Schmähkritik

„Ficken, Ficken, Ficken und nicht mehr an die Leser denken“ – Meinungsäusserungsfreiheit überwiegt Persönlichkeitsrecht: Die Wiederholung einer gerichtlich als Schmähkritik eingestuften Äusserung in einem Satiremagazin kann als Meinungsäusserung zulässig sein. Etwa, wenn sich das Magazin, wie in diesem Fall, inhaltlich mit der Gerichtsentscheidung auseinandersetzt. 

LG Berlin,  Urteil vom 19.11.1996  – 27 O 381/96 –  „Markwort“
Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 5 Abs. 1, Abs. 3 GG
§§ 823, 1004 BGB
§§ 185 ff. StGB

Leitsatz (tm.)

Zur Abwägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der Meinungsäuserungsfreiheit anlässlich eines Streits zwischen dem Chefredakteur des Nachrichten-Magazins „FOCUS“ und der Verlegerin des Satire-Magazins „TITANIC“ wegen der Wiedergabe einer Comic-Zeichnung des Chefredakteurs mit dem Untertitel „Ficken, Ficken, Ficken und nicht mehr an die Leser denken“ im Zusammenhang mit dem Bericht über einen Rechtsstreit, durch dem dem Chefredakteur wegen einer Erstveröffentlichung der Zeichnung in einem anderen Magazin eine Geldentschädigung zuerkannt wurde.

AfP 4 / 1997, 735:

Tatbestand

Der Kläger ist Chefredakteur des Nachrichtenmagazins FOCUS und gleichzeitig alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer des FOCUS Magazin Verlags. Für das Magazin wird mit dem Werbeslogan “Fakten, Fakten, Fakten und immer an die Leser denken” geworben, u.a. in einer Fernsehwerbung, in der der Kläger in einer nachgestellten Redaktionskonferenz diesen Text spricht. Die Beklagte ist Verlegerin des monatlich erscheinenden Satiremagazins “Titanic”.

In der Ausgabe der Illustrierten Stadtzeitung für Berlin Zitty Nr. 26/95 druckte deren Verlegerin im Programmteil eine mit den Worten “Das wahre Gesicht des Helmut Markwort” untertitelte Comiczeichnung des Karikaturisten O. ab. Die Comiczeichnung zeigt den Kläger. In einer Sprechblase steht “Ficken, Ficken, Ficken und nicht mehr an die Leser denken”. Der Kläger nahm die Verlegerin der Illustrierten Zitty wegen der Veröffentlichung auf Zahlung einer Geldentschädigung in Anspruch. Die Kammer verurteilte diese mit – rechtskräftigem – Urteil vom 11. Juni 1996 (27 O 72/96) zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 15.000,00 DM. Dieses Urteil greift die Beklagte mit dem in der Rubrik “Briefe an die Leser” in der Juli-Ausgabe des Satiremagazins “Titanic” veröffentlichten Bericht unter Wiedergabe der vom Kläger angegriffenen Zeichnung auf.

Der Kläger ist der Auffassung, dass die erneute Veröffentlichung der Grafik, die die Grenzen der Schmähkritik bei weitem überschreite, einen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte begründe. Die Beklagte mache sich die in dem Cartoon zum Ausdruck kommende Beleidigungstendenz in vollem Umfange zu eigen. Darüber hinaus werde er, der Kläger, in dem veröffentlichten Text in einer Weise persönlich attackiert, die eine zusätzliche schwerwiegende Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts darstelle. Insbesondere in dem Beitrag Justiz, Justiz” werde durch die Bezeichnung des Cartoons als “phonetisch extrem naheliegender, allenfalls etwas flapsiger Replik auf die penetrant im Lande verbreitete Focus-Werbung” bzw. “guter Spass” dessen Inhalt verstärkt und gebilligt. Das dort weiter verbreitete angebliche Motiv der Forderung gegen den Zitty Verlag (“Und das nur, damit man nicht sagen kann, Markwort nähme Geld fürs Ficken”) und die Bezeichnung als “Plumpaquatsch-Figur” seien beleidigend. In dem sich mit der Werbung des FOCUS auf Hamburg 1 befassenden Beitrag werde schliesslich der Anwurf des Cartoons durch die Behauptung, dass er, der Kläger, “als Macher eines Nachrichtenmagazins immer nur an das Eine denkt”, wiederholt.

Dies rechtfertige die Zubilligung eines Schmerzensgeldes. Dabei sei zu berücksichtigen, dass das Magazin Titanic nach den Angaben im Impressum eine Auflage von über 104.000 Exemplaren hat und bundesweit verbreitet werde. Auch der

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– LG Berlin,  Urteil vom 19.11.1996  – 27 O 381/96 –

vom Bundesgerichtshof als Bemessungskriterium anerkannte Aspekt der Präventionswirkung müsse im vorliegenden Fall im besonderen Masse Berücksichtigung finden. Die Veröffentlichung von gleich zwei Beitrügen in der Rubrik “Briefe an die Leser”, die sich mit ihm, dem Kläger, befassen würden, mache deutlich, dass sich die Beklagte hiervon eine besondere Resonanz und Auflagensteigerung verspreche. Schliesslich sei das Verschulden der Beklagten besonders hoch. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass für sie als Satire-Magazin besondere Massstäbe gelten würden. Auch wenn eine schwere Persönlichkeilsrechtsverletzung in das Gewand der Satire gekleidet werde, führe dies zu einem Schmerzensgeldanspruch des Betroffenen. Die Beklagte habe über die Veröffentlichung in der Juli-Ausgabe der “Titanic” hinaus in der November-Ausgabe desselben Magazins ihre Leser aufgefordert, “absolut alles über, von, mit und hinter” ihm, dem Kläger, mitzuteilen, sowie einen Kurzauftritt in einer Filmkomödie, die die Beklagte sich zu verschaffen versuche, dazu benutzt, ihn in der Öffentlichkeit unpassend anzugreifen. Nach allem sei ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 100.000,00 DM angemessen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger stehen die gelltnd gemachten Ansprüche auf Unterlassung und Zahlung einer Entschädigung in Geld wegen der beanstandeten Veröffentlichung in der “Titanic” Heft Nr. 7/96 aus §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, analog 1004 BGB i.V.m. §§ 185 ff. StGB, Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG nicht zu, weil die Beklagte sich auf die Meinungsäusserungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG berufen kann und dem Persönlichkeitsrecht des Klägers dem gegenüber kein grösseres Gewicht zukommt.

Zwar handelt es sich bei der streitgegenständlichen Zeichnung dem Grunde nach um eine die Grenzen der zulässigen Kritik bzw. der als Satire vom Betroffenen hinzunehmende Beeinträchtigung überschreitende Schmähung des Klägers. Die Kammer hat in ihrem in dem Rechtsstreit des Klägers gegen den Zitty-Verlag am 11. Juni 1996 verkündeten Urteil hierzu ausgeführt:

“Die Persönlichkeitsrechtsverletzung durch die die Intimsphäre berührende Zeichnung ist als besonders schwer anzusehen. Der Kläger wird darin, untertitelt mit dem Salz ,Das wahre Gesicht des Helmut Markwort’ an einem Tisch sitzend und mit einer Hand auf diesen schlagend gezeichnet, wobei ihm mittels einer Sprechblase die Äusserung zugewiesen wird ,Ficken, Ficken, Ficken und nicht mehr an die Leser denken.’ Diese Aussage lehnt sich dabei offensichtlich an an einen Werbetext, den der Kläger als Chefredakteur und Herausgeber des Nachrichtenmagazins “Focus” im Rahmen von Fernsehspots in der von der Beklagten insofern zutreffend wiedergegebenen Pose seinen Redaktionsmitarbeitern gegenüber äussert mit dem Inhalt: ,Fakten, Fakten, Fakten und immer an die Leser denken’. Für den Leser und Betrachter der streitbefangenen Äusserung muss sich der Hinditick aufdrängen, der Kläger könne es nicht ernst meinen mit seinen Lesern, über die er sich vielmehr lustig mache. Dies gilt um so mehr, als die Kenntnis der zugrunde liegenden Werbeaussage in weiten Teilen der Bevölkerung und so auch in der Leserschaft des Presseorgans der Beklagten vorausgesetzt werden kann.

Dem Seriosität ausstrahlenden Bekenntnis des Klägers zu sachlicher Berichterstattung im Interesse seiner Leser unterstellt die Beklagte mit der in den Mund des Klägers gelegten Äusserung Unwahrhaftigkeit. Dem Kläger gehe es keineswegs um sachliche, wahre Berichterstattung für die Leser, symbolisiert durch den Begriff ,Fakten’. Vielmehr sei, wie erst enthüllt werden müsse (,das wahre Gesicht’), der Kläger ausschliesslich an seinem Vergnügen und Wohlergehen interessiert, was durch den derben Vulgär- und Primitivausdruck ,Ficken’ als Synonym für die Ausübung des Geschlechtsverkehrs zum Ausdruck gebracht werden soll. Soweit diese in ihrem Sinn- und Bedeutungsgehalt insgesamt nur schwer zugängliche und letztlich in ihrer Banalität auffällige Äusserung jedoch dem Kläger eine alles andere dominierende sexuelle Triebhaftigkeit unterstellt, dringt sie in dessen Intimsphäre, die als engster Schutzbereich der Persönlichkeit den stärksten Schutz gegen Angriffe geniesst. Letzteres gilt unabhängig davon, ob es sich – wie bei dem Kläger aufgrund seines Bekanntheitsgrads – um eine Person des öffentlichen Lebens oder um einen gewöhnlichen Bürger handelt (Münchener Kommentar zum BGB – Schwerdtner, Bd. 1, 3. Aufl. 1993, Rd.-Nr. 215, 217 zu § 12). Da die Beklagte mit ihrer Äusserung das Sexualleben des Klägers und damit die Sexualsphäre als wesentlichen Bestandteil der Intimsphäre (Palandt/Thomas, BGB, 55. Aufl. 1996, Rd.-Nr. 178 zu § 823 m.w.N.) anspricht, überschreitet: sie eine Grenze, jenseits der eine Abwägung des Betroffeneninteresses mit den seitens der Beklagten in Betracht kommenden hochrangigen Grundrechten der Meinungsäusserungs- und Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 1 und 3 GG) zur Rechtfertigung des Verhaltens grundsätzlich nicht mehr stattfindet (vgl. nur Gounalakis, Freiräume und Grenzen politischer Karikatur und Satire, NJW 1995, 809, 816). Zwar kann die verfassungsrechtliche Gewährleistung dieser Freiheiten auch eine scharfe, unter Umständen auch eine übersteigerte Kritik an der Person des Kritisierten zulassen (Münchener Kommentar zum BGB, a.a.O., Rd.-Nr. 263 zu § 12 m.w.N.). Wo jedoch – wie vorliegend -die erkennbare Sachaussage, die zudem jeden sachlichen Anlass für die gewählte Formulierung vermissen lässt, derart in den Hintergrund tritt gegenüber einer bewusst auf den Kläger zugespitzten gehässigen, vulgär und ausfallartig gefassten Unterstellung von Motiven seines Handelns und der Eigenart seines Denkens als verlogene, sexbesessene Person, ist vom Vorliegen einer sog. Schmähkritik auszugehen, die dem Schutz der Grundrechte entzogen ist (vgl. nur Münchener Kommentar zum BGB, a.a.O.). Für die Beklagte kann bereits deshalb auch nicht die Vermutung für die Zulässigkeit der freien Rede streiten, die jedenfalls eine Meinungsäusserung in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage voraussetzen würde, welche vorliegend ersichtlich nicht gegeben ist (vgl. Palandt/Thomas, BGB, Rd.-Nr. 189, 185 zu § 823 m.w.N.). Da auch die Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 GG den mit der Comic-Zeichnung einhergehenden Eingriff in den Kern der Ehre des Klägers nicht rechtfertigen kann (vgl. BVerfG NJW 1987, 2661), kann hier dahinstehen, ob die Zeichnung als Satire anzusehen ist. Zwar bedürfen Satire und Karikatur insofern besonderer Beurteilung, als sie bewusst ein Spott- oder Zerrbild der Wirklichkeil vermitteln. Der Satire ist wesenseigen, dass sie übertreibt, d.h. dem Gedanken, den sie ausdrücken will, einen scheinbaren Inhalt gibt, der über das wirklich Gemeinte hinausgeht, aber in einer Weise, dass der kundige Leser oder Beschauer den geäusserten Inhalt auf den ihm bekannten oder den tatsächlich gemeinten Gehalt zurückzuführen vermag. Solche Darstellungen dürfen deswegen nicht vordergründig aufgefasst werden. Vielmehr ist bei der rechtlichen Beurteilung zwischen dem Aussagekern und seiner Einkleidung in die satirische oder karikaturistische Form zu unterscheiden (vgl. nur Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 4. Aufl., Rd.-Nr. 3.27 m.w.N.). Unzulässig können Satire und Karikatur allerdings sein, wenn sie nicht etwas Vorhandenes übertreiben, überspitzen, überpointieren, sondern ohne realen Ansatz ,in die falsche Richtung’ zielen. Wenn sich der Künstler in seiner Arbeit mit Personen seiner Umwelt auseinandersetzt, darf er sich nicht rücksichtslos über deren verfassungsrechtlich ebenfalls geschütztes Persönlichkeitsrecht hinwegsetzen, die personale Würde muss gewahrt bleiben (vgl. Wenzel a.a.O., Rd.-Nr. 3.28 m.w.N.). Davon kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Die Anknüpfung der Zeichnung an den bekannten Werbeslogan des Klägers allein rechtfertigt nicht die mit der konkreten Ausführung einhergehende Schmähung.”

Hieran hält die Kammer auch nach erneuter Überprüfung fest. Das bedeutet aber nicht, dass die streitgegenständliche Veröffentlichung ebenfalls rechtswidrig in die Rechtsposition des Klägers eingreift. Ob eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers vorliegt, ist anhand des zu beurteilenden Einzelfalls aufgrund einer Güter- und Interessenabwägung festzustellen; denn wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss grundsätzlich erst durch eine Güterabwägung mit den schutzwürdigen Interessen der ande-

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ren Seite bestimmt werden (BGH NJW 1994, 124, 125 – Greenpeace). Für die geltend gemachten Ansprüche kommt es damit darauf an, ob dem allgemeinen Persönlichkeitsreeht des Klägers ein grösseres Gewicht beizumessen ist als den Rechtsgründen, die die Beklagte für ihre Veröffentlichung in Anspruch nehmen kann.

Die streitgegenständliche Veröffentlichung wird vorliegend in ihrer Gesamtheit von der Meinungsäusserungsfreiheit erfasst. Gegenstand der Erörterung ist nicht in erster Linie die Person des Klägers, auch wenn dieser im Begleittext mit bösen Worten aufs Korn genommen wird, sondern die Kritik an dem als falsch empfundenen Urteil der Kammer vom 11. Juni 1996. Gerade “ein Satiremagazin wie ,Titanic’, das es sich angelegen sein lässt, wirkliche oder vermeintliche Missstände aufzugreifen und anzuprangern, hierbei häufig das Verhalten bestimmter Personen geisselt und dabei Übertreibungen und Verfremdungen als Stilmittel verwendet, könnte zur Aufgabe seiner Eigenart gezwungen sein, wenn Schmerzensgeldklagen deshalb Erfolg hätten, weil die Fachgerichte die Reichweite der Meinungsfreiheit verkennen” (BVerfG NJW 1992, 2073, 2074). Dass Gerichtsentscheidungen, die wegen Presseveröffentlichungen Schmerzensgeldansprüche zuerkennen, im Hinblick auf die Meinungsäusserungsfreiheit gerade von einem Satiremagazin wie “Titanic” kritisch betrachtet und kommentiert werden, liegt daher auf der Hand, da derartige Entscheidungen geeignet sind, sich auch auf künftige Veröffentlichungen in dieser Zeitschrift auszuwirken. Erkennbar geht es in dem mit Justiz, Justiz” überschriebenen Beitrag in erster Linie um eine Urteilsschelte, bei der – um dem Leser die vermeintliche Haltlosigkeit der Entscheidung vor Augen zu führen – die streitgegenständliche Zeichnung vorgestellt und in bezug auf die Person des Klägers kommentiert wird. Dies geschieht in dem charakteristischen Stil der “Titanic”, der nicht nur durch Verzerrung oder Überzeichnung, sondern auch durch eine erkennbar unernste, durch Wortwitze bis zur Albernheit geprägte Sprache gekennzeichnet ist. Der Verfasser macht für den Leser erkennbar deutlich, dass ein als Spass bezeichneter Cartoon bei einer Person wie dem Kläger einen Schmerzensgeldanspruch nicht rechtfertigen kann und dass der Kläger, der dem Publikum mit seiner Focus-Werbung auf die Nerven gehe, einfach keinen Spass versteht. Gegenstand der Kritik ist dabei – zwangsläufig – auch die Person des Klägers als demjenigen, der das kritisierte Urteil erstritten hat, worauf die Beklagte mit dem mit “Hamburg 1” überschriebenen Beitrag zurückkommt. Beide Beiträge erfüllen in ihrer Gesamtheit ihre für den Durchschnittsleser offensichtliche Zweckbestimmung, die als abseitig angesehene Entscheidung der Kammer, aber auch das Verhalten des Klägers, der einen Wortwitz zum Anlass für eine Schmerzensgeldforderung genommen habe, zu kritisieren. Die Äusserungen, zu deren Verständnis die Veröffentlichung der dem Urteil zugrunde liegenden Zeichnung unabdingbar war, weil sich der Leser nur so sein eigenes Bild machen kann, lallen unter die Meinungsäusserungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG.

Dem Recht der Beklagten auf freie Meinungsäusserung steht das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers gegenüber. Die Rechtspositionen beider Parteien sind damit gegeneinander abzuwägen. Diese Abwägung erfolgt sowohl auf der Grundlage einer generellen Betrachtung des Stellenwerts der betroffenen Grundrechtsposition als auch unter Berücksichtigung der Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung im konkreten Fall. Da es der Sinn jeder zur Meinungsbildung beitragenden öffentlichen Äusserung ist, Aufmerksamkeit zu erregen, sind angesichts der heutigen Reizüberflutung aller Art einprägsame, auch starke Formulierungen hinzunehmen. Das gilt auch für Äusserungen, die in scharfer und abwertender Kritik bestehen, mit übersteigerter Polemik vorgetragen werden oder in ironischer Weise formuliert sind. Der Kritiker darf seine Meinung grundsätzlich auch dann äussern, wenn sie andere für falsch oder ungerecht halten. Auch die Form der Meinungsäusserung unterliegt der durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Selbstbestimmung. Verfolgt der Äussernde nicht eigennützige Ziele, sondern dient sein Beitrag dem geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage, dann spricht die Vermutung für die Zulässigkeit der Äusserung; eine Auslegung der die Meinungsfreiheit beschränkenden Gesetze, die an die Zulässigkeit öffentlicher Kritik überhöhte Anforderungen stellt, ist mit Art. 5 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Für die Beurteilung der Reichweite des Grundrechtsschutzes kommt es ferner massgeblich darauf an, ob und in welchem Ausmass der von der Äusserung Betroffene seinerseits an dem von Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Prozess öffentlicher Meinungsbildung teilgenommen, sich damit aus eigenem Entschluss den Bedingungen des Meinungskampfes unterworfen und sich durch dieses Verhalten eines Teils seiner schützenswerten Privatsphäre begeben hat. Erst wenn bei einer Äusserung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung der Person im Vordergrund steht, hat die Äusserung – auch wenn sie eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende [“rage betrifft – als Schmähung regelmässig hinter dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zurückzutreten (BGH a.a.O., 126 m.w.Nachw.).

Nach diesen Beurteilungsgrundsätzen muss der Kläger die beanstandete Veröffentlichung der – ihn zweifellos herabsetzenden – Zeichnung hinnehmen. Die Beklagte verfolgte damit keine eigennützigen Ziele, sondern behandelte – in der ihr eigenen Art – ein Thema, das wegen der elementaren Bedeutung der Meinungsäusserungsfreiheit – ging es doch bei dem Urteil der Kammer um die Zulässigkeil von Karikatur oder Satire – zu engagierten Meinungsäusserungen herausfordert. Die Rechtsprechung hat es hinzunehmen, dass ihre Entscheidungen gerade in diesem Bereich in der Öffentlichkeit kritische Beachtung finden, wie das vorliegend auch in bezug auf das Urteil der Kammer vom 11. Juni 1996 in anderen Presseveröffentlichungen geschehen ist. Dass dabei – nahezu zwangsläufig – auch die Person des Klägers thematisiert wurde, steht der Zulässigkeit der Veröffentlichung nicht entgegen. Zum einen ist der Kläger verantwortlich für die im “Focus” erscheinenden Beiträge, in denen vielfach Kritik an Personen geübt wird. Der Kläger übt damit in gewisser Weise Macht aus. Zum anderen ist die Berichterstauung im “Focus” bei Kritikern nicht unumstritten, der Werbeslogan “Fakten, Fakten, Fakten …”, dessen Aussagegehalt der Kläger verkörpert, wird vielfach als ärgerlich, wenn nicht scheinheilig empfunden. Der Kläger verkörpert sozusagen “Focus” und ist al” dessen Repräsentant in die von “Focus” mit seinen Beiträgen veranlasste öffentliche Meinungsbildung eingeschaltet. Dass gerade er so schnell beleidigt sei und das von der Beklagten thematisierte Urteil erstritten hat, ist für das Verständnis der Kritik der Beklagten wesentlich.

Die angegriffene Veröffentlichung der Zeichnung muss daher nicht als eine gegen die Person des Klägers gerichtete Schmähung hinter seinem Persönlichkeitsrecht zurücktreten. Die herabsetzenden Äusserungen über den Kläger im Begleittext führen zu keiner anderen Beurteilung, weil sie sich noch in die Urteilsschelle einfügen. Insbesondere kann den Äusserungen kein eigener Aussagegehalt dahingehend, dass der Kläger tatsächlich – wie in der Zeichnung angegeben – nur an das Eine denke, entnommen werden; vielmehr geht es der Beklagten darum, die für ihre satirische Publikationsform wichtige Entscheidung und deren – nach dem Verständnis der Beklagten – nichtigen Anlass zu kritisiern.

Da die Beklagte die streitgegenständliche Zeichnung – anders als “Zitty” – nicht isoliert, sondern in dem konkreten Sachbezug ihrer Urteilskritik veröffentlicht hat, kann der Kläger Unterlassung nicht verlangen; es ist weder ersichtlich noch dargetan, dass die Beklagte den Cartoon künftig ohne einen die Veröffentlichung rechtfertigenden Zusammenhang verbreiten wird.

Der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung in Geld steht dem Kläger ebenfalls nicht zu, da es an einem rechtswidrigen Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht fehlt oder – wie durch die Bezeichnung als “Plumpaquatsch-Figur”, die durch die Anführung weiterer erfolgreicher Kläger in Schmerzensgeldprozessen offenbar Personen kennzeichnen soll, die nicht das rechte Verständnis für Karikatur oder Satire aufbringen – es an der erforderlichen Schwere des Eingriffs fehlt.

Quelle: AfP 4 / 1997, 735 ff.

Leitsatz, Format und Rechtschreibung: https://www.debier.de (debier-datenbank, RA Torsten Mahncke Berlin)