Kinderschänder

Unterlassungsanspruch gegen Äusserungen auf “facebook” wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts. Anspruch besteht auch dann, wenn der Betroffene nicht namentlich genannt wird. Es reicht, wenn seinem Bekanntenkreis erkennbar ist, wer gemeint sein soll.

OLG Dresden, Urteil vom 05.09.2017 – 4 U 682/17 – 
Art. 8, 10 EMRK
Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 5 Abs. 1 GG
§§ 823, 1004 BGB
§ 185 StGB
§ 531 Abs. 2 ZPO
§ 48 Abs. 2 GKG

Leitsätze (amtl)

1. Meinungsäusserungen in einem sozialen Netzwerk sind im Gesamtgefüge der auch über einen längeren Zeitraum hinweg erfolgten Einträge zu würdigen. Ergibt diese Gesamtwürdigung Züge einer Privatfehde, liegt die Annahme einer unzulässigen Schmähkritik nahe.
2. Für die Erkennbarkeit des von einer Äusserung Betroffenen reicht es aus, wenn dieser begründeten Anlass hat anzunehmen, er könne innerhalb seines mehr oder minder grossen Bekanntenkreises aufgrund der mitgeteilten Umstände erkannt werden.

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 28.03.2017 – 4 O 1452/16 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen – wie folgt abgeändert:
1. Der Beklagte wird verurteilt, folgende Äusserungen zu unterlassen:
1.1 Der Kläger, genannt „Tablettenmacher H. aus Z.“, sei ein „Kindesentfremder“.
1.2 Der Kläger, der „Tablettenmacher H. aus Z.“, habe sich sein (des Beklagten) Kind und „nicht-leibliches Enkel angeeignet“ sowie „belogen, verleumdet und betrogen“.
1.3 „Kindesentfremder sind auch Kinderschänder“, – „der elektrische Stuhl ist zwar defekt, aber wir haben ja immer noch unsere elektrische Stihl“ –
1.4 Mit Hinweis auf den Kläger „Pharmaindustrie“ einen Beitrag zu teilen mit der Aussage: „Dort, wo der Z. Kinderschänder arbeitet“ (Text vom 07.10.2016).
1.5 Dem Beklagten wird untersagt, den Kläger sinngemäss als „Kindesentzieher“ oder „Kinderschänder“ zu bezeichnen.
2. Der Beklagte wird ferner verurteilt, folgende Äusserungen mit Bezug auf den Kläger zu unterlassen:
2.4 „Der Baum, an dem die Verursacher hängen werden, wird gerade gebaut. Er hat Hacken, wie im Schlachthof für Schweine…. Entfremden Eltern-Kind.“
2.5 „…Meinen Kindesentfremdern auch für diese Woche natürlich nur die Pest, doch lange müsst ihr nicht mehr durchhalten“.
2.10 „… und vernichte die Kindesentfremder. Es geht langsam los und ich weiss, dass sie es bereits fühlen ….“
2.14 „Wenn es hier erste Opfer gibt, wird man wach werden. Das ist eine Frage der Ehre meinem Sohn gegenüber.“ wenn dies geschieht, wie unter den Einträgen ab dem Mai 2016 auf dem Facebook-Account Mxx. erfolgt .
3. Der Beklagte wird verurteilt, die unter Ziffer 1. und 2. angeführten Einträge unter seinem Facebook-Account Mxx. binnen einer Frist von 1 Woche ab Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung zu löschen.
4. Dem Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld in Höhe bis zu 25.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.
II. Im Übrigen wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 28.03.2017 – 4 O 1452/16 – aufgehoben und die Klage abgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits 1. Instanz tragen der Kläger zu 4/10 und der Beklagte zu 6/10. Die Kosten des Rechtsstreits im Berufungsverfahren trägt der Kläger zu 3/10, der Beklagte zu 7/10.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 7.800,- EUR und für das erstinstanzliche Verfahren auf 9.800,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
[1] Der Kläger – der im einzigen pharmazeutischen Unternehmen in Z. beschäftigt ist – und seine Ehefrau sind Pflegeeltern des am 03.12.2003 geborenen Hxx.. Er wendet sich gegen Einträge, die beginnend ab Mai 2016 auf der Facebook-Seite des Beklagten veröffentlicht worden sind. Es wird im Übrigen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Das Landgericht hat den Beklagten zum überwiegenden Teil verurteilt, die auf eine Geldentschädigung gerichtete Klage hat es abgewiesen. Für die Begründung wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen. Mit seiner Berufung erstrebt der Beklagte die vollständige Klageabweisung. Er ist der Auffassung, der Kläger könne schon deshalb keine Unterlassung fordern, weil er in den streitgegenständlichen Eintragungen nicht erkennbar sei. Im Gesamtkontext seien die Eintragungen zulässige Meinungsäusserungen, zum Teil in satirischer Form. Insgesamt sei der Tenor des angegriffenen Urteils auch nicht vollstreckbar.
[2] Der Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.
[3] Der Kläger beantragt, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
[4] Er verteidigt das angefochtene Urteil.
[5] Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.

II.
[6] Die zulässige Berufung ist nur einem Teil begründet. Dem Kläger steht in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang ein Anspruch auf Unterlassung der streitgegenständlichen Äusserungen aus §§ 823 Abs. 1, 2, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB i.v.m. § 185 StGB (analog) zu. In diesem Umfang wird er durch die Äusserungen des Beklagten auf dessen Facebook-Seite in seinem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt.

[7] A. 1. Entgegen der Annahme des Beklagten scheitert dieser Anspruch nicht an einer hinreichenden Bestimmtheit i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO der erstinstanzlich gestellten Anträge. Dem Senat erschliesst sich nicht, wieso die Verwendung des Wortes „weiterhin“ der Vollstreckung aus dem Unterlassungsgebot entgegenstehen soll, wird hierdurch doch lediglich zum Ausdruck gebracht, dass die Begehungsgefahr von einer dem Beklagten zuzurechnenden Verletzungshandlung ausgeht, die nach dessen Angabe in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bis zum heutigen Tage andauert. Allerdings war die Unterlassungsverpflichtung des angefochtenen Urteils, soweit diese aufrechterhalten wird, klarstellend wie aus dem Tenor ersichtlich zu formulieren. Eine inhaltliche Änderung liegt hierin nicht.
[8] 2. Der Kläger hat Anspruch auf Unterlassung der Äusserungen unter Ziffer 1.1. bis 1.5. sowie der Äusserungen 2.4., 2.5., 2.10. sowie 2.14. gemäss §§ 1004, 823 Abs. 1, Abs. 2 sowie i.V.m. § 185 StGB, Art. 5 GG.
[9] a) Mit der der erstmals im Senatstermin vom 22.08.2017 erhobenen Behauptung, die streitgegenständlichen Äusserungen stammten überhaupt nicht von ihm, ist der Beklagte im Berufungsverfahren gemäss § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Der Senat hält diese Behauptung zudem für unglaubhaft. Als Verteidigungsvorbringen ist es nicht nachvollziehbar, die Äusserungen erstinstanzlich mit der durch Art. 5 GG geschützten Meinungsfreiheit zu rechtfertigen und diese erst im Berufungsverfahren in Abrede stellen zu wollen. Der Beklagte, der seine Urheberschaft erst bei seiner Anhörung durch den Senat zu einem Eintrag vom 17.07. (Anlage B 2) /18.07.2016 bestritten hat, hat dies nach Einschätzung des Senats ersichtlich aus einer spontanen Laune heraus erklärt, ohne auf die eklatanten Widersprüche zu seinem vorherigen Prozessverhalten oder die Frage, wie die durch die Anlagen A1 dokumentierten Einträge auf seiner Facebookseite ansonsten zustande gekommen sein sollen, in irgendeiner Weise einzugehen. Insgesamt vermittelte er dem Senat bei der Anhörung zudem den Eindruck einer aufgrund des Streits über das Umgangsrecht mit seinem Sohn verbitterten und daher mit Blick auf den Streitgegenstand nur bedingt glaubwürdigen Persönlichkeit.
[10] b) Der Kläger ist in den Äusserungen des Beklagten auf seinem Facebook-Account u.a. mit den Bezeichnungen als „Kindesentzieher“ oder „Kinderschänder“ erkennbar dargestellt. Eine solche Erkennbarkeit erfordert weder die vollständige noch eine auch nur abgekürzte Namensnennung. Es genügt vielmehr die Übermittlung von Teilinformationen, aus denen sich die Identität für die sachlich interessierte Leserschaft ohne Weiteres ergibt oder mühelos ermitteln lässt (so Senat, Urt. v. 30.08.2016 – 4 U 314/16; vgl. BGH, Urt. v. 21.06.2005 – VI ZR 122/04). Dafür kann unter Umständen die Schilderung von Einzelheiten aus dem Lebenslauf des Betroffenen oder die Nennung seines Wohnortes und seiner Berufstätigkeit ausreichen (vgl. Senat, Urt. v. 30.08.2016 – 4 U 314/16). Für die Erkennbarkeit reicht es aus, wenn der Betroffene begründeten Anlass hat anzunehmen, er könne innerhalb eines mehr oder minder grossen Bekanntenkreises erkannt werden (so Senat a.a.O.). Der Beklagte setzt sich in seinem Facebook-Account mit dem Thema Kindesentfremdung und Umgangsausschluss sowie dem Kläger – dem Pflegevater seines Sohnes – auseinander. So hat er in einem Eintrag offengelegt, dass gegen ihn ein Umgangsausschluss erfolgt ist und kritisiert dies heftig. In einem weiteren Eintrag macht er deutlich, wen er dafür verantwortlich hält und gibt nicht nur Arbeitsort des Klägers an, sondern auch seinen Vornamen und den ersten Buchstaben seines Nachnamens. Des Weiteren wird der Beruf zwar mit „Tablettenmacher“ abwertend und verfremdend dargestellt, gleichwohl ist einem unbefangenen Leser klar, dass der Beruf dem pharmazeutischen Bereich zuzuordnen ist. Des Weiteren werden Einzelheiten aus dem Privatleben des Klägers genannt. Der Eintrag vom 17. Juli, den der Beklagte als Anlage B 2 vorgelegt hat, identifiziert den Kläger über seinen Wohnort, erwähnt dessen Kinderlosigkeit und den Umstand, dass der Kläger einen „nicht leiblichen Enkel“ mit Zustimmung der leiblichen Mutter bei sich aufgenommen hat. In einem weiteren Beitrag wird auch der Arbeitsort des Klägers genannt. Dies reicht für eine identifizierbare Darstellung aus. Dass im Telefonbuch von Z. 22 Personen mit dem Vornamen J. und einem Nachnamen mit dem Anfangsbuchstaben „H“ beginnen, kann unterstellt werden, steht einer Individualisierbarkeit angesichts der aufgezeigten Fülle sonstiger Informationen, die auf den Kläger hindeuten, aber nicht entgegen.
[11] c) Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt. Abzuwägen sind danach das Recht des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerten Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit. Die Meinungsfreiheit ist nicht vorbehaltlos sondern nur in den Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG gewährleistet (vgl. BGH, Urteil vom 16.11.2004 – VI ZR 298/03). Zu diesen gehört das Recht der persönlichen Ehre und auf öffentliches Ansehen. Unzulässig sind jedenfalls strafrechtlich relevante Beleidigungen im Sinne des § 185 StGB und unsachliche Schmähkritiken, denen es an jedem sachlichen Kern mangelt und bei denen die Herabsetzung einer Person, die jenseits polemischer und überspitzter Kritik gleichsam an den Pranger gestellt werden soll, im Vordergrund steht (vgl. hierzu BGH, Urteil 03.02.2009 – VI ZR 36/07 vgl. hierzu Senat, Beschl. v. 08.02.2012 – 4 U 1850/11). Die streitgegenständlichen Facebook-Einträge sind vorliegend in weiten Teilen durch Züge einer „Privatfehde“ gegen den Kläger ohne Bezug zu einer die Öffentlichkeit wesentlichen berührenden Frage geprägt, was charakteristisch für eine Schmähkritik ist (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 17. September 2012 – – 1 BvR 2979/10 – –, juris). Davon zu unterscheiden sind aber diejenigen Äusserungen, die sich ohne direkten Bezug zum Kläger, zum Teil als Kommentar zu Äusserungen anderer User, mit der Problematik der sog. Trennungsväter beschäftigen. Auch wenn diese grösstenteils polemisch überspitzt formuliert und zum Teil überaus geschmacklos sind, kann ihnen ein Sachbezug nicht gänzlich abgesprochen werden. Ein Pauschalverbot aller Äusserungen, wie es das Landgericht ausgesprochen hat, kam hiernach nicht in Betracht. Vielmehr war jede Einzeläusserung im Gesamtkontext der sie umgebenden Einträge zu würdigen.
[12] Für die streitgegenständlichen Einzeläusserungen gilt nach diesen Massstäben das Folgende:
[13] 1.1 Der Kläger, genannt Tablettenmacher, H. aus Z.“ sei ein „Kindesentfremder“.
[14] Diese Äusserung ist geeignet, den Kläger in seinem öffentlichen Ansehen zu beeinträchtigen und herabzuwürdigen. In der vom Beklagten selbst vorgelegten Fassung der Anlage B2 ergibt sich die ehrenrührige Bezeichnung aus dem Gesamtzusammenhang. Die Bezeichnung ist bereits für sich genommen, mindestens aber durch die wiederholte Gleichsetzung “Kindesentfremder” mit “Kinderschänder” in hohem Masse ehrverletzend, weist keinen Sachbezug auf und ist Bestandteil der o.a. „Privatfehde“.
[15] 1.2 „Der Kläger, der Tablettenmacher H. aus Z., habe sich sein (des Beklagten) Kind und nicht-leibliches Enkel angeeignet sowie belogen, verleumdet und betrogen“.
[16] Auch bei dieser Äusserung handelt es sich im Kontext um eine Schmähkritik. Auf die Ausführungen unter Ziffer 1.1. wird Bezug genommen.
[17] 1.3 „Kindesentfremder sind auch Kinderschänder“, versehen mit einer Karikatur mit bedrohlichem Inhalt – der elektrische Stuhl ist zwar defekt, aber wir haben ja immer noch unsere elektrische Stihl – und dem Aufdruck „Todesstrafe für Kinderschänder“.
[18] Die die Karikatur begleitende Äusserung kann der Kläger auch isoliert anfechten. Er muss nicht hinnehmen, sich vom Beklagten als „Kinderschänder“ bezeichnen zu lassen. Es handelt sich hierbei um eine Formalbeleidigung gemäss § 185 StGB, die ohne Abwägung mit der Meinungsfreiheit zu untersagen ist. Bei dem im Kontext der Äusserung fraglos auf den Kläger („Dort, wo der Z. Kinderschänder arbeitet”) bezogenen Vorwurf des sexuellen Missbrauchs handelt es sich um eine schwere Straftat, die nicht als satirische Stellungnahme zu allgemein gehaltenen Themen verharmlost werden kann. In dem von ihm selbst als Anlage B 2 vorgelegten Beitrag schreibt der Beklagte überdies: „Nun droht ihnen die Strafe der ungeschriebenen Gesetze“, womit er klar zu erkennen gibt, dass er auch bereit ist, sich über das Gesetz hinwegzusetzen. Die Äusserung ist Bestandteil der o.a. „Privatfehde“.
[18] 1.4 „Ein Beitrag zum Teil mit der Aussage „Dort, wo der Z. Kinderschänder arbeitet“.
[19] Die Ausführungen zu 1.2 gelten entsprechend.
[20] 1.5 Dem Beklagten wird untersagt, den Kläger sinngemäss als „Kindesentzieher“ oder „Kinderschänder“ zu bezeichnen.
[21] Auch hierbei handelt es sich um eine Formalbeleidigung. Kindesentziehung ist ein Straftatbestand (§ 235 Satz 1 Nr. 2 StGB). Mit dieser Bezeichnung wird bei einem unbefangenen Leser der Eindruck erweckt, der Kläger könnte widerrechtlich ein Kind seines Entziehungsberechtigten entzogen haben. Wegen der Schwere eines solchen als Möglichkeit in den Raum gestellten Verdachtes ohne konkrete und stichhaltige Anhaltspunkte ist dem Persönlichkeitsrecht des Klägers der Vorrang einzuräumen (vgl. hierzu OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.2.2008 – 15 U 180/05). Ein sachlicher Bezug zu etwa zu dem Umgangsstreit des Beklagten oder zu der an anderer Stelle aufgeworfenen Diskussion über das sog. parental alienation syndrome (PAS) ist weder erkennbar noch von dem Beklagten beabsichtigt.
[22] 2.1 „Kommt bald die Todesstrafe für Kinderschänder auch als gesetzliche Möglichkeit?“
[23] Anders ist dies bei der o.a. Äusserung, die sich im Kontext der gesamten Facebook-Timeline aus diesem Zeitabschnitt nicht auf den Kläger bezieht, sondern eine allgemeinpolitische Forderung zum Ausdruck bringt. Als solche ist sie noch vom Recht auf freie Meinungsäusserung gedeckt.
[24] 2.2 „Die Vorstufe zum Weg in die ewige Finsternis ist die Zerstörung von Bindungen, Kindesentfremdung und damit das Verursachen von PAS. Langsame qualvolle Todesstrafe für diese Verbrecher.“
[25] Auch hier handelt sich hier um eine allgemeine, von einem konkreten Sachverhalt losgelöste Meinungsäusserung. Anders als das Landgericht angenommen hat, enthält sie nicht bereits deswegen eine Bedrohung des Klägers, weil sich diese Äusserung mit “Kindesentfremdern” befasst, zu denen der Beklagte auch den Kläger rechnet. Hier ist die Auseinandersetzung mit der Kindesentfremdung freilich abstrakt formuliert, ein Bezug zum Kläger wird nicht unmittelbar hergestellt. Die allgemein gehaltene Polemik gegen „Verbrecher“ lässt offen, ob damit der Kläger, das Jugendamt oder die Gerichte gemeint sind, die über den Umgangsausschluss entschieden haben. Auch wenn die Äusserung keinen Sachbezug aufweist und zu einer ernsthaften Diskussion über Probleme von Umgangsstreitigkeiten nichts beiträgt, besteht ein Unterlassungsanspruch mangels individueller Betroffenheit des Klägers nicht.
[26] 2.3 „Guten Morgen wünsche ich. So kann der Tag beginnen… Viel zu schade, um die Monsterjagd zu beginnen.“
[27] Die Ausführungen zu 2.2 gelten entsprechend.
[28] 2.4 „Der Baum, an dem die Verursacher hängen werden, wird gerade gebaut. Er hat Hacken, so wie im Schlachthaus für Schweine.“
[29] Der Kläger hat Anspruch auf Unterlassung dieser ehrverletzenden Äusserung. Aus dem Kontext der Eintragung ist zu entnehmen, dass der Beklagte mit „Verursacher“ diejenigen Personen meint, die eine Verantwortung für die Entfremdung zwischen ihm und seinen Sohn tragen, zu denen er an hervorgehobener Stelle den Kläger rechnet, den er für die “Kindesentfremdung” (s.o.) verantwortlich macht. Die Äusserung ist ohne jeden Sachbezug und von einer menschenverachtenden Grundeinstellung geprägt, die keinen Beitrag zu einer Sachauseinandersetzung liefert, den Kläger mit einem Schwein gleichsetzt und im Kontext der erwähnten „Privatfehde“ zu sehen ist.
[30] 2.5 „Schöne Woche wünsche ich allen Freunden. Meinen Kindesentfremdern auch für diese Woche natürlich nur die Pest, doch lange müsst ihr nicht mehr durchhalten …“.
[31] Die Äusserung enthält eine Todesdrohung, die durch das Possesivpronomen „meinen“ deutlich auf den Kläger bezogen ist, der zudem als „Kindesentfremder“ gebrandmarkt wird. Es handelt sich um eine unzulässige Schmähkritik im Rahmen der erwähnten Privatfehde.
[32] 2.6 „Das bittere Ende der Kindesentfremder“ mit der Karikatur und dem Begleittext: „Gartenarbeit entspannt. Kommt natürlich ganz darauf an, wen man da vergräbt“.
[33] Es handelt sich hier um eine allgemein gehaltene Äusserung. Ein unmittelbarer Bezug zum Kläger ist hier nicht ersichtlich.
[34] 2.7 „Für Menschen, die so etwas tun, bleibt nur die Todesstrafe und dem anderen Elternteil Hand ab… Es ist zu vergleichen mit Kinderschändung“.
[35] Auch hier ist ein Bezug zum Kläger im Gesamtkontext der Eintragungen nicht erkennbar, die wiederholte Forderung nach der Todesstrafe bezieht sich erkennbar auf den Post der Nutzerin Mxy., der sich allgemein mit der Instrumentalisierung von Trennungskindern und PAS befasst. Ein Unterlassungsanspruch besteht insoweit nicht.
[36] 2.8 „Ein Leben ohne Kindesentfremder“ und der begleitenden Karikatur „Glaubst du, dass das Leben nach dem Tod schlimmer ist?“ „Das hängt ganz davon ab, wer stirbt.“
[37] Auch diese Äusserung ist abstrakt gehalten und weist keinen Bezug zum Kläger auf.
[38] 2.9 „Ein Schlag gegen die Kindesentfremder gelungen“.
[39] Der Äusserung ist nicht zu entnehmen, was mit einem „Schlag“ gemeint ist und gegen wen er sich richtet. Die Verwendung des Begriffes „Kindesentfremder“ stellt im Gesamtkontext noch keinen hinreichenden Bezug zum Kläger her. Die Äusserung enthält auch weder eine Formalbeleidigung noch eine Schmähkritik, sondern stellt eine unsubstantiierte Tatsachenbehauptung dar.
[40] 2.10 „… und vernichte die Kindesentfremder. Es geht langsam los und ich weiss, dass sie es bereits fühlen“.
[41] Ob es sich hierbei um eine nach § 241 StGB strafrechtlich relevante Bedrohung handelt, mit der dem Kläger – unabhängig von der Ernsthaftigkeit dieses Anliegens – die physische Vernichtung angedroht wird, kann dahinstehen. Sie stellt jedenfalls eine Schmähkritik als Bestandteil der erwähnten Privatfehde dar. Aus dem Gesamtkontext dieses Posts, der auf die Fotographie eines Hundes mit dem Begleittext “wenn du etwas erreichen willst, dann jammer nicht, sondern beweg deinen Arsch” mit den Worten „Mach ich doch! … und vernichte die Kindesentfremder“ reagiert, wird deutlich, dass der Beklagte sich nicht allgemein äussert, sondern das ihm vermeintlich angetane Unrecht nunmehr sühnen und hiermit bereits begonnen haben will. Der Leser seiner Facebook-Seite, der die umgebenden Einträge zur Kenntnis nimmt, wird diese Drohung auf den Kläger beziehen.
[42] 2.11 „Die Kindesentfremder mit Bedacht bestrafen … Der Teufel steckt im Detail und die Fahrten zur Hölle müssen gut geplant werden.“
[43] Wegen des fehlenden Bezugs zum Kläger kann dieser Unterlassung der Äusserung 2.11. nicht verlangen. Auf die o.a. Äusserungen nimmt der Senat Bezug.
[44] 2.12 „Die Vorstufe zum Weg in die ewige Finsternis ist die Zerstörung von Bindungen, Kindesentfremdung… Langsame qualvolle Todesstrafe für diese Verbrecher?“
[45] Wegen des fehlenden Bezugs zum Kläger kann dieser Unterlassung der Äusserung 2.12. nicht verlangen. Auf die o.a. Äusserungen nimmt der Senat Bezug.
[46] 2.13 „Gemeinsam gegen Kindesentfremder und Kinderseelenkiller … Die Hölle wartet schon, ihr Ratten“.
[47] Wegen des fehlenden Bezugs zum Kläger kann dieser Unterlassung der Äusserung 2.13. nicht verlangen. Auf die o.a. Äusserungen nimmt der Senat Bezug.
[48] 2.14 „Wenn es hier erste Opfer gibt, wird man wach werden.“ „Das ist eine Frage der Ehre meinem Sohn gegenüber… Es gibt kein Zurück und sie werden nicht entkommen.“
[49] Der Kläger kann die Unterlassung dieser Äusserung verlangen, die sich durch die Erwähnung seines Sohnes und die Verbindung mit 2.10 im Gesamtkontext ersichtlich auf ihn bezieht. Einen Substanzbezug hat sie nicht, vielmehr beschränkt sie sich auf eine im ungefähren verbleibende Drohung und ist Bestandteil der erwähnten Privatfehde. Durch einen Vergleich der beklagten Kindesentfremdung mit einer “Balkanroute”, die wiederum mit “Russisch Roulette” verglichen wird, soll der dem Beklagten verweigerte Umgang mit seinem Sohn als grosses, u.U. lebensgefährliches Risiko für die Verantwortlichen dargestellt werden. Durch den Äusserungsteil “es gibt kein Zurück und sie werden nicht entkommen” wird diese Drohung verstärkt und letzten Endes als unausweichlich bezeichnet.
[50] 3. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch darauf, dass die unter Ziffer 1. und 2. des Tenors aufgeführten Einträge aus seinem Facebook-Account gelöscht werden. Die Verurteilung zu einer Unterlassung enthält zugleich die Verpflichtung zu einem positiven Tun, wenn der Schuldner der Unterlassungspflicht nur gerecht werden kann, in dem er auch die positive Handlung vornimmt, die notwendig ist, um den rechtmässigen Zustand zu erreichen (BGH NJW-RR 2007, 863). Dies ist auch hier der Fall, weil das in die Zukunft weisende Verbot, sich in dem tenorierten Sinne zu äussern, notwendigerweise die Löschung der Äusserungen erfordert. Eine Vollstreckung nach § 890 ZPO kann zwar dann auch erfolgen, wenn sie im Urteil nicht ausdrücklich ausgesprochen ist (BGH aaO; Zöller-Stöber, ZPO, 31. Aufl. § 890 Rn 3a). Ein ausdrücklich hierauf gerichteter Antrag ist jedoch ohne weiteres zulässig.
[51] 4. Ein Anspruch auf Zahlung von aussergerichtlichen Anwaltskosten steht dem Kläger nicht zu, vorgerichtliche anwaltliche Tätigkeiten sind weder ersichtlich noch vorgetragen worden.

[52] B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, wobei der Senat den Grad des Obsiegens und Unterliegens anhand der unterschiedlichen Streitwerte für die Einzelanträge festgelegt hat. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
[53] Nach § 48 Abs. 2 GKG hat die Streitwertfestsetzung bei Unterlassungsansprüchen wegen einer Ehrverletzung den Grad der Verbreitung die Schwere des Vorwurfs sowie die Beeinträchtigung des sozialen Geltungsanspruches des Verletzten in der Öffentlichkeit, die wirtschaftliche sowie die sonstige Bedeutung der Sache einzubeziehen (vgl. Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 12. Aufl., Rn. 1421 ff.; Rn. 1627 ff.; Senat, Beschluss vom 23.1.2013 – 4 W 1363/12; vom 29.3.2010 – 4 W 313/10; vom 28.01.2009 – 4 W 1273/08; vom 10.07.2008 – 4 W 705/08; vom 30.07.2007 – 4 W 899/07). Der Senat hat hiernach den Gegenstandswert der Anträge Ziffer 1.1 bis 1.5 mit jeweils 1.000 EUR angesetzt und für die Äusserungen in Ziffer 2.1 bis 2.14 jeweils 200,- EUR zugrunde gelegt. Hierbei hat er berücksichtigt, dass die erkennbar auf den Kläger zielenden Äusserungen nach Art, Ausmass und Schwere deutlich über die lediglich allgemeinpolitischen Kommentare hinausgehen, was auch streitwertmässig zum Ausdruck zu bringen ist. Der Löschungsantrag, der mit der Unterlassungsverpflichtung identisch ist, hat keinen eigenen Streitwert.

S. Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht
R. Richterin am Oberlandesgericht
P. Richterin am Oberlandesgericht

Quelle: https://www.justiz.sachsen.de/ (Der Freistaat Sachsen, Oberlandesgericht Dresden, Ständehaus Schloßplatz 1, 01067 Dresden)

Format, Randnummern und Rechtschreibung: https://www.debier.de (debier-datenbank, Torsten Mahncke Rechtsanwalt Berlin)