Urheberrechtsverletzung durch Schul-Homepage

LG Frankfurt: Verletzt ein Lehrer durch die Gestaltung einer Schul-Homepage Urheberrechte an Comic-Zeichnungen, haftet das Land als Anstellungskörperschaft für die dadurch begründeten Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche. 

LG Frankfurt Urteil vom 26.10.2016 – 2-06 O 175/16 –
Art. 34 GG
§§ 2 Abs. 1 Nr. 4, 19a, 97, 97a, 99 UrhG
§ 839 BGB
§ 278 ZPO

Leitsätze (amtl)

1. Erstellt ein Lehrer mit Billigung des Schulleiters eine Homepage, auf der Informationen über die Schule veröffentlicht werden, handelt er in Ausübung eines öffentlichen Amtes im Sinne von Art. 34 GG.

2. Verletzt ein Lehrer durch die Gestaltung Urheberrechte Dritter, haftet nicht der Schulträger als Beschäftigungsbehörde, sondern das Land als Anstellungskörperschaft.

3. Die Unterlassungsverpflichtung des Landes ist nicht auf Rechtsverletzungen in einer bestimmten Schule, Schulen allgemein oder den Geschäftsbereich des Kultusministeriums beschränkt. Vielmehr führt die Rechtsverletzung des Lehrers nach § 99 UrhG zu einer Haftung des Landes als “Unternehmensinhaber”. Es gibt keine Veranlassung, ein Land als juristische Person des öffentlichen Rechts insoweit anders zu behandeln als eine juristische Person des Privatrechts, die durch arbeitsteiliges Verhalten einer Haftung für Rechtsverletzungen nicht entgehen kann.

Tenor

1. Das beklagte Land wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft oder der Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, den in Anlage K 1 abgebildeten Cartoon von ABC öffentlich zugänglich zu machen, insbesondere wenn dies geschieht wie am 22.12.2015 unter http://www.

2. Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin 750,- € Teil-Schadensersatz zu bezahlen nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 01.07.2016.

3. Das beklagte Land wird verurteilt, Auskunft zu erteilen, seit wann es den im Antrag zu 1.) bezeichneten Cartoon von ABC auf dem Webportal der Schule öffentlich zugänglich gemacht hat.

4. Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin € 1.239,40 Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu bezahlen.

5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

6. Die Kosten des Rechtsstreits trägt das beklagte Land.

7. Das Urteil ist hinsichtlich Ziff. 2.) und 4.) des Tenor sowie der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Hinsichtlich Ziff. 1) ist das Urteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000,- €, hinsichtlich Ziff. 3.) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.200,- € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

[1] Die Klägerin nimmt das beklagte Land wegen urheberechtswidriger öffentlicher Zugänglichmachung eines Cartoons von ABC im Wege einer Teilklage auf Unterlassung, Schadensersatz sowie auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Anspruch.

[2] Der bekannte deutsche Cartoonist ABC ist Urheber des nachfolgend wiedergegebenen Cartoons:

[…]

[3] Die Klägerin, die vormals unter A 1 GmbH firmierte, ist Inhaberin der ausschliesslichen Verwertungsrechte einschliesslich des Rechts der Geltendmachung von Schadensersatz am streitgegenständlichen Cartoon (Anlagen K 2 und K 3).

[4] Auf der Internetseite www.xxx.de wurde der Cartoon am 11.10.2014 (Anlage K 21) und im Dezember 2015 (Anlage K 7) öffentlich zugänglich gemacht. Verantwortlich für die Gestaltung des Internetauftritts war ein dort tätiger Lehrer, der im Dienst des beklagten Landes steht.

[5] Hierauf liess die Klägerin das beklagte Land mit Schreiben vom 22.12.2015 abmahnen und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auffordern. Nach umfangreichem Schriftwechsel zwischen den Parteien kam es letztlich hierzu nicht.

[6] Die Klägerin ist der Auffassung, ihr stehe neben einem Unterlassungsanspruch auch ein Anspruch auf Schadensersatz für den Zeitraum Januar 2014 bis Dezember 2015 zu, basierend auf einer üblichen Lizenzierung von 50,- € / Monat. Die Abmahnkosten macht sie in Höhe einer 1,3 Gebühr aus 31.400,- € geltend.

[7] Die Klägerin beantragt,
1. Das beklagte Land wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft oder der Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, den in Anlage K 1 abgebildeten Cartoon von ABC öffentlich zugänglich zu machen, insbesondere wenn dies geschieht wie am 22.12.2015 unter http://www.xxx.de/
2. Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin 1.200,- € Teil-Schadensersatz zu bezahlten nebst 9 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
3. Das beklagte Land wird verurteilt, Auskunft zu erteilen, seit wann sie den im Antrag zu 1.) bezeichneten Cartoon von ABC auf dem Webportal der Schule öffentlich zugänglich gemacht hat.
4. Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin € 1.239,40 Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu bezahlen.

[8] Das beklagte Land beantragt, die Klage abzuweisen.

[9] Es ist der Auffassung, dass das Land nicht passivlegitimiert sei, da die Seite von einem Lehrer erstellt worden sei. Weder die Zurverfügungstellung bzw. Einrichtung noch die Betreuung einer Schul-Website sei Aufgabe der Beklagten. Aus § 92 Abs. 2 HSchulG ergebe sich, dass die Schulaufsicht über das Handeln der angestellten Lehrer nicht dem Land obliege, sondern dem Schulträger, hier dem Landkreis CDEF. Dieser stelle die Infrastruktur für die Schulen zur Verfügung. Die Website werde nicht benutzt, um über aktuelle Geschehnisse aus dem Aufgabenbereich des Landes zu informieren, sondern nur, um die Attraktivität und Vorteile der Schule zu bewerben.

[10] Im Übrigen sei die Handlung nicht dem Bereich hoheitlicher Tätigkeit angehörend. So finde sich auf der Seite kein Hinweis auf das beklagte Land. Ein Zusammenhang zu hoheitlich-dienstlicher Betätigung liege nicht vor; es handele sich vielmehr nur um einen Realakt.

[11] Das Staatliche Schulamt für den Landkreis CDEF sei im Übrigen gar nicht berechtigt, eine Unterlassungserklärung abzugeben, die das gesamte Land Hessen und damit alle nachgeordneten Behörden verpflichte.

[12] Zur Vervollständigung wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.09.2016 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

[13] Die zulässige Klage erweist sich weit überwiegend als begründet. Das beklagte Land haftet der Klägerin wegen der öffentlichen Zugänglichmachung des streitgegenständlichen “ABC”-Cartoons nach §§ 19a, 97 Abs. 1, 2, 97a Abs. 3 S. 1 UrhG auf Schadensersatz, Unterlassung, Auskunft sowie Ersatz der durch die begründete Abmahnung entstandenen aussergerichtlichen Kosten.

[14] 1. Das beklagte Land ist prozessfähig. Es wird vertreten durch das Staatliche Schulamt für den Landkreis CDEF und die Stadt CDEF. Das Staatliche Schulamt ist eine nachgeordnete Behörde im Geschäftsbereich des Kultusministeriums. Nach § 1 Abs. 1a xxx vertreten die Staatlichen Schulämter das Land X in Rechtstreitigkeiten vor den ordentlichen Gerichten.

[15] 2. Der Klägerin hat gegen das beklagten Land ein Schadensersatzanspruch aus §§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG in Höhe von 750,- €, da das streitgegenständliche Werk auf der Internet-Seite der XYZ-Schule in CDEF im Zeitraum Oktober 2014 bis Dezember 2015 ohne Zustimmung der Klägerin nach § 19a UrhG öffentlich zugänglich gemacht wurde. Für den Zeitraum Januar bis September 2015 konnte die Klägerin eine öffentliche Zugänglichmachung hingegen nicht beweisen, so dass die Klage insoweit abzuweisen war.

[16] a) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten nach § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Dabei trifft die Verantwortlichkeit nach Art.  34 Satz 1 GG grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Diensten er steht, wenn er die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes verletzt. Dieser Anspruchsübergang erfasst auch den urheberrechtlichen Schadensersatzanspruch nach §  97 Absatz 2 UrhG (BGH MMR 2009, 756 [BGH 20.05.2009 – I ZR 239/06]; von Wolff, in: Wandtke/Bullinger, UrhR, 4. Aufl., § 97 UrhG Rnr. 20).

[17] b) Der Lehrer Z hat bei der Erstellung der Homepage – und damit bei der Urheberrechtsverletzung – in Ausübung eines öffentlichen Amtes gehandelt.

[18] Das beklagte Land hat vorgetragen, die inhaltliche Betreuung habe ein Lehrer “übernommen”, was dahingehend auszulegen ist, dass dies im Auftrag oder zumindest in duldender Kenntnis der Schulleitung erfolgt ist. Bei dem Schulleiter und den Lehrkräften der XYZ-Schule handelt es sich um Beamte im staatsrechtlichen, jedenfalls aber im haftungsrechtlichen Sinn, deren Anstellungskörperschaft das beklagte Land ist.

[19] c) Der Lehrer, der das streitgegenständliche Bild auf die Homepage geladen hat, hat dabei in Ausübung seines öffentlichen Amtes gehandelt.

[20] Ob ein bestimmtes Verhalten einer Person als Ausübung eines öffentlichen Amtes anzusehen ist, bestimmt sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs danach, ob die eigentliche Zielsetzung, in deren Sinne die Person tätig wurde, hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen ist, und ob bejahendenfalls zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein so enger äusserer und innerer Zusammenhang besteht, dass die Handlung ebenfalls noch als dem Bereich hoheitlicher Betätigung angehörend angesehen werden muss. Dieser erforderliche enge Bezug der Nutzung des Lichtbilds der Klägerin auf den Internetseiten der Schule zum Zwecke der Werbung für deren Schulangebot mit einer hoheitlichen Tätigkeit besteht im vorliegenden Fall. Der Schulbetrieb an öffentlichen Schulen ist eine hoheitliche Aufgabe und für Lehrer die Ausübung eines vom Staat anvertrauten öffentlichen Amtes (Wöstmann, in: Staudinger, Neubearb. 2013, § 839 Rnr. 778 m.w.Nw.). Zwar ist nicht zu verkennen, dass die Vorstellung und Bewerbung der Schule im vorliegenden Fall weder eine Lehrtätigkeit als solche darstellte, die den Kernbereich des hoheitlichen Schulbetriebs darstellt, noch vergleichbar eng mit dieser Lehrtätigkeit verbunden war, wie z.B. die Zurverfügungstellung von Lehrmaterialien oder Computerprogrammen zur Nutzung während des Studiums, die Gegenstand der Leitentscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 16.1.1992 (GRUR 1993, 37 [BGH 16.01.1992 – I ZR 36/90] – Seminarkopien) und vom 20.05.2009 (GRUR 2009, 864 [BGH 20.05.2009 – I ZR 239/06] – CAD-Software) waren. Dennoch besteht der erforderliche enge Zusammenhang. Die als hoheitlich einzuordnende Tätigkeit von Lehrkräften und Beamten der Schulverwaltung geht über den eigentlichen Lehrbetrieb hinaus und umfasst den gesamten Schulbetrieb. Die aus der Homepage (Anlage K 16) erkennbare Bewerbung des Schulangebotes stellt sowohl formal als auch materiell einen Teil des Schulbetriebs dar. Sie soll die Attraktivität der Schule steigern, deren Ruf verbessen und damit die “Nachfrage” nach der Schule steigern. Trotz Schulbezirksbindung im Grundschulbereich (§ 143 HSchulG) stehen staatliche Grundschulen im Wettbewerb etwa mit Schulen freien Träger oder – contra legem – gerichtsbekannt faktisch auch im Wettbewerb mit Grundschulen anderer Schulbezirke durch Gestattungsanträge nach § 66 HSchulG. Als dergestalt der eigentlichen Lehrtätigkeit vorgelagerte Handlung steht die Werbung weiter auch in der Sache mit dieser im engen Zusammenhang, weil sie auf die in den Lehrveranstaltungen zu vermittelnden Inhalte bezogen ist. Sie ist insbesondere nicht mit Fiskalmassnahmen wie der Beschaffung von Verwaltungshilfsmitteln (z.B. Schreibmaterial) vergleichbar, die nicht als Ausübung öffentlicher Gewalt anzusehen sind (vgl. dazu auch BGH GRUR 1993, 37 [BGH 16.01.1992 – I ZR 36/90] – Seminarkopien, Rnr. 20 a.E.). Solche nicht als hoheitlich einzuordnenden Fiskalmassnahmen sind regelmässig Massnahmen, die nur die wirtschaftlichen oder technischen Voraussetzungen für die eigentliche hoheitliche Tätigkeit schaffen (BGH, U. v. 4.3.1982 – BGH Aktenzeichen IIIZR15080 III ZR 150/80, Rnr. 8). Hierüber geht die Bewerbung des fachlichen Angebots einer Schule aus den vorgenannten Gründen hinaus (vgl. OLG Celle, MMR 2016, 336 [OLG Celle 09.11.2015 – 13 U 95/15]). Schliesslich ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber den Schulen in § 16 Abs. 1 HSchulG ausdrücklich als Aufgabe zugewiesen hat, die “Öffnung der Schule gegenüber ihrem Umfeld zu fördern”. Diesem Zweck dient nach § 16 Abs. 2 HSchulG zwar zuvorderst die Zusammenarbeit mit ausserschulischen Einrichtungen und Institutionen. Die Aussendarstellung der Schule auch auf einer Internet-Homepage ist jedoch dieser Tätigkeit vorgelagert und dient der Schaffung von Aufmerksamkeit und Akzeptanz in ihrem “Umfeld” im Sinne von § 16 Abs. 1 HSchulG, die die Schule für die Erfüllung dieser Aufgabe benötigt. Nicht zuletzt schliesslich fördert die mit der Homepage verbundene Möglichkeit der Information der Eltern (Termine, Schulordnung, Schulkonzept, Hausaufgabenkonzept etc., vgl. Anlage K 17) die Möglichkeit der Ausübung deren schulgesetzlich (§ 101 HSchulG) und verfassungsrechtlich (Art. 56 Abs. 6 HVerf) gewährleisteten Mitbestimmungsrechts der Eltern.
[21] Ein Beamter, der in Ausübung seines öffentlichen Amts eine unerlaubte Handlung auch i.S.d. §  97 UrhG begeht, verletzt dadurch zugleich eine ihm dem Träger des Rechts oder Rechtsguts gegenüber obliegende Amtspflicht (vgl. BGH, U. v. 16.01.1992, a.a.O. Rnr. 21).

[22] d) Für diese Rechtsverletzung haftet auch nicht der Schulträger, sondern das beklagte Land als Anstellungskörperschaft.

[23] Der Bundesgerichtshof hat bei der Bestimmung der passivlegitimierten Körperschaft den alten Streit um die Anstellungs- oder Funktionstheorie durch die Entwicklung der Anvertrauenstheorie wesentlich entschärft (NJW 1984, 228 [BGH 21.04.1983 – III ZR 2/82]). Er beantwortet die Frage nach der haftpflichtigen Körperschaft danach, “wer dem Amtsträger das Amt, bei dessen Ausnutzung er fehlsam gehandelt hat, anvertraut hat, wer mit anderen Worten dem Amtsträger die Aufgaben, bei deren Wahrnehmung die Amtspflichtverletzung vorgekommen ist, übertragen hat”. Im Regelfall ist dabei die öffentlich-rechtliche Körperschaft haftpflichtig, die den Amtsträger angestellt hat und ihn besoldet (nach der früheren Terminologie: Anstellungstheorie), nicht dagegen diejenige, deren Aufgaben im Einzelfall wahrgenommen wurden (nach der früheren Terminologie: Funktionstheorie). Diese grundsätzliche Entscheidung ist zum einen schon durch den Wortlaut des Art. 34 S. 1 GG begründet, der durch die Formulierung “in deren Dienst er steht” auf die Dienstherrnkörperschaft weist. Zum anderen geben allein der Anstellungsakt und die Anstellungskörperschaft dem betroffenen Bürger eindeutige Kriterien bei der Feststellung des Schuldners, was von dem Gesichtspunkt der Funktionswahrnehmung im konkreten Fall nicht behauptet werden kann (MüKo-Papier, BGB, 6. Aufl., § 839, Rnr. 360 f.) Ob auch die konkrete Aufgabe, bei deren Erfüllung die Amtspflichtverletzung begangen wurde, in den Aufgabenkreis der Körperschaft fällt, ist unbeachtlich. Daher haftet die Anstellungskörperschaft auch, soweit ihr von einer andere Körperschaft Aufgaben übertragen worden sind und ihr Beamter in Ausübung einer Auftragsangelegenheit tätig wird (vgl. Palandt BGB, Auflage 2014, § 839 Randziffer 25 mit Nachweisen aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung). Wenn demnach der kommunale Amtsträger dafür haftet, wenn er im Aufgabenkreis des Landes tätig wird, gilt dies auch umgekehrt. Es kommt daher nicht darauf an, ob der Lehrer seine Amtspflichtverletzung im Rahmen seiner pädagogischen Aufgaben oder im Rahmen der Schulorganisation und damit für den Schulträger tätig geworden ist. In beiden Fällen haftet das Land als Anstellungskörperschaft (vgl. LG Magdeburg, Urteil vom 30.04.2014, 7 O 1088/13, BeckRS 2014,20998).

[24] Dem entsprechend hat der Bundesgerichtshof auch in dem Urteil “Seminarkopien” den Rechtsträger als passivlegitimiert für den Schadensersatzanspruch angesehen, der den Beamten in das Beamtenverhältnis berufen hatte und nicht die Schule (im BGH-Fall: Hochschule), an der der Beamte konkret tätig war. Darauf, dass die konkrete Aufgabe, bei deren Erfüllung die Amtspflichtverletzung begangen wurde, nicht in den Aufgabenbereich des Landes, sondern der Hochschule fiel, kam es danach nicht an.

[25] e) Der Schadensersatzanspruch besteht allerdings nur in Höhe von 750,- €, da die Klägerin nur eine Nutzung im Zeitraum von Oktober 2014 bis Dezember 2015 beweisen konnte.

[26] aa) Die Klägerin hat substantiiert dargelegt, dass das Lichtbild im Oktober 2014 (Anlage K 21) sowie im Dezember 2015 (Anlage K 7) auf der Internetseite öffentlich zugänglich war und hierzu behauptet, die Nutzung sei ununterbrochen während dieses Zeitraumes erfolgt. Dem ist das beklagte Land nicht substantiiert entgegen getreten; es hat keinen abweichenden Nutzungszeitraum dargelegt, was ihm im Rahmen der sekundären Darlegungslast zuzumuten gewesen wäre, da sie – im Gegensatz zur Klägerin – über entsprechende Kenntnisse verfügt bzw. diese einholen kann. Die Kammer hat daher als unstreitig zugrunde zu legen, dass das Bild von Oktober 2014 bis Dezember 2015 auf der Seite zugänglich war.

[27] Für den Zeitraum Januar 2014 bis September 2015 fehlt es hingegen schon an substantiiertem Klägervortrag. Es ist nicht erkennbar, woher eine Nutzung bereits in diesem Zeitraum seine Begründung finden soll. Unter diesen Umständen ist es auch nicht an dem beklagten Land, hier im Rahmen einer sekundären Darlegungslast näher vorzutragen, da die Klägerin insoweit ihrer primären Darlegungslast schon nicht nachgekommen ist. Der Klägerin steht der Auskunftsanspruch zu, um die für die Berechnung des Schadensersatzanspruchs notwendigen tatsächlichen Grundlagen zu ermitteln, um sodann (etwa im Wege der Stufenklage) den sich hieraus ergebenden Betrag zu beziffern. Hier hat die Klägerin indes zwar Auskunft begehrt, jedoch zugleich für den gesamten Zwei-Jahres-Zeitraum bereits Schadensersatz verlangt. Dies führt zur Teilabweisung für den Zeitraum Januar 2014 bis September 2014.

[28] bb) Die Kammer schätzt den der Klägerin in diesem Zeitraum entstandenen Schaden gem. § 278 ZPO auf 50,- € pro Monat und damit insgesamt auf 750,- €. Die Klägerin hat unbestritten vorgetragen, dass sie regelmässig Werke von ABC nach der Preisliste in Anlage K 13 lizenziert.

[29] 3.) Das beklagte Land haftet darüber hinaus nach §§ 97 Abs. 1, 99 UrhG auch auf Unterlassung.

[30] a) Der urheberrechtliche Unterlassungsanspruch nach § § 97 Abs. 1 UrhG wird dabei durch den Amtshaftungsanspruch nach § 839 i.V.m. Artikel GG Artikel 34 Grundgesetz nicht verdrängt (BGH GRUR 1993, 37 [BGH 16.01.1992 – I ZR 36/90] – “Seminarkopien” Randziffer 26 f.), wobei die Haftung des Inhabers eines Unternehmens nach § 99 UrhG nach der zitierten BGH-Entscheidung ausdrücklich auch auf die öffentliche Hand anzuwenden ist. Auch die öffentliche Hand ist verpflichtet, das Urheberrecht zu beachten. Sie ist grundsätzlich auch dem urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch ausgesetzt, wenn von ihr Eingriffe in urheberrechtlich geschützte Rechte zu befürchten sind.

[31] b) Entgegen der Auffassung des beklagten Landes beschränkt sich die den Unterlassungsanspruch begründende Wiederholungsgefahr auch nicht lediglich auf den Bereich des Schulamtes für den Landkreis CDEF oder etwa den Geschäftsbereich des für die Schulen zuständigen Kultusministeriums.

[32] Der Regelungsgrund des § 99 UrhG liegt darin, dem Unternehmer die Möglichkeit zur Exkulpation (wie in § 831 Abs. 1 S. 2 BGB) abzuschneiden, wenn Urheberrechtsverletzungen aus seinem Betrieb heraus vorgenommen werden. Ihm wird also fremdes Handeln als eigenes zugerechnet und eine eigene verschuldensunabhängige Haftung auferlegt (Zander ZUM 2011, 305, 306). Der Unternehmer soll sich nicht hinter seinem Arbeitnehmer “verstecken” können (so Götting GRUR 1994, 6, 9). Bezüglich einer entsprechenden Unterlassungsverfügung hat das BVerfG entschieden, dass § 99 nicht gegen den Grundsatz “nulla poena sine culpa” verstösst (BVerfG NJW 1996, 2567 [BVerfG 28.05.1996 – 1 BvR 927/91]). Dies gilt nach Auffassung des Verfassungsgerichts selbst dann, wenn eine Urheberrechtsverletzung gegen den Willen des Unternehmers erfolgte und er hierdurch auch keinen nennenswerten Vorteil erlangt hat (hierzu s. Dreier/Schulze/Dreier, UrhG, 5. Aufl., § 100 Rnr. 2). Die Norm verfolgt somit insbesondere das Ziel, dem Verletzten die Durchsetzung seiner Rechte zu erleichtern (Fromm/Nordemann/Nordemann § 99 Rnr. 1). Der BGH führte hierzu aus, die Vorschrift solle den Inhaber eines Unternehmens daran hindern, sich bei ihm zugutekommenden Urheberrechtsverletzungen von Angestellten oder Beauftragten auf das Handeln abhängiger Dritter zu berufen (BGH GRUR 1993, 37, 39 [BGH 16.01.1992 – I ZR 36/90] – Seminarkopien). Anlass, dies bei dem beklagten Land deshalb anders zu sehen, weil es sich um eine juristische Person des öffentlichen Rechts und nicht des Privatrechts handelt und diese somit zu privilegieren, besteht danach nicht.

[33] c) Auch ist der Unterlassungsanspruch nicht unter dem Gesichtspunkt des “typischen” der Verletzungshandlung in obigem Sinne räumlich oder sachlich beschränkt. Die durch eine Verletzungshandlung begründete Wiederholungsgefahr erstreckt sich grundsätzlich auch auf alle im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen. Im Kern gleichartig ist ein Verhalten, das – ohne identisch zu sein – von der Verletzungshandlung nur unbedeutend abweicht. Entscheidend ist, dass sich das Charakteristische der Verletzungshandlung wiederfindet. Diese Rechtsfigur – die eigentlich zu einer Erweiterung des Unterlassungsanspruchs für den Gläubiger und nicht zu einer Beschränkung führt – kann indes hier nicht dazu führen, dass entgegen den oben dargestellten Grundsätzen eine Privilegierung des Landes gegenüber anderen arbeitsteilig arbeitenden Grossorganisationen erfolgt. Soweit der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung insoweit den Vergleich mit einem Konzern gezogen hat, in dem grundsätzlich eine Zurechnung zwischen den Konzerngesellschaften nicht stattfindet, trägt dieser Vergleich nicht. Mangels rechtlicher Unabhängigkeit “der Untereinheiten” des beklagten Landes sind diese vielmehr lediglich als rechtlich unselbständige “Abteilungen” – und nicht als “Konzerngesellschaften” – anzusehen. Ebenso wie eine grosse juristische Person bei einer Urheberrechtsverletzung eines Mitarbeiters in einer bestimmten Abteilung nicht nur für künftige Rechtsverletzungen in dieser Abteilung einzustehen hätte, gilt dies für das beklagte Land, das zur Unterlassung von Urheberrechtsverletzungen in allen Teilen seiner Landesbehörden zu sorgen hat.

[34] Dem entsprechend ist in einem vergleichbaren Fall ein Unterlassungstenor ausgesprochen worden, der nicht räumlich oder sachlich beschränkt war, sondern das gesamte Land verpflichtete (LG Magdeburg, 7 O 1088/13, Urteil vom 30.04.2014, BeckRS 2014,20998).

[35] 4.) Das beklagte Land schuldet darüber hinaus Auskunft aus §§ 242, 259, 260 BGB.

[36] 5.) Schliesslich hat die Klägerin nach § 97a Abs. 3 S. 1 UrhG auch einen Anspruch auf Erstattung der durch die Abmahnung entstandenen Abmahnkosten. Der Gegenstandswert in Höhe von 30.000,- € bewegt sich dabei zwar im oberen Bereich, lässt jedoch angesichts des der Kammer bekannten kommerziellen Erfolgs der “ABC”-Cartoons nicht erkennen, dass er offensichtlich übersetzt ist.

[37] 6.) Zinsen schuldet das beklagte Land lediglich in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz. Schadensersatzansprüche stellen keine Entgeltforderungen nach § 288 Abs. 2 BGB dar, die einen Zinssatz in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz rechtfertigen würden. Eine entgeltliche Leistung liegt nämlich nach § 286 BGB nur dann vor, wenn die Forderung auf die Zahlung eines Entgelts als Gegenleistung für eine vom Gläubiger erbrachte oder zu erbringende Leistung gerichtet ist, die in der Lieferung von Gütern oder der Erbringung von Dienstleistungen besteht. Dies ist bei Schadensersatzansprüchen oder Ansprüchen auf Abmahnkostenersatz regelmässig nicht der Fall.

[38] 7.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 709 ZPO.

Quelle: Quelle: http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/ (Wolters Kluwer Deutschland GmbH, Luxemburger Strasse 449
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