Magnetresonanztomographie

mErTeMagnetresonanztomographie-Aufnahmen (MRT) können in die Intimsphäre und das Recht am eigenen Bild eingreifen.

KG, Urteil vom 25.09.2017 – 20 U 41/16 –
Art 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG
§§ 630d Abs. 1, 630e Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB 

Leitsatz (tm.)

Das Herstellen von Magnetresonanztomographie-Aufnahmen (MRT), auf denen der unbekleidete Oberkörpers des Patienten erkennbar ist, kann ein Eingriff in dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht in der Ausprägung der Privat- bzw. Intimsphäre bzw. des Rechts am eigenen Bild darstellen.

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 3. Februar 2016 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin – 5 O 121/15 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Dieses Urteil und das zu Ziffer 1.genannte Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

[1] A. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäss §§ 313a Absatz 1, 540 Absatz 2 ZPO abgesehen.

[2] B. I.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben und begründet worden, §§ 517, 519, 520 ZPO.

II.
[3] Sie ist jedoch unbegründet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche nicht zustehen. Die Berufung rechtfertigt auch nach weiterer Aufklärung des Sachverhaltes durch den Senat keine andere Entscheidung.
[4] 1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Unterlassen der weiteren Anfertigung bzw. Vervielfältigung von Aufnahmen wie aus Anlage K 1 (bzw. Anlage K 5) ersichtlich nach §§ 823 Absatz 1, 31 BGB, § 1004 Absatz 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. Art. 1, 2 GG bzw. §§ 280 Absatz 1, 241 Absatz 2, 31, 630a Absatz 1 BGB i.V.m. § 1004 Absatz 1 Satz 2 BGB analog bzw. i.V.m. § 201a StGB bzw. i.V.m. Art. 1, 2 GG, wie mit dem Antrag zu Ziffer 1. geltend gemacht.
[5] a) Dabei kann dahinstehen, ob – wie in der Verhandlung erörtert – der Anspruch bereits deshalb scheitert, weil er entgegen § 253 Absatz 2 Nummer 2 ZPO unbestimmt ist. Insoweit bestehen Bedenken, weil der Antrag im Hinblick auf das Klagebegehren deutlich zu weit gefasst erscheint. Zweifelsfrei wehrt sich die Klägerin nicht gegen alle Schnittaufnahmen ihrer Wirbelsäule, die auf dem Bild in Anlage K 1 zu sehen sind, sondern nur gegen eines der dort abgebildeten zahlreichen Schnittbilder, nämlich das unten rechts. Das streitgegenständliche Bild unten rechts hat die Klägerin nunmehr mit Anlage K 5 in besserer Auflösung eingereicht. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin erneut bestätigt, dass sie die anderen am 13. November 2014 durch die Beklagte gefertigten Schnittaufnahmen nicht bemängelt. Sie bestreitet auch nicht, dass die übrigen Bilder rechtmässig und medizinisch notwendig waren. Sie verlangt damit mehr, als ihr nach ihrem eigenen Vortrag zusteht und gewollt ist. Dies kann jedoch dahinstehen, da die Klage aus anderen Gründen keinen Erfolg haben kann.
[6] b) Die Herstellung von MRT-Aufnahmen wie aus Anlage K 1 in Verbindung mit Anlage K 5 ersichtlich stellt keinen objektiv rechtswidrigen Eingriff in durch § 823 Absatz 1 BGB geschützte Rechtsgüter der Klägerin dar.
[7] (1) Entgegen dem Landgericht ist der Senat der Ansicht, dass die Aufnahmen schutzfähige Rechtspositionen der Klägerin berühren, nämlich deren allgemeines Persönlichkeitsrecht.
[8] Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt die Achtung und Entfaltung der Persönlichkeit (grundlegend BVerfG, Beschluss vom 05.06.1973 – 1 BR 536/72, BVerfGE 35, 202). Es handelt sich hierbei um ein Rahmenrecht, dessen Grenzen im Einzelfall nach Abwägung der widerstreitenden Interessen festzulegen sind (Münchener Kommentar/Wagner, BGB, 6. Aufl. 2013, § 823 Rn. 242), umfasst aber zweifelsfrei das Recht auf Achtung der Individual-, Privat- und Intimsphäre (Palandt/Sprau, BGB, 76. Aufl. § 823 Rn. 83 ff., Rn. 87). Die Privat- bzw. Intimsphäre der Klägerin ist hier unter zwei Gesichtspunkten betroffen: zum einen enthält die Aufnahme als MRT-Bild auch Informationen zu ihrem Gesundheitszustand, nämlich des Zustands ihres Körpers und des Skeletts (Kopf), wobei der BGH den Gesundheitszustand der Privatsphäre zurechnet, d.h. demjenigen Lebensbereich, zu dem andere Menschen nach der sozialen Anschauung nur mit Zustimmung des Betroffenen Zugang haben (BGH, Urteil vom 14. Oktober 2009 – VI ZR 272/08, NJW 2009, 754; Urteil vom 18. September 2012 – VI ZR 291/10, NJW 2012, 3645). Zum anderen ist durch die Abbildung der Körperoberfläche der Intimbereich der Klägerin betroffen, d.h. der Kernbereich ihrer höchstpersönlichen und privaten Lebensgestaltung. Jedenfalls unterfällt das Bild unter dem Aspekt der Erkennbarkeit des unbekleideten Oberkörpers der Privatsphäre der Klägerin, auch wenn der Senat die Ansicht der Klägerin, es liege eine “Nacktaufnahme” vor, im Hinblick auf die Modalitäten der Erstellung der Aufnahme im MRT nicht teilt.
[9] Soweit das Landgericht darauf verweist, dass die Klägerin bei der Fertigung der MRT-Aufnahmen unstreitig bekleidet war, ändert dies nichts an der Frage, ob das Schutzgut der Privat- bzw. Intimsphäre betroffen ist, denn aufgrund der technischen Möglichkeiten ist das Ergebnis der Bildanfertigung eben dennoch die Abbildung des – unbekleideten – Körpers der Klägerin. Wozu das MRT-Verfahren dient, ist für die Frage der Betroffenheit der Privat- bzw. Intimsphäre der Klägerin unerheblich. Dies wird nur für die Frage der Einwilligung bzw. Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts relevant.
[10] Entgegen dem Landgericht kann auch im privaten Bereich des Arzt-Patientenverhältnisses die Privat- bzw. Intimsphäre betroffen sein, die beiden Begriffe schliessen sich nicht aus. Mit der Argumentation des Landgerichts würde auch die heimliche Anfertigung von Fotos während der ärztlichen Behandlung dem Bereich der Intimsphäre entzogen (vgl. hierzu LG Zweibrücken, Urteil vom 21. Februar 2013 – 4 U 123/12, juris).
[11] Im Übrigen ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin jedenfalls unter dem Aspekt des Rechts am eigenen Bild als Ausfluss des Persönlichkeitsrechts betroffen. Dabei kann dahinstehen, ob das Recht am eigenen Bild nur Aussenansichten des Körpers betrifft oder auch Bilder des Körperinneren, wobei die Parteien sich darüber streiten, um was es sich bei der fraglichen Aufnahme handelt. Es spricht alles dafür, vom Recht am eigenen Bild auch Aufnahmen aus dem Inneren des Körpers anzusehen, soweit der Abgebildete erkennbar ist, wovon vorliegend aufgrund des auf der Aufnahme K 1 angegebenen Namens der Klägerin auszugehen ist. Leitet man das Recht am eigenen Bild aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht her, so ist nicht zu erkennen, warum der mit der Entwicklung dieser Rechtsfigur angestrebte Zweck – die Vermeidung der Gefährdung der immateriellen Integrität und Selbstbestimmung eines jeden Menschen – nicht auch Abbildungen z.B. des Skeletts oder der inneren Organes eines jeden umfassen sollte, denn auch diese Abbildungen können Informationen aus der Privat- bzw. Intimsphäre vermitteln. Es ist deshalb nicht ersichtlich, warum das Recht am eigenen Bild auf die Oberfläche des Körpers begrenzt sein soll. Zudem ist es gleichgültig, durch welches Medium der Betroffene im Bild vorgestellt wird (Münchener Kommentar/Rixecker, BGB. 7. Aufl. Anh. § 12 Rn. 62). Das Reichsgericht hat unter der “Abbildung eines Menschen” die Darstellung einer Person “in ihrer dem Leben nachgebildeten äusseren Erscheinung” verstanden (RGZ 103, 319). Eine solche Nachbildung liegt zweifelsfrei vor.
[12] Beeinträchtigt ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht, wenn in eine der genannten Sphären eingegriffen wird, d.h. diese berührt ist, was wegen des offenen Tatbestandes einer gewissen Erheblichkeit und ggf. bereits hier einer Interessenabwägung bedarf (Palandt/Sprau, BGB, 76. Aufl. § 823 Rn. 93). Diese Erheblichkeit ist im Hinblick auf die Erkennbarkeit der Klägerin aufgrund der Namensnennung auf der Anlage K 1 zu bejahen, auch wenn die Anfertigung eines Bildnisses das Persönlichkeitsrecht in geringerem Masse berührt als dessen Verbreitung oder Zurschaustellung. Der Hinweis des Landgerichts auf den nicht erkennbaren Unterschied der inkriminierten Aufnahme und beispielsweise dem aus Anlage B 2 ersichtlichen MRT-Bild übersieht, dass auch die Anfertigung des Bildes B 2 in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin eingreifen kann – wenn auch unstreitig aufgrund der Einwilligung gerechtfertigt.
[13] (2) Allerdings ist die Anfertigung der bemängelten Schichtaufnahme von der Einwilligung der Klägerin in die Anfertigung von MRT-Aufnahmen durch die Beklagte wegen ihrer Lendenwirbelsäuleproblematik bzw. der Frage einer Sakroiliitis im Bereich des Iliosakralgelenks erfasst und damit nicht rechtswidrig.
[14] Aufgrund des offenen Tatbestandes der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist die Rechtswidrigkeit bei diesem von § 823 Absatz 1 BGB geschützten Recht gerade nicht indiziert, sondern im Rahmen einer Güter- und Interessenabwägung zu ermitteln. Der Eingriff ist nicht widerrechtlich, sofern ein allgemeiner Rechtfertigungsgrund vorliegt, v.a. eine wirksame Einwilligung, deren Reichweite durch Auslegung zu ermitteln ist (Palandt/Sprau, BGB, 76. Aufl. § 823 Rn. 95).
[15] aa) Den vom Landgericht nicht beigezogenen, nunmehr dem Senat vorliegenden Behandlungsunterlagen ist zu entnehmen, dass die Klägerin am 12. November 2014 in die Fertigung von MRT-Aufnahmen wegen einer Diagnostik im Bereich der Lendenwirbelsäule eingewilligt hat. Dies ist auch unstreitig. Die Einwilligung umfasst von ihrem Umfang fraglos die Anfertigung von fachgerechten MRT-Aufnahmen im Rahmen des Untersuchungszwecks.
[16] bb) Entgegen der Ansicht der Berufung ist die Einwilligung nicht mangels ordnungsgemässer Aufklärung unwirksam, § 630d Absatz 2 BGB.
[17] Die Klägerin behauptet keine Verletzung von Aufklärungspflichten im Hinblick auf die gesundheitlichen Folgen der Anfertigung von MRT-Bildern. Sie macht Mängel im Hinblick auf ihr Recht am eigenen Bild bzw. ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung geltend. Der Senat teilt jedoch die Ansicht der Berufung nicht, dass den behandelnden Arzt im Hinblick auf diese Grundrechte Aufklärungspflichten treffen, die die Beklagte verletzt haben könnte.
[18] Die Klägerin hat sich gerade deshalb in die Behandlung der Beklagten begeben, um im Rahmen eines MRT-Scans Bildaufnahmen ihres Körpers anfertigen zu lassen. Deshalb bedurfte es keiner gesonderten Aufklärung darüber, dass tatsächlich auch Bildaufnahmen ihres Körpers mittels MRT gefertigt wurden, denn das war das erklärte Ziel der Untersuchung und Anfertigung der Bildaufnahmen. Die Klägerin wollte, dass Schnittbilder ihres Körpers gefertigt werden und wusste bei dem Vorgang auch, dass dies erfolgt. Sie hatte lediglich keine Vorstellung davon, welche konkreten Schnittbilder hier angefertigt werden und wie diese aussehen. Entgegen der Ansicht der Berufung überzeugt es nicht, hier von den Ärzten zu verlangen, dass dem Patienten vor der Untersuchung dargestellt wird, wie genau die erzeugten MRT-Schnitte aussehen können.
[19] Zutreffend verweist das Landgericht darauf, dass sich die Aufklärung auf den diagnostischen Eingriff im Grossen und Ganzen beziehen muss; auch die Klägerin verweist hier darauf, dass nach § 630e Absatz 1 BGB über die wesentlichen Umstände der Massnahme zu informieren ist. Für die diagnostische Untersuchung mittels Anfertigung von Bildern mittels Magnetresonanztomographie aber ist die Frage, wie die dabei fachgerecht angefertigten Bilder aussehen, völlig belanglos, aufzuklären ist allein über die medizinisch relevanten Umstände (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 76. Aufl, § 630e Rn. 2). Insbesondere stellen Aufnahmen des Äusseren in diesem Zusammenhang nicht ein “mehr” an Eingriff in das Persönlichkeitsrecht dar als Aufnahmen der Organe oder des Skeletts. Wenn die Klägerin mit letzterem einverstanden war, ist es für den Senat nicht nachvollziehbar, warum ersteres nicht von der Einwilligung umfasst sein sollte. Dies verdeutlicht auch der von den Beklagten eingereichte und von der Klägerin nicht beanstandete Schnitt in Anlage B 2, der mit den dargestellten Schamlippen eindeutig die Intimsphäre der Klägerin betrifft. Auch der Umstand, dass die Klägerin bekleidet war, kann nicht zu einer Fehlvorstellung seitens der Klägerin geführt haben, denn ihr war ja klar, dass es trotz der Kleidung möglich ist, Aufnahmen ihres Körperinneren zu fertigen, die Kleidung also für die Anfertigung von MRT-Bildern kein Hindernis darstellte.
[20] Auf die Frage, welche Vorstellung sich ein Patient vom Aussehen der im MRT erstellten Bilder macht, kommt es hingegen nicht an. Die entscheidende Frage ist nicht, ob sich der durchschnittliche Patient eine Vorstellung davon macht (bzw. keine Vorstellung davon macht), wie die Schnittbilder bei einer MRT-Untersuchung der Lendenwirbelsäule aussehen, denn auch dann, wenn sich der durchschnittliche Patient keine Vorstellung davon macht, aber anzunehmen ist, dass es ihn dann stören würde, wenn er wüsste, wie diese Bilder aussehen, könnte man eine Aufklärungspflicht annehmen.
[21] Der entscheidende Punkt ist vielmehr, dass der durchschnittliche Patient sich auch dann auch nicht an der Anfertigung von Übersichtsaufnahmen wie der aus den Anlagen K 1/ K 5 ersichtlichen stören würde, wenn er sich des möglichen Aussehens derselben bewusst wäre. Es ist bis auf seltene Ausnahmefälle nicht davon auszugehen, dass Patienten an dieser Stelle bei der Anfertigung von Schnittaufnahmen entsprechend dem medizinischen Standard (dazu unten bb), die zur Darstellung der zu untersuchenden Körperregionen fachlich notwendig sind, ein Störgefühl entwickeln. Dies gilt selbstredend nur, solange diese zweckentsprechend verwendet werden. Ansonsten müssten in zahlreichen Fällen der Anfertigung von medizinischen Aufnahmen, aber auch in anderen Situationen im Rahmen der Heilbehandlung – z. B. wenn ein Patient bewusstlos unbekleidet auf eine Operationstisch liegt – über mögliche Verletzungen von Schamgefühl und ästhetischem Empfinden aufgeklärt werden. Dies ist nach Ansicht des Senats jedoch keine Kategorie, die – auch unter Berücksichtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eines jeden Patienten – aufklärungspflichtig ist. Insoweit ist die Wahrung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in diesen Situationen mit der Wahrung der körperlichen Integrität des Patienten, die durch die Selbstbestimmungsaufklärung gewährleistet werden soll, nicht vergleichbar. Die umfangreichen Aufklärungspflichten im Hinblick auf die körperliche Identität bestehen, weil der ärztliche Heileingriff in diese direkt und zielgerichtet eingreift. Im Gegensatz dazu ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht nur im Wege einer Reflexwirkung betroffen.
[22] cc) Selbstredend umfasst die danach wirksam erteilte Einwilligung nur die fachgerechte ärztliche Behandlung und die damit verbundenen Risiken, nicht hingegen einen Eingriff, der nicht lege artis erfolgt (Münchener Kommentar/Wagner, BGB, 7. Aufl. 2015 § 630d Rn. 11). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass sämtliche von der Beklagten am 13. November 2014 angefertigten MRT-Schnittbilder zur Erstellung einer validen Diagnose fachgerecht angefertigt wurden, erforderlich waren und dem radiologischen Standard entsprechen.
[23] Insbesondere war gerade die Anfertigung des aus Anlage K 1 bzw. K 5 ersichtlichen Übersichtsscans für die mit der MRT-Untersuchung verfolgten Zwecke der besseren Diagnose der Lendenwirbelsäulenproblematik der Klägerin notwendig, d.h. medizinisch indiziert und gehörte zum ärztlichen Standard und fachgerechten Vorgehen bei der Anfertigung von MRT-Aufnahmen.
[24] Allerdings hat die Berufung zu Recht bemängelt, dass erstinstanzlich keine Beweiserhebung erfolgt war. Die Klägerin durfte die Frage, ob es sich bei der bemängelten Aufnahme um eine bei MRT-Aufnahmen üblicherweise entstehende Übersichtsaufnahme handelt, weil es bereits an den notwendigen Markierungen der Schnittebenen und der Positionierung des Patienten fehle, bestreiten und hat dies erstinstanzlich auch ausreichend getan.
[25] Aufgrund des nachvollziehbaren und ausreichend detaillierten Gutachtens des Sachverständigen M… und dessen mündlicher Erläuterung vor dem Senat ist der Senat davon überzeugt, dass die bemängelte Aufnahme eine zur Erreichung des Untersuchungsziels notwendige reguläre MRT-Übersichtsaufnahme darstellt, die nach dem Fachstandard bei der Untersuchung der Lendenwirbelsäule bzw. des Iliosakralgelenks des Patienten erforderlich ist.
[26] Der Sachverständige ist als Facharzt für Radiologie und Inhaber einer Professur für Radiologie zweifelsfrei qualifiziert, die Beweisfragen zu beantworten. Die von den Beklagten angefertigten Bilder, darunter die bemängelte Aufnahme in Anlage K 1/K 5,ist danach ein typischer Übersichtsscan in Übereinstimmung mit den Untersuchungsnormen. Dieser ist erforderlich, um zur Anfertigung der folgenden hochauflösenden MRT-Sequenzen im Körper die Zielregion erst genau zu finden. Der Sachverständige hat plausibel erläutert, dass Übersichtsaufnahmen wie die bemängelte aufgrund der Verschiedenheit eines jeden Patienten zwingend sind, weil die konkrete Lage der zu untersuchenden Region im Körper im Moment des Liegens im MRT-Gerät im Voraus nie eindeutig bestimmbar ist, denn jeder Patient verfügt nicht nur über abweichende äussere Merkmale wie gross/klein, schlank/kräftig, sondern ist auch in seiner Anatomie nie identisch mit einem anderen. Der Sachverständige hat sorgfältig dargestellt, dass entsprechende Übersichtsaufnahmen für den Untersuchungszweck zwingend sind, um die richtige Körperregion mit den diagnostischen Aufnahmen überhaupt zu “finden”.
[27] Sofern nicht vom jeweiligen Patienten vor der Untersuchung eine komplette 3-D-Aufnahme erfolgt, was, ohne dass es weiterer Erläuterung bedarf, nicht geleistet werden kann, kann der Behandler zudem a priori gar nicht bestimmen, welche konkreten Körperteile bei den Übersichtsaufnahme im Gerät abgebildet werden, ob also eine Körperschicht abgebildet wird wie auf der Anlage K 5, die die Oberfläche des Oberkörpers der Klägerin darstellt, oder – auch wegen eines geringen Ein- oder Ausatmens im Moment der Aufnahme – die Schicht einige Millimeter darüber oder darunter. Abhängig davon können bei MRT-Aufnahmen ganz unterschiedliche Schnittbilder entstehen. Der Umstand, dass bei MRT-Aufnahmen “Schnitte” in drei Ebenen durch den Körper gefertigt werden, vorliegend mit einem Schichtabstand von 5 cm, bedingt zwangsläufig, dass bei koronarer Schnittführung in den gewählten Schichtabständen mehrere Aufnahmen entstehen, bei denen zum Teil die Wirbelsäule in koronarer Draufsicht zu sehen ist, zum Teil aber die darüber liegenden Körperschichten, zu denen u.a. die Haut gehört. Wenn auch die Klägerin der Ansicht ist, dass nach den Leitlinien zum einen der untersuchte Wirbelsäulenabschnitt übersichtsartig darzustellen ist, zum anderen aber mindestens ein Schnitt “einer benachbarten Region zur eindeutigen Höhenlokalisation”, dann heisst das eben, dass auf dem Schnitt der benachbarten Region die Zielregion, d.h. die Wirbelsäule, gerade nicht abgebildet sein kann, weil es sich um Schnitte innerhalb der gleichen Ebene, hier der koronaren Schnittebene handelt.
[28] Welche Relevanz die Frage nach der Grösse des üblicherweise zu wählenden Schichtabstands haben soll, erschliesst sich nicht. Abhängig von der Anatomie des jeweiligen Patienten kann – selbst wenn eine “Normgrösse” feststehen sollte – ein Schnitt einmal genau unterhalb der Hautoberfläche herauskommen und ein anderes mal ein solcher wie bei der Klägerin. Es geht der Klägerin auch nicht darum, dass der Schnittabstand fehlerhaft “zu gross” gewählt wurde und deshalb die zu untersuchenden Regionen nicht mehr abgebildet sind. Wo genau dieser Schnitt durch den Körper des jeweiligen Patienten läuft, ist damit letztlich zufällig, nämlich abhängig von der Anatomie des Patienten und der Lage im Gerät. So kann es bei “festem” Schnittabstand, der – wie der Sachverständige angegeben hat, vom Gerätehersteller für die jeweilige Untersuchungsart vorbestimmt ist – entweder zu Aufnahmen wie in Anlage K 1/K 5 kommen oder zu anderen.
[29] Auch hat der Sachverständige mündlich überzeugend dargelegt, dass aufgrund der stets unterschiedlichen Anatomie des Patienten und abhängig von dessen Atmung im Gerät der Behandler die Frage des konkreten Ergebnisses bei der Anfertigung des Übersichtsscans nicht beeinflussen kann.
[30] Entgegen der Ansicht der Klägerin enthält die Übersichtsaufnahme sehr wohl Markierungen, was zwar auf der schlechten Kopie in Anlage K 1 nicht erkennbar ist, aber sehr wohl auf der Anlage K 5, die die Aufnahme in Anlage K 1 in besserer und grösserer Auflösung wiedergibt. Dort sind Markierungen enthalten, die der Lokalisierung dienen, wie der Sachverständige in der Anhörung auch bestätigt hat.
[31] Der Senat teilt – insbesondere nach der Erläuterung durch den Sachverständigen im Termin – nicht die Bedenken der Berufung gegen die Qualität des Gutachtens. Es ist zwar zutreffend, dass dem Gutachten nicht in wissenschaftlicher Breite zu entnehmen ist, wie genau dem Radiologen anhand des Übersichtsscans die Orientierung im Körper des Patienten gelingt. Ein Zivilprozess ist jedoch keine radiologische Vorlesung, und gehört es zu den Aufgaben eines Sachverständigen, dem Gericht und den Parteien die Antworten auf die Beweisfragen in der gebotenen Zusammenfassung aufgrund der beim Sachverständigen vorhandenen Fachkenntnis in verständlicher Weise zu geben. Das ist eine Frage des Vertrauens in die Fachkenntnisse des Sachverständigen, der dem Gericht nur ermöglichen muss, die Aussagen auf ihre Schlüssigkeit zu überprüfen. Es ist nicht Aufgabe eines Gutachters, ohne Anlass in epischer Breite die fachlichen Hintergründe für seine Wertungen zu erläutern.
[32] Soweit die Klägerin die Angaben des Sachverständigen unter Hinweis auf die Angabe ihres behandelnden Orthopäden in Frage stellt und dessen Vernehmung als Beweis für die Unbrauchbarkeit der Aufnahmen anbietet, ist dem nicht nachzugehen. Es handelt sich vorliegend um radiologische Fragestellungen, die von einem Sachverständigen auf dem Gebiet der Radiologie zu beantworten sind. Welche Meinung ein Orthopäde dazu hat, ist nicht erheblich, seine Qualifikation zu einer solchen Aussage ist nicht erkennbar. Zudem ist auch die Vernehmung eines Arztes als Zeugen nicht geeignet, den Inhalt eines Sachverständigengutachtens in Frage zu stellen. Ein radiologisches Privatgutachten, welches vom Sachverständigen M… abweichende Feststellungen trifft, legt die Klägerin aber nicht vor.
[33] Mangels Fachkenntnis auf dem Gebiet der Radiologie bedarf es der Vernehmung des Zeugen auch nicht zum Nachweis der Tatsache, dass entgegen den Angaben im Gutachten der Untersucher grundsätzlich wohl bestimmen könne, welche Strukturen auf dem Übersichtsscan abgebildet werden, d.h. dass er die Aufnahmehöhe des Scans einstellen könne.
[34] (3) Auf die Frage, ob eine für einen Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr besteht, was vom Landgericht verneint wurde, kommt es mangels rechtswidrigen Eingriffs in ein geschütztes Rechtsgut nicht an.
[35] 2. Unabhängig von der Beweiserhebung kann die Klägerin ihren Anspruch nicht auf §§ 22, 23 KunstUrhG i.V.m. § 823 Absatz 1 BGB, § 1004 Absatz 1 Satz 2 BGB analog stützen. Zutreffend verneint das Landgericht die Anwendbarkeit von §§ 22, 23 KunstUrhG, denn es liegt bereits nach dem klägerischen Vortrag kein Verbreiten oder öffentliches Zurschaustellen von Bildnissen vor. Verbreitet wird ein Bildnis, wenn es in Verkehr gebracht wird. Dem Schutzzweck des § 22 KunstUrhG und seinem Wortlaut entsprechend ist es nicht erforderlich, dass die Verbreitung öffentlich geschieht; es genügt die Weitergabe des Bildnisses an eine beliebige andere Person (Münchener Kommentar/Rixecker, 7. Aufl. 2015 Anhang § 12 BGB Rn. 64). Vorliegend wurde das Bildnis aber zweifelsfrei nicht öffentlich zur Schau gestellt und auch nicht im obigen Sinne verbreitet, denn es wurde allein an die Klägerin ausgehändigt und damit nicht an eine andere Person. Dass diese es ihrem Orthopäden gezeigt hat, wird vom Tatbestand des § 22 KunstUrhG nicht erfasst, denn dies stellt keine Handlung der Beklagten dar.
[36] 3. Aus den vorgenannten Gründen kann die Klägerin ihren Anspruch nicht auf eine Verletzung des mit der Beklagten geschlossenen Behandlungsvertrags stützen. Zwar ergeben sich aus dem Behandlungsvertrag nach § 630a Absatz 1 BGB (Vertragsschluss war im November 2014, so das die Vorschrift zur Anwendung kommt) auch im Hinblick auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin für die Beklagte besondere Schutz- und Fürsorgepflichten, weil die Vereinbarung gerade zu einer Offenbarung von privater bzw. intimer Sphäre führt (vgl. Münchener Kommentar/Rixecker, BGB, 7. Aufl. 2015 Anh. § 12 Allg. Persönlichkeitsrecht Rn. 8). Die Anfertigung der Aufnahmen war jedoch vom Umfang der wirksamen Einwilligung erfasst, so dass diese Nebenpflichten nicht verletzt wurden.
[37] 4. Ein Anspruch der Klägerin folgt auch nicht aus §§ 823 Absatz 2, 1004 Absatz 1 Satz 2 BGB i.V.m. § 201a StGB.
[38] Nach § 201a Absatz 1 StGB macht sich in der Tatbestandsvariante des Herstellens strafbar, wer von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, unbefugt Bildaufnahmen herstellt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der Person verletzt.
[39] Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 201a Absatz 1 StGB liegen nicht vor. Zwar handelt es sich bei dem ärztlichen Behandlungsraum grundsätzlich um einen geschützten Raum im Sinne der Vorschrift (vgl. schon die Gesetzesbegründung BT-Drs 15/2466 S. 7 Fischer, StGB, 64. Aufl. § 201a Rn. 8; Leipziger Kommentar/Valerius, StGB, 12. Aufl. § 201a Rn. 17 m.w.N.). Der Senat hält die vorliegende Situation der vom Patienten gewünschten Anfertigung von Untersuchungsaufnahmen allerdings nicht vom Anwendungsbereich der Norm erfasst. Nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift soll der geschützte Raum, in dem der Patient sich befindet, gerade gegen die fraglichen Bildaufnahmen schützen, die Klägerin ist aber gerade wegen der Anfertigung von Bildaufnahmen in den geschützten Raum mit dem MRT-Gerät gegangen. Auch die Gesetzesbegründung spricht davon, dass der Raum gegen den Einblick besonders, d.h. gerade gegen die Beobachtung des höchstpersönlichen Lebensbereichs geschützt sein soll (BT-Drs. 15/2466 S. 5, Fischer a.a.O. Rn. 9, Leipziger Kommentar/Valerius, StGB, 12. Aufl. § 201a Rn. 18).
[40] Unabhängig davon war die Herstellung der Aufnahme jedenfalls nicht unbefugt, denn sie war aus den bereits genannten Gründen von der wirksamen Einwilligung der Klägerin gedeckt und damit gerechtfertigt (vgl. Schönke/Schröder/Lenckner/Eisele, StGB, 29. Aufl. 2014, § 201a Rn. 12, 13.
[41] 5. Aus den vorgenannten Gründen kann die Klägerin auch nicht mit dem Antrag zu 2. die Vernichtung der am 13. November 2014 hergestellten Originalaufnahmen und Vervielfältigungsstücken gemäss Ziffer 1 des Klageantrags verlangen. Auch der Beseitigungsanspruch nach §§ 823 Absatz 1, 1004 Absatz 1 Satz 1 BGB analog i.v.m. Art. 1, 2 GG bzw. §§ 823 Absatz 2, 1004 Absatz 1 Satz 1 BGB analog i.V.m. § 201a StGB setzt eine rechtswidrige Störung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin durch die Anfertigung der Aufnahme K 1/K5 voraus, an der es fehlt. Von daher bedarf es keiner Entscheidung der Frage, ob der Vernichtung der Aufnahmen nicht ohnehin die Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten der Beklagten entgegenstehen.
[42] 6. Mangels Hauptanspruch hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Erstattung ihrer vorprozessualen Rechtsanwaltskosten, die sie mit dem Antrag zu Ziffer 3. geltend macht.

III.
[43] Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nummer 10, 711, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nummer 8 EGZPO.

IV.
[44] Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Absatz 2 Satz 1 ZPO liegen nicht vor. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hinreichend höchstrichterlich geklärt. Soweit dies nicht der Fall ist, beruht die Entscheidung nicht auf klärungsbedürftigen Rechtsfragen, sondern hat ihren Schwerpunkt im Tatsächlichen.

Instanzen

LG Berlin, 03.02.2016 – 5 O 121/15
KG, 25.09.2017 – 20 U 41/16

Quelle: http://www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de/ (Die Präsidentin des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg, 10785 Berlin mit juris GmbH, 66117 Saarbrücken)

Leitsatz, Format und Rechtschreibung: https://www.debier.de (debier-datenbank, Torsten Mahncke Rechtsanwalt Berlin)