittel oder Geräuschpegel von Versammlungen eher Gefährdungen auslösen und damit leichter begrenzt werden können als bei entsprechenden Versammlungen auf einem Marktplatz oder einer öffentlichen Festwiese. Ebenso rechtfertigt die besondere Störanfälligkeit eines Flughafens in seiner primären Funktion als Stätte zur Abwicklung des Luftverkehrs Einschränkungen, die nach Massgabe der Verhältnismässigkeit im öffentlichen Strassenraum nicht hingenommen werden müssten. Dies gilt insbesondere für Massnahmen, die die Beachtung der besonderen Sicherheitsanforderungen des Flughafens sicherstellen. Ausserdem können Blockadewirkungen zur Gewährleistung der Sicherheit und Funktionsfähigkeit des Flughafens in weitergehendem Umfang verhindert werden als auf öffentlichen Strassen. So können zum Beispiel unüberschaubare, über eine begrenzte Zahl hinausgehende Spontanversammlungen unterbunden werden, wenn sie mangels hinreichender Möglichkeit zu sachgerechten Vorkehrungen des Flughafenbetreibers unbeherrschbar zu werden drohen. Freilich sind demgegenüber auch in einem Flughafen Belästigungen des Publikums durch Versammlungen in gewissem Umfang grundsätzlich hinzunehmen.

[92] bb) Inhaltlich nähern sich damit die Handlungsmöglichkeiten, die der Beklagten als unmittelbar an die Grundrechte gebundenem Rechtsträger auf der Grundlage des Hausrechts zur Verfügung stehen, der Reichweite der Befugnisse der Versammlungsbehörden. Jedenfalls können ihre zivilrechtlichen Befugnisse grundsätzlich nicht so ausgelegt werden, dass sie über die den Versammlungsbehörden verfassungsrechtlich gesetzten Grenzen hinausreichen. Dies hindert die Beklagte allerdings nicht, Beschränkungen der Versammlungsfreiheit, die den dargelegten verfassungsrechtlichen Massgaben entsprechen, für den Flughafen näher zu konkretisieren und generalisierend auf der Grundlage ihres Hausrechts in einer Flughafenbenutzungsordnung niederzulegen. Sie kann so für die Wahrnehmung des Versammlungsrechts im Flughafen transparente Regeln schaffen, die an die räumlichen Gegebenheiten und insbesondere an die spezifischen Funktionsbedingungen wie Gefahrenlagen angepasst sind. In Betracht kommen etwa an die tatsächlichen Verhältnisse anknüpfende, klarstellende Abgrenzungen zwischen multifunktionalen Verkehrsflächen und speziellen Funktionsbereichen, die Bezeichnung von Zonen, in denen Versammlungen grundsätzlich die Sicherheit des Flugbetriebs unmittelbar gefährden, oder auch ein Verbot des Mitführens von Gegenständen wie etwa Trillerpfeifen, Trommeln oder Megafonen, sofern diese erhebliche Beeinträchtigungen der Sicherheit oder Funktionsfähigkeit des Flughafenbetriebs besorgen lassen. Auch kann sie etwa eine die Anmeldepflicht bei den Versammlungsbehörden ergänzende Anzeigepflicht beim Flughafenbetreiber vorsehen.

[93] Solche allein auf dem Hausrecht beruhenden Regeln bleiben freilich auf privatrechtliche Wirkungen beschränkt. Sie lassen die hoheitlichen Befugnisse der Versammlungsbehörden und der Einsatzkräfte der Vollzugspolizei vor Ort ebenso unberührt wie deren Verantwortung für die Auslegung dieser Befugnisse. Allerdings können die Behörden die Bestimmungen einer solchen Benutzungsordnung im Rahmen ihrer versammlungsrechtlichen Befugnisse als Regelvermutungen für die Erfordernisse der Sicherheit und Funktionsfähigkeit des Flughafens typisierend zugrunde legen; sie müssen hierbei jedoch prüfen, ob diese den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen oder ob im Einzelfall eine Situation vorliegt, die eine Abweichung hiervon erfordert.

[94] c) Die angegriffenen Entscheidungen genügen diesen Anforderungen nicht. Die umfassende Bestätigung des der Beschwerdeführerin erteilten Flughafenverbots durch die Zivilgerichte ist jedenfalls angesichts der unmittelbaren Grundrechtsbindung der Beklagten mit dem Verhältnismässigkeitsgrundsatz nicht vereinbar.

[95] Das von der Beklagten ausgesprochene Flughafenverbot untersagt der Beschwerdeführerin die Durchführung jeglicher Versammlungen in allen Bereichen des Flughafens, sofern diese nicht vorher nach Massgabe einer grundsätzlich freien Entscheidung von der Beklagten erlaubt werden. Es beschränkt sich folglich nicht auf die Abwehr konkret drohender Gefahren für mit der Versammlungsfreiheit gleichwertige, elementare Rechtsgüter, sondern versteht sich als generelles Demonstrationsverbot gegenüber der Beschwerdeführerin. Ein solches Verständnis legt auch der Bundesgerichtshof dem Flughafenverbot zugrunde. Zwar bezieht er sich zur Begründung seiner Entscheidung auch auf konkrete, früher von der Beschwerdeführerin durchgeführte Versammlungen und stellt darauf ab, dass die Beklagte als Flughafenbetreiberin ?vergleichbare Aktionen? (vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 2006 V ZR 134/05 , NJW 2006, S. 1054 <1056>) nicht dulden müsse. Er leitet hieraus jedoch das berechtigte Interesse der Flughafenbetreiberin her, das Verbot insgesamt und ohne weitere Begrenzungen zu erlassen. Dieses erstreckt sich generell auf jede Art von Versammlung, auf alle Bereiche des Flughafens und auf unbegrenzte Zeit. Die Beschwerdeführerin muss danach für künftige Versammlungen in allen Bereichen des Flughafens um eine Erlaubnis nachsuchen. Dabei ist nicht erkennbar, unter welchen Bedingungen diese erteilt würde; vielmehr wird hierbei der Beklagten ein im Grundsatz freies Entscheidungsrecht zuerkannt. Die gerichtliche Bestätigung eines solch generellen Versammlungsverbots in dem zu weiten Teilen als öffentliches Forum ausgestalteten Flughafen genügt den Verhältnismässigkeitsanforderungen nicht.

III.
[96] Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin zudem in ihrem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

[97] 1. a) Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG schützt das Äussern einer Meinung nicht nur hinsichtlich ihres Inhalts, sondern auch hinsichtlich der Form ihrer Verbreitung (vgl. BVerfGE 54, 129 <138 f.>; 60, 234 <241>; 76, 171 <192>). Hierzu gehört namentlich das Verteilen von Flugblättern, die Meinungsäusserungen enthalten. Geschützt ist darüber hinaus auch die Wahl des Ortes und der Zeit einer Äusserung. Der sich Äussernde hat nicht nur das Recht, überhaupt seine Meinung kundzutun, sondern er darf hierfür auch die Umstände wählen, von denen er sich die grösste Verbreitung oder die stärkste Wirkung seiner Meinungskundgabe verspricht (vgl. BVerfGE 93, 266 <289>).

[98] Allerdings verschafft auch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG dem Einzelnen keinen Anspruch auf Zutritt zu ihm sonst nicht zugänglichen Orten. Die Meinungsäusserungsfreiheit ist dem Bürger nur dort gewährleistet, wo er tatsächlich Zugang findet. Anders als im Fall des Art. 8 Abs. 1 GG ist dabei die Meinungskundgabe aber nicht schon ihrem Schutzbereich nach auf öffentliche, der Kommunikation dienende Foren begrenzt. Denn im Gegensatz zur kollektiv ausgeübten Versammlungsfreiheit impliziert die Ausübung der Meinungsfreiheit als Recht des Einzelnen in der Regel keinen besonderen Raumbedarf und eröffnet auch nicht einen eigenen Verkehr, der typischerweise mit Belästigungen verbunden ist. Vielmehr haben die Meinungsäusserungsfreiheit und das aus ihr folgende Recht der Verbreitung von Meinungen keinen spezifischen Raumbezug. Als Individualrecht steht sie dem Bürger vom Grundsatz her überall dort zu, wo er sich jeweils befindet.

[99] b) Die angegriffenen Entscheidungen bestätigen das von der Beklagten erteilte Flughafenverbot und legen dieses dahingehend aus, dass der Beschwerdeführerin ein Betreten und eine Nutzung des Flughafens nur nach Massgabe der Flughafenbenutzungsordnung erlaubt sind, die ihrerseits das Verteilen von Flugblättern und sonstigen Druckschriften von einer vorab einzuholenden Erlaubnis abhängig macht. Der Beschwerdeführerin wird damit der Zutritt zu dem der Öffentlichkeit sonst allgemein zugänglichen Flughafen dann verwehrt, wenn sie dort Flugblätter verteilen will. Hierin liegt seitens der unmittelbar grundrechtsgebundenen Beklagten ein Eingriff in die Meinungsfreiheit gemäss Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

[100] 2. Die Meinungsfreiheit ist wie die Versammlungsfreiheit nicht unbeschränkt gewährleistet. Vielmehr findet sie ihre Schranken in den allgemeinen Gesetzen. Zu diesen zählen insbesondere auch die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches einschliesslich des aus § 903 Satz 1 und § 1004 BGB abzuleitenden Hausrechts. Grundsätzlich kann damit die Beklagte Beschränkungen der Meinungskundgabe im Bereich des Flughafens auf ihr Hausrecht stützen.

[101] 3. Gesetze, auf deren Grundlage die Meinungsfreiheit beschränkt wird, sind jedoch wie für die Versammlungsfreiheit dargelegt ihrerseits im Lichte des eingeschränkten Grundrechts auszulegen. Hierbei ist der für eine freiheitlich demokratische Ordnung konstituierenden Bedeutung der Meinungsfreiheit Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 7, 198 <208 f.>; 101, 361 <388>; stRspr). Insbesondere sind die Anforderungen des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes zu beachten.

[102] a) aa) Eingriffe in die Freiheit der Meinungskundgabe bedürfen zunächst eines legitimen Zwecks. Es gilt Entsprechendes wie zur Versammlungsfreiheit: Auch für die Einschränkung der Meinungsfreiheit ist die Beklagte angesichts ihrer unmittelbaren Grundrechtsbindung und der damit korrelierenden fehlenden Möglichkeit, sich im Verhältnis zur Beschwerdeführerin auf eigene Grundrechte zu berufen, in der Ausübung ihres Hausrechts grundsätzlich begrenzt. Sie darf dieses nicht wie private Bürger prinzipiell nach Gutdünken zur Durchsetzung ihrer Interessen verwenden. Vielmehr darf sie es nur insofern zur Unterbindung von Meinungskundgaben ausüben, als dieses öffentlichen Interessen dient.

[103] Deshalb kann das Verbot des Verteilens von Flugblättern insbesondere auch nicht auf den Wunsch gestützt werden, eine ?Wohlfühlatmosphäre? in einer reinen Welt des Konsums zu schaffen, die von politischen Diskussionen und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen frei bleibt. Ein vom Elend der Welt unbeschwertes Gemüt des Bürgers ist kein Belang, zu dessen Schutz der Staat Grundrechtspositionen einschränken darf (vgl. BVerfGE 102, 347 <364>). Unerheblich sind folglich Belästigungen Dritter, die darin liegen, dass diese mit ihnen unliebsamen Themen konfrontiert werden. Erst recht ausgeschlossen sind Verbote zu dem Zweck, bestimmte Meinungsäusserungen allein deshalb zu unterbinden, weil sie von der Beklagten nicht geteilt, inhaltlich missbilligt oder wegen kritischer Aussagen gegenüber dem betreffenden Unternehmen als geschäftsschädigend beurteilt werden.

[104] Nicht verwehrt ist es der Beklagten demgegenüber, kraft ihres Hausrechts das Verteilen von Flugblättern und sonstigen Formen von Meinungsäusserungen insoweit einzuschränken, als dies zur Gewährleistung der Sicherheit und Funktionsfähigkeit des Flugbetriebs erforderlich ist. Wie für die Versammlungsfreiheit liegt hierin auch im Hinblick auf die Meinungsäusserungsfreiheit ein gewichtiges Gemeingut, das Grundrechtseingriffe rechtfertigen kann.

[105] bb) Die Einschränkungen der Meinungskundgabe müssen zur Erreichung des Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen sein. Dies schliesst es jedenfalls aus, das Verteilen von Flugblättern im Flughafen generell zu verbieten oder von einer Erlaubnis abhängig zu machen. Demgegenüber sind Beschränkungen, die sich auf bestimmte Orte, Arten oder Zeitpunkte der Meinungskundgabe beziehen, zur Verhinderung von Störungen nicht grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. Supreme Court of Canada, Committee for the Commonwealth of Canada v. Canada, <1991> 1 S. C. R. 139, S. 86 ff.; Supreme Court of the United States, International Society for Krishna Consciousness v. Lee, 505 U.S. 672 <1992>, S. 699 ff.). Wie im öffentlichen Strassenrecht kann die Nutzung der Flughafenflächen zur Verbreitung von Meinungen nach Massgabe funktionaler Gesichtspunkte begrenzt und geordnet werden. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG verbietet insoweit nicht, dass die Verbreitung von Meinungen partiell oder für bestimmte Formen untersagt oder beschränkt wird. Es kommt hierbei nicht anders als im öffentlichen Strassenraum auf die räumlichen Verhältnisse und die Beeinträchtigung der verschiedenen Nutzungszwecke, insbesondere auf die Abläufe in Bezug auf die Luftverkehrsfunktion des Flughafens, an.

[106] Nach diesen Massstäben ist die Beklagte nicht generell daran gehindert, zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Flughafenbetriebs in bestimmten Bereichen wie beispielsweise auf der Luftseite hinter den Sicherheitskontrollen oder im Bereich von Rollbändern das Verteilen von Flugblättern erlaubnispflichtig zu machen oder gegebenenfalls auch ganz zu untersagen. Demgegenüber ist ein Verbot von Meinungskundgaben überhaupt oder auch eine umfassende Erlaubnispflicht, die das blosse Verteilen von Flugblättern einschliesst, jedenfalls in den Bereichen, die als Räume öffentlicher Kommunikation ausgestaltet sind, unverhältnismässig. Hier gelten für die unmittelbar an die Grundrechte gebundene Beklagte dieselben Grundsätze wie in Fussgängerzonen im öffentlichen Strassenraum. Das Grundgesetz gewährleistet die Möglichkeit der öffentlichen Auseinandersetzung prinzipiell an allen Orten allgemeinen kommunikativen Verkehrs. Werden solche Räume dem allgemeinen Zugang eröffnet, muss in ihnen auch den Kommunikationsgrundrechten Rechnung getragen werden. Im Übrigen kommt es darauf an, wieweit die Meinungskundgabe die Funktionsabläufe nachhaltig zu stören geeignet ist. Untersagt werden kann das Verteilen von Flugblättern im Einzelfall im Übrigen etwa auch dann, wenn diese ihrem Inhalt nach darauf ausgerichtet sind, den Flughafenbetrieb zu behindern, und hierdurch ernsthafte Störungen konkret zu befürchten sind; in Betracht kommt dieses etwa bei Aufrufen und Appellen zu Verstössen gegen die Sicherheitsbestimmungen des Flughafens oder des Luftverkehrsrechts.

[107] b) Die angegriffenen Entscheidungen genügen diesen Anforderungen nicht. Sie bestätigen das Flughafenverbot auch mit Blick auf das in ihm enthaltene generelle und unbegrenzte Verbot gegenüber der Beschwerdeführerin, künftig ohne vorherige Erlaubnis im Frankfurter Flughafen Flugblätter zu verteilen. Unabhängig von der Rechtmässigkeit der von der Beschwerdeführerin früher durchgeführten Flugblattaktionen, die nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind, ist ein in dieser Art allgemeines und von konkreten Störungen des Flughafenbetriebs unabhängiges Verbot unverhältnismässig.

IV.
[108] Ob die angegriffenen Entscheidungen darüber hinaus weitere Grundrechte der Beschwerdeführerin verletzen, kann dahinstehen, weil bereits die Verletzung von Art. 8 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidungen führt.

V.
[109] Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
[110] Die Entscheidung ist mit 7 : 1 Stimmen ergangen.

Kirchhof Hohmann Dennhardt Bryde Gaier Eichberger Schluckebier Masing Paulus

Quelle: http://www.bundesverfassungsgericht.de (Bundesverfassungsgericht, 76131 Karlsruhe)

Leitsätze, Format und Rechtschreibung: http://www.debier.de (debier-datenbank, RA Torsten Mahncke, Berlin