Herbizide

Das OLG Rostock hat Ökobauern Schadenersatz zuerkannt, weil ihr Bio-Gemüse mit Pflanzenschutzmitteln kontaminiert wurde. Der Nachbar, der konventionelle Landwirtschaft betreibt, hatte seine Rapsfelder mit Herbiziden besprüht. Das Nebeneinander beider Anbaumethoden gebe zwar keinem der Bauern einen Vorrang. Man müsse aber Rücksicht aufeinander nehmen. Dies sei hier nicht geschehen, weil das Übergreifen der Chemikalien auf das benachbarte Feld hätte verhindert werden können. (tm. 01-2007)

OLG Rostock, Urteil vom 20.07.2006 – 7 U 117/04 –
§§ 249, 252, 823 Abs.1, 906 Abs. 2 BGB
§ 287 ZPO

Leitsätze (tm)

1. Zur Frage, ob ein Betreiber ökologischen Landbaus Schadenersatz verlangen kann, weil dessen landwirtschaftlichen Produkte durch die Wirkstoffe eines auf dem Nachbarfeld eingesetzten Pflanzenschutzmittels kontaminiert sind.
2. Eine Eigentumsverletzung liegt auch dann vor, wenn derart auf eine Sache eingewirkt wird, dass sie ihrem bestimmungsgemässen Gebrauch entzogen wird. Ein solcher Fall kann bei einem Handelsprodukt vorliegen, wenn dessen Nutzungs- und Verkaufsfähigkeit beeinträchtigt wird.
3. Die Beeinträchtigung eines Grundstückes durch Immissionen ist rechtswidrig, wenn die Beeinträchtigung wesentlich ist und als Folge einer ortsüblichen Benutzung des Nachbargrundstückes nicht durch wirtschaftlich zumutbare Massnahmen verhindert werden wurde. Die Beweislast dafür, dass sich die Immissionen im Rahmen einer ortsüblichen Benutzung landwirtschaftlicher Flächen gehalten haben und dass alle wirtschaftlich zumutbaren Vorkehrungen getroffen wurden, um eine Schädigung der benachbarten Anbauflächen zu verhindern, trägt derjenige, von dessen Grundstück die Immissionen ausgehen.

NJW 2006, 3560:
– OLG Rostock, Urteil vom 20.07.2006 – 7 U 117/04 –

Aus dem Tatbestand

Die Kl. nehmen als Betreiber von ökologischem Landbau die Bekl., die in konventioneller Weise Ackerflächen bewirtschaftet, auf Ausgleich von Schäden in Anspruch, die ihnen durch die Feststellung von Rückständen ausgebrachter Herbizide entstanden sein sollen. Den Kl. war im Herbst 2001 für die Dauer circa eines Monats ein Vermarktungsverbot für Bio-Produkte erteilt worden. Sie beanspruchen den Ausgleich entgangenen Gewinns, der Kosten für Probenanalysen und der Anschaffung neutraler Tüten sowie die Erstattung von Rechtsanwaltsgebühren. Die Kl. hatten auf von ihnen bewirtschafteten Flächen im Sommer 2001 Gemüse und Kartoffeln angebaut; die Bekl. auf ihren benachbarten Feldern Raps. Auf diesen Feldern brachte die Bekl. am 25./26.8.2001 die Pflanzenschutzmittel Nimbus und Brasan aus; diese enthalten den Wirkstoff Clomazone. Die Herstellerfirma von Brasan hatte Hinweise für den sicheren Umgang mit dem Pflanzenschutzmittel am 29.6.2001 auf der Grundlage von Festlegungen der biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft herausgegeben. Die Kl. beobachteten um den 20.9.2001 auf von ihnen bewirtschafteten Flächen Verfärbungen bei Indikatorpflanzen, den so genannten ?Bleaching Effect”. Anlässlich einer am 20.9.2001 mit Mitarbeitern des Landespflanzenschutzamts durchgeführten Begehung wurde vermutet, dass es sich bei den gelb bis weissen Pflanzenverfärbungen um einen Clomazoneschaden handeln könne. In einem Begehungsprotokoll wurde festgestellt, dass ein Verstoss der Bekl. gegen die Anwendungsbestimmungen und die gute fachliche Praxis nicht festzustellen sei. In einem Schreiben des Landespflanzenschutzamts vom 29.10.2001 wurde als Ursache für den festgestellten “Bleaching Effect” eine “mögliche Verfrachtung” aus der Behandlung von Rapsschlägen durch die Bekl. “vermutet”. Ab dem 20.9.2001 stoppten die Kl. wegen des Kontaminationsverdachts ihrer Produkte den Verkauf im Naturkostladen und verkauften ab dem 21.9.2001 auch auf dem ökologischen Bauernmarkt in G. keine Produkte mehr. Nachdem sie den Kontrollverband AGmbH von dem Vorfall unterrichtet hatten und dieser am 26.9.2001 je fünf Boden- und Pflanzenproben entnommen hatte, untersagte dieser am 28.9.2001 schriftlich die ökologische Vermarktung der Produkte der Kl. unter Bezugnahme auf ein Schreiben des Landwirtschaftsministeriums Mecklenburg-Vorpommern an das Amt für Landwirtschaft B. vom 27.9.2001. Mit Schreiben vom 2.10.2001 begrenzte der Kontrollverband das Vermarktungsverbot auf im Zeitraum zwischen dem 25.8. bis 30.11.2001 geerntete Produkte. Das Vermarktungsverbot wurde am 30.10.2001 ganz aufgehoben; am 5.10.2001 und 8.12.2001 teilte der Kontrollverband mit, dass in fünf Bodenproben sowie einer Pflanzenprobe der Wirkstoff Clomazone nicht bestimmbar, das heisst, über der Bestimmungsgrenze von 0,01 mg/kg nicht feststellbar sei.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kl. hatte zum Teil Erfolg.

Aus den Entscheidungsgründen

Der Schadensersatzanspruch steht den Kl. nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme dem Grunde nach aus § 823 Abs. 1 BGB, aber auch subsidiär aus § 906 Abs. 2 BGB analog zu.

a) Der Senat bejaht eine Eigentumsverletzung i.S. des § 823 Abs. 1 BGB. Eigentumsverletzung im Sinne der Vorschrift bedeutet eine derartige Einwirkung auf die Sache, dass ein adäquater Schaden eintritt, insbesondere durch Substanzverletzung, aber auch durch Entziehung der Sache, gleichgültig, ob durch tatsächliche Einwirkung oder rechtliche Verfügung, insbesondere, wenn die Sache ihrem bestimmungsgemässen Gebrauch entzogen wird (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 65. Aufl., § 823 Rdnr. 7 m.w. Nachw.; BGH, NJW 2004, 356 m.w. Nachw.). Hier sind unstreitig die so genannten Indikatorpflanzen – Vogelmiere, Taubnessel und Ampfer – in ihrem natürlichen Wachstum nachteilig beeinflusst worden dadurch, dass sie auf den Wirkstoff Clomazone mit einer Chlorophyllaufhellung, dem so genannten “Bleaching Effect”, reagiert haben. Dass es sich bei den an den Indikatorpflanzen festgestellten Verfärbungen um einen auf der Einwirkung von Clomazone beruhenden “Bleaching Effect” handelt, hält der Senat auf Grund der Aussage des sachverständigen Zeugen M, der die Anbauflächen des Kl. am 20.9.2001 begutachtete und das Ergebnis seiner Feststellungen im Protokoll vom 20.9.2001 festhielt, und der Angaben des Sachverständigen Dr. M für erwiesen. Zum einen verfügt der Zeuge M auf Grund seiner Tätigkeit beim Landespflanzen-

NJW 2006, 3651:
-OLG Rostock, Urteil vom 20.07.2006 – 7 U 117/04 –

schutzamt Mecklenburg-Vorpommern über die nötige Sachkunde, die von ihm festgestellten Verfärbungen einordnen und als deren Ursache einen Clomazoneschaden vermuten zu können. Zum anderen hat der Sachverständige Dr. M bereits in seinem schriftlichen Gutachten nachvollziehbar ausgeführt, dass besonders empfindliche Pflanzen auch bei Verlagerungen von Clomazonemengen in molekularen Bereichen mit der beobachteten Chlorophyllaufhellung reagieren, auch wenn ein analytischer Nachweis in Boden- und Pflanzenproben – wie hier – nicht möglich ist. Die festgestellten Störungen des organischen Wachstums der Indikatorpflanzen stellen somit eine Eigentumsverletzung dar (vgl. BGH, NJW-RR 1993, 793).

Darüber hinaus nimmt der Senat trotz der negativen Analysewerte der von den Kl. gezogenen Nutzpflanzen auch insoweit eine Verletzung des Eigentums aus § 823 Abs. 1 BGB an. Die Verletzung des Eigentums an einer Sache kann nach der Rechtsprechung des BGH nicht nur durch eine Beeinträchtigung der Sachsubstanz, sondern auch durch eine Einwirkung auf die Nutzungs- und Verkaufsfähigkeit der Sache erfolgen. So hat der BGH eine Eigentumsverletzung darin gesehen, dass mit Antibiotikum kontaminiertes Fischfutter geliefert und verfüttert wurde und daraufhin gegen den Fischzüchter ein behördliches Verkaufsverbot auch für diejenigen Fische verhängt wurde, an die das kontaminierte Fischfutter nicht verfüttert wurde (BGHZ 105, 346 = NJW 1989, 707). Auch hat er es als ausreichend für eine Eigentumsverletzung angesehen, wenn Wein durch einen Korkenmangel in seiner Beschaffenheit nachteilig beeinflusst worden ist, wobei es nicht erforderlich sei, dass der Wein ungeniessbar geworden sei (BGH, NJW 1990, 908). Der Senat sieht im Hinblick auf die heutige Bedeutung des ökologischen Landbaus und der Verbrauchererwartungen betreffend so genannten “Bio”-Produkte und insbesondere auf Grund der Erläuterungen des Sachverständigen Dr. M den Klägervortrag für erwiesen an, wonach bereits eine mögliche Verunreinigung der gezogenen Gemüsepflanzen mit im Öko-Anbau nicht zugelassenen Pflanzenschutzmitteln ausreicht, der Ware das BIO-Siegel abzuerkennen und bis zur Klärung des Befunds ein Verbot der Vermarktung durch die Kontrollstelle, hier des Kontrollverbands für den ökologischen Landbau, der A-GmbH auszulösen. Der Senat sieht es auf Grund der nachvollziehbaren und durch den Sachverständigen bestätigten Angaben des Kl. auch für erwiesen an, dass die unter dem Verdacht einer Kontamination stehenden landwirtschaftlichen Erzeugnisse nicht anderweitig vermarktet werden konnten. Bereits der Verlust des BIO-Siegels für diese Produkte stellt eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung ihrer bestimmungsgemässen Verwendung dar, wodurch das Eigentumsrecht der Kl. nicht lediglich unwesentlich gestört ist (vgl. Staudinger, BGB, 1999, § 823 Abschnitt B, B 97 m.w. Nachw.).

b) Die festgestellten Verfärbungen der Indikatorpflanzen und damit die Eigentumsverletzung i.S. des § 823 Abs. 1 BGB sind nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme darauf zurückzuführen, dass die Bekl. am 25./26.8.2001 den zur Bekämpfung von Ungräsern und Unkräutern in Winterraps zugelassenen Wirkstoff Clomazone mit 33,3 g/l bzw. 40 g/l der Herbizide Nimbus bzw. Brasan, wie vom Sachverständigen angegeben, auf ihren Rapsschlägen ausgebracht hat.

Die Bekl., hat zugestanden, auf den dem Feld 1 der Kl. benachbarten Flächen 2 und 3 sowie auf den dem mit zwei Gewächshäusern bebauten Feld 4 der Kl. benachbarten Feld 5 am 25./26.8.2001 die Pflanzenschutzmittel Nimbus und Brasan gespritzt zu haben. Soweit sie pauschal vorgetragen hat, die an den Pflanzen der Kl. festgestellten Verfärbungen könnten auch durch die Bearbeitung anderer Flächen mit den genannten Herbiziden durch Dritte verursacht worden sein, hält dies der Senat auf Grund der Bekundungen des Sachverständigen mit der für eine sichere Überzeugungsbildung hinreichenden sehr hohen Wahrscheinlichkeit für ausgeschlossen. Der Sachverständige hat bereits in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt, dass für das Sichtbarwerden des so genannten “Bleaching Effect” gewisse Konzentrationen erforderlich seien, die mit zunehmenden Abstand durch den Verdünnungseffekt immer geringer würden. Da Symptome lediglich bis zu einer Entfernung von 200 m bekannt seien, könne mit Sicherheit anzunehmen sein, dass der Wirkstoff Clomazone nicht von weit entfernten Feldern stamme, wo unter Umständen Dritte Herbizide ausgebracht haben könnten. Dies hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung dahingehend erläutert; dass Symptome auch noch in einer grösseren Entfernung auftreten könnten, dass jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass der Schaden von der nächstliegenden Fläche komme, umso grösser einzuschätzen sei, je grösser der Schaden sei. Für ihn sei es daher ziemlich klar, dass es keine alternativen Schadensquellen für den streitgegenständlichen Clomazoneschaden gegeben habe. Dass die Spritzarbeiten der Bekl. allein schadensursächlich waren, nimmt der Senat insbesondere auch deshalb an, weil die beieinander liegenden Flächen 1 der Kl. und 2 und 3 der Bekl. teilweise von Wald und auch der Ortschaft begrenzt werden, so dass weitere Ackerflächen erst in grösserer Entfernung liegen. Zudem hat die Bekl. lediglich pauschal darauf verwiesen, dass in der Umgebung weitere Flächen mit Raps bestellt gewesen seien.

Angesichts der aufgezeigten, für ein schadensursächliches Verhalten der Bekl. sprechenden Umstände ist der lediglich pauschale Hinweis auf eine mögliche Verursachung durch Dritte nicht ausreichend. Der Senat verkennt insoweit nichts dass ein substanziiertes Bestreiten vom Prozessgegner nur gefordert werden kann, wenn der Beweis dem Behauptenden nicht möglich öder nicht zumutbar ist, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen, was insbesondere dann anzunehmen ist, wenn eine darlegungspflichtige Partei ausserhalb des von ihr vorzutragenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der massgebenden Tatsachen besitzt (vgl. BGH,-NJW-RR 1999, 1152; BGHZ 140, 156 = NJW 1999, 579, jew. m.w. Nachw.). Darum geht es hier aber angesichts der festgestellten Indizien nicht. Es wäre daher Sache der Bekl. gewesen, durch konkrete Bezeichnung anderer, fremder Rapsschläge alternative Schadensquellen aufzuzeigen.

c) Die Bekl. hat auch widerrechtlich i.S. des § 823 Abs. 1 BGB gehandelt. Die Verletzung eines nach § 823 BGB geschützten Rechtsguts ist grundsätzlich rechtswidrig, wenn nicht ein Rechtfertigungsgrund besteht. Geht es – wie hier – um das Verhältnis zwischen Grundstücksnachbarn, so sind die nachbarrechtlichen Sonderbestimmungen der §§ 906 f. BGB in dem davon erfassten Regelungsbereich massgebend dafür, ob die von dem einen auf das andere Grundstück ausgehenden
Einwirkungen rechtswidrig sind; diese Bestimmungen entscheiden darüber, ob eine widerrechtliche deliktische Handlung gem. § 823 BGB vorliegt oder nicht (vgl. BGHZ 90, 255 = NJW 1984, 2207; BGHZ 92, 143 = NJW 1985, 47).
Beurteilungsmassstab ist daher hier § 906 BGB, der die Vo-raussetzungen regelt, unter denen ein Grundstückseigentü-mer die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Russ, Wärme, Geräusch, Erschütterungen oder “ähnlichen
Einwirkungen” dulden muss. “Ähnliche Einwirkungen” sind nach der Rechtsprechung des BGH solche, die den in dieser Vorschrift genannten Beispie-len vergleichbar sind, also unwägbare, im Allgemeinen sinnlich wahrnehmbare Immissionen, welche auf natürlichem Wege zugeleitet werden, wozu insbesondere auch chemische Pflanzenschutzmittel gehören, die auf einem Grundstück versprüht werden und dann durch den Wind oder durch ähnliche Ursachen auf das Nachbargrundstück gelangen. Dabei ist die Art der Zuführung auf das Nachbargrundstück für die

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– OLG Rostock, Urteil vom 20.07.2006 – 7 U 117/04 –

Anwendung des § 906 BGB bedeutungslos. Die Anwendung des § 906 BGB kommt hier auch insbesondere deshalb in Betracht, weil die Bestimmung voraussetzt, dass naturgegebene Vorgänge die Zuführung bewirken, es sich insbesondere um Immissionen handelt, die sich durch die Luft – wie unter anderem Gase u. Dämpfe – oder als Folge physikalischer Wirkungen – wie Wärme – verbreiten (vgl. BGHZ 90, 255 = -NJW 1984,2207).

Wird daher durch den Gebrauch eines chemischen Unkrautvernichtungsmittels ein Nachbargrundstück kontaminiert, so beurteilt sich nach § 906 BGB, ob der durch die Einwirkung betroffene Grundstücksnachbar die Beeinträchtigung seines Eigentums dulden muss. Nach § 906 Abs. 1 BGB muss der Eigentümer eine vom Nachbargrundstück ausgehende Immissionseinwirkung dulden, wenn sie die Benutzung seines Grundstücks nur unwesentlich beeinträchtigt. Die Frage, ob die Benutzung eines Grundstücks wesentlich oder nur unwesentlich beeinträchtigt ist, hängt allein davon ab, in welchem Ausmass die Benutzung nach der tatsächlichen Zweckbestimmung des Grundstücks gestört wird. Es kommt insoweit nicht darauf an, ob der biologische Landbau der Kl. im Unterschied zur konventionellen Landwirtschaft besonders störanfällig ist. Die Kl. dürfen ihr Eigentum grundsätzlich nach eigenem Belieben nutzen und brauchen sich nicht auf eine Art des Anbaus zu beschränken, die den Einwirkungen des Herbizides standgehalten hätte (vgl. BGHZ 90, 255 = NJW 1984, 2207). Diese aus ihrem Eigentumsrecht resultierende Befugnis der Kl., sich in der Nachbarschaft herkömmlich bewirtschafteter landwirtschaftlicher Flächen für eine ökologische landwirtschaftliche Nutzung zu entscheiden, wird grundsätzlich auch nicht dadurch eingeschränkt, dass die Kl. ihren Betrieb erst “neu” angesiedelt haben. Können die Kl. aber ihre Produkte wegen des Verdachts einer Kontamination mit Pflanzenschutzmitteln nicht gemäss der Zielausrichtung ihres Betriebs vermarkten, liegt eine nicht nur unwesentliche Beeinträchtigung vor.

Die Kl. wären gem. § 906 Abs. 1 S. 1 BGB zu einer Duldung dieser Beeinträchtigung nur dann verpflichtet, wenn sich die Beeinträchtigung als Folge einer ortsüblichen Benutzung des Grundbesitzes der Bekl. darstellte und von ihr nicht durch wirtschaftlich zumutbare Massnahmen verhindert werden könnte. Unzweifelhaft steht auch der Bekl. als Eigentümerin oder Besitzerin der von ihr bewirtschafteten landwirtschaftlichen Flächen das Recht zu, diese Flächen in konventioneller Weise zu bewirtschaften und Rapsflächen mit zugelassenen Unkrautvernichtungsmitteln in landwirtschaftlich üblicher Weise zu spritzen. Dabei hat sie aber eine Schädigung benachbarter Flächen durch entsprechende Vorkehrungen, insbesondere durch das Einhalten der guten fachlichen Praxis zu verhindern.

Die Beweislast dafür, dass sich die von ihrem Grundstück ausgehenden Immissionen im Rahmen der ortsüblichen Benutzung der landwirtschaftlichen Flächen gehalten haben und dass sie alle ihr wirtschaftlich zumutbaren Vorkehrungen getroffen hat, um eine Schädigung der benachbarten Anbauflächen der Kl. zu verhindern, trägt die Bekl., weil die allgemeinen Grundsätze der Verteilung der Beweislast im Rahmen von deliktischen Schadensersatzansprüchen hinsichtlich der Rechtswidrigkeit und des Verschuldens nicht eingreifen. Gemäss § 906 Abs. 2 S. 1 BGB kann sich ein betroffener Nachbar gegen eine Immission nicht wehren, wenn der Emittent sich im Rahmen einer ortsüblichen Benutzung seines Grundstücks verhält. Auch in diesem Fall hat der Emittent aber Massnahmen zur Verhinderung derartiger Belastungen zu treffen, die technisch möglich und einem durchschnittlichen Besitzer dieser Immissionsquelle wirtschaftlich zumutbar sind. Das Gesetz legt dem Emittenten die Darlegungs- -und Beweislast dafür auf, dass die schädlichen Immissionen auf einer ortsüblichen Benutzung des emittierenden Grundstücks beruhen und durch mögliche und wirtschaftlich zumutbare Massnahmen nicht verhindert werden können (vgl. BGHZ 92, 143 = NJW 1985, 47 m.w. Nachw.).

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme beruhten die schädlichen Immissionen zwar auf einer ortsüblichen Spritzung der konventionell bestellten Rapsfelder mit den genannten Herbiziden, jedoch stellt sich die domazonebedingte Beeinträchtigung der Bio-Flächen der Kl, hier nicht als unvermeidbar dar. Nach den Ausführungen des Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) spezielle Anwendungshinweise im Umgang mit dem in den Herbiziden Nimbus und Brasan enthaltenen zugelassenen Wirkstoff Clomazone festgesetzt, weil bei höheren Luft- und Bodentemperaturen und geringer Bodenfeuchtigkeit mit einer höheren Verflüchtigung des unter Berücksichtigung eines Dampfdrucks von 1,92 x 10″2 als halbflüchtig eingestuften Wirkstoffes zu rechnen sei und die Bedingungen für das Auftreten derartiger Verflüchtigungen oftmals vorhanden seien, weil die Anwendung häufig in einem sehr engen Zeitfenster mit eben solchen Witterungsbedingungen durchgeführt werde. Um “Bleaching Effecte” sowohl für “Nichtzielpflanzen” als auch für Kulturpflanzen soweit möglich zu reduzieren, ist danach die Anwendung des Mittels bei zu erwartenden Tageshöchsttemperaturen von mehr als 25° C auf einen Zeitraum vor einer längeren abendlichen Abkühlungsperiode mit Temperaturen unter 25° C am Anwendungsort zu verlegen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat die Bekl. gegen diese Anwendungsbestimmungen verstossen. (Wird ausgeführt.)

d) Ist es damit der Bekl. grundsätzlich nicht gelungen, darzulegen und nachzuweisen, dass sie ihr zumutbare Vorkehrungen getroffen hatte, um eine Schädigung der Bioanbauflächen der Kl. zu verhindern, kommt es auf die Frage an, ob die Bekl; die Beeinträchtigung der Pflanzen und Produkte der Kl. verschuldet hat i.S. des § 823 Abs. 1 BGB. Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit vermag der Senat auf Grund der im Jahr 2001 bekannten Herstellerhinweise auszuschliessen, eine leichte Fahrlässigkeit ist indes anzurechnen.

Nach dem im BGB anzuwendenden, auf die allgemeinen Verkehrsbedürfnisse ausgerichteten objektiv-abstrakten Sorgfaltsmassstab steht der Gedanke des Vertrauensschutzes im Vordergrund dahingehend, dass sich jeder grundsätzlich darauf verlassen darf, dass der Andere die für die Erfüllung seiner Pflichten erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse besitzt. Insbesondere kann ein Fahrlässigkeitsvorwurf nicht dadurch ausgeräumt werden, dass sich der Schädiger auf fehlende Fachkenntnisse beruft. Jedoch kann trotz des im Umgang mit Pflanzenschutzmitteln anzulegenden erhöhten Sorgfaltsmassstabs einem Schädiger dann kein Schuldvorwurf zu machen sein, wenn er sich so verhalten hat, wie es ihm von kompetenten Fachleuten, das heisst hier von dem Hersteller, empfohlen worden ist (vgl. Palandt/Heinricbs, BGB, 65. Aufl., § 276 Rdnrn. 15, 16 m.w. Nachw.), es sei denn, dass er auf Grund seiner Fachkenntnisse Anlass zu Zweifeln haben muss, dass diese nicht geeignet sein könnten, jegliche und nicht nur fernliegende Schädigung Dritter auszuschliessen. Leichte Fahrlässigkeit setzt nämlich nur voraus, dass der Haftungstatbestand für die Bekl. vorhersehbar gewesen ist. Ausreichend ist hierbei die allgemeine Vorhersehbarkeit eines schädigenden Erfolgs, wohingegen der konkrete Ablauf in seinen Einzelheiten nicht vorhersehbar gewesen sein muss. Für mögliche Störungen ist dabei die notwendige Vorsorge zu treffen; Vorkehrungen für alle abstrakt denkbaren Schadensrisiken können aber nicht verlangt werden, vielmehr muss die nicht ganz fernliegende Möglichkeit einer Schädigung bestehen (vgl. Palandt/Heinrichs, § 276 Rdnr. 20 m. w, Nachw.).

NJW 2006, 3653:
– OLG Rostock, Urteil vom 20.07.2006 – 7 U 117/04 –

Nach diesen Massstäben ist der Bekl. leichte Fahrlässigkeit Vorzuwerfen. Den Mitarbeitern der Bekl., für deren betriebsbedingte Handlungen sie gem. § 831 Abs. 1 BGB haftet, musste auf Grund ihrer langjährigen landwirtschaftlichen Erfahrungen auch schon aus “Vorwendezeiten” bewusst sein, dass das Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln eine Gefährdung der Umwelt bedeutet. Ihnen musste auch klar sein, dass hiermit insbesondere auch ein nicht unerhebliches Risiko für die in unmittelbarer Nachbarschaft ökologisch bewirtschafteten Flächen der Kl. verbunden war, weil hier eben, wie allgemein bekannt, Herbizide nicht zum Einsatz kommen dürfen. Dass Risiken zu minimieren waren und dass diese bei einem Ausbringen der Herbizide in den Abendstunden geringer ausfallen würden, musste ihnen bei Anwendung der von ihnen zu erwartenden Sorgfalt auch ohne Kenntnis der einzelnen chemischen Abläufe bewusst sein. Zudem war der mit einer Verlagerung der Spritzarbeiten in die Abendstunden verbundene Aufwand ohne Weiteres als deutlich geringer einzuschätzen als der durch ein Unterlassen dieser Schutzmassnahme möglicherweise entstehende, in seinem Umfang nicht abschätzbare Schaden auf den Flächen der Kl. (sog. Learned-Hand-Formel; vgl. Palandt/Heinrichs, § 276 Rdnr. 19). Ist den Mitarbeitern der Bekl. aber in diesem Sinne der Vorwurf zu machen, sich durch das Spritzen zu den angegebenen Zeiten leicht fahrlässig verhalten zu haben, so kommt es nicht darauf an, dass ihnen sowohl vom Landespflanzenschutzamt als auch von dem Sachverständigen im Übrigen das Einhalten der guten fachlichen Praxis bescheinigt worden ist.

e) Aus dem Vorstehenden folgt, dass sich der Schadenersatzanspruch der Kl. dem Grunde nach daneben auch aus § 906 II BGB ergibt.

2. Die Kläger können aber nicht Ersatz aller von ihnen geltend gemachten Schäden verlangen. Gemäss § 823 Abs. 1 i.V. mit § 249 Abs. 1 BGB haben die Kl. nach allgemeinen Grundsätzen Anspruch auf Ersatz des negativen Interesses, das heisst sie sind so zu stellen, wie sie ohne das haftungsbegründende Ereignis stünden, wobei insbesondere auch der mittelbare Schaden der aus der Rechtsgutsverletzung entstanden ist, umfasst ist (vgl. Palandt/Sprau, Einf. Vorb. § 823 Rdnr. 17 m.w. Nachw.). Zu den zu ersetzenden mittelbaren Schäden zählen die durch das schädigende Ereignis verursachten sonstigen Einbussen, insbesondere gem. § 252 BGB entgangener Gewinn, sofern’ das Verhalten des Schädigers im Sinne der conditio sine qua nonFormel ursächlich für den eingetretenen Schaden geworden ist. Dann kann der Geschädigte Ersatz seiner Aufwendung verlangen, soweit sie ein wirtschaftlich denkender Mensen in der Lage des Geschädigten für zweckmässig und notwendig halten durfte und der entstandene Nachteil zu der geschaffenen Gefahrenlage in einem inneren Zusammenhang steht (vgl. Palandt/Heinrichs, Vorb. § 249 Rdnrn. 15, 54, 58, 62, 72, 83, jew. m.w. Nachw.).

Danach können die Kl. Ersatz der folgenden, ihnen im Zusammenhang mit der Clomazone bedingten Kontamination entstandenen Aufwendungen verlangen:

a) 1244,91 Euro gem. Rechnung Nr. 53385 v. 13.11. 2001 der A-GmbH über 2434,84 DM für die Kontrolluntersuchung vom 26.5.2001 mit nachfolgender Analyse der Pflanzen- und Bodenproben. Dass diese Untersuchungskosten angefallen sind, ist von der Bekl. weder dem Grunde noch der Höhe nach bestritten worden.

b) 56,94 Euro für die Anschaffung neutraler Tüten. Mangels Bestreitens hat der Senat davon auszugehen, dass die Kl. ihre BioProdukte in entsprechend werbemässig gekennzeichneten Tüten verkaufen, so dass sie, als sie zwecks Schadensminderung ihre Produkte als konventionelle Ware absetzten, auf dieses Verpackungsmaterial verzichten mussten und hierfür neutralen Ersatz beschaffen mussten. Die Kl. haben diese Schadensposition weder durch Vorlage einer Rechnung noch ansonsten näher dargetan. Da neutrale Tüten aber auch zur Verpackung von Bio-Produkten durchaus tauglich sind, schätzt der Senat den insoweit den Kl. konkret entstandenen Schaden auf die Hälfte des geforderten Betrags, § 287 ZPO.

c) Den Klägern steht auch Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 466,38 Euro zu. (Wird ausgeführt.)

Es liegt auf der Hand, dass die Kl. angesichts der auch in der lokalen Presse bekannt gewordenen, jegliche Verantwortung leugnenden Haltung der Bekl. und der erkennbar schwierigen Rechtslage sich zunächst sach und fachkundig über die Voraussetzungen und möglichen Risiken einer Verfolgung von Schadensersatzansprüchen beraten liessen. Auch ist der die Vertretung der Kl. gegenüber der Bekl. anzeigende Schriftsatz vom 17.12.2001 erkennbar noch auf die Vermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung gerichtet. Dass die danach primär zur Abwendung eines Rechtsstreits bestimmten vorprozessual entstandenen Aufwendungen aus nachträglicher Sicht im Ergebnis der Vorbereitung des Rechtsstreits gedient haben, schliesst den Ersatzanspruch demnach nicht aus (vgl. BGH, WM 1987,247).

d) Gemäss §§ 249 Abs. 1, 252 S. 1 BGB umfasst der den Kl. zu ersetzende Schaden auch den entgangenen Gewinn. Als entgangen gilt der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach denbesonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte, § 252 S. 2 BGB. Bei entgangenem Verdienst aus selbstständiger Arbeit besteht, wenn, wie hier, der Betriebsablauf gestört wird, der Schaden in den entgangenen Roherlösen abzüglich ersparter Betriebskosten, zuzüglich etwaiger Schadensminderungskosten. Grundsätzlich ist bei der Ermittlung des Schadens von dem Betriebsergebnis in den letzten Jahren vor dem schädigenden Ereignis auszugehen (vgl. Palandt/Heinrichs, § 252 Rdnr. 16 m.w. Nachw.). Nach dem auch hier anzuwendenden § 287 ZPO reicht allerdings eine deutlich überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit für die richterliche Überzeugungsbildung aus, dass ein Schaden entstanden ist, wobei grundsätzlich die gesamte Schadensentwicklung bis zum prozessual spätest möglichen Zeitpunkt in die Schadensberechnung einzubeziehen ist (vgl. BGH, NJW 2004, 444). Für die Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs sind die Kl. auch insoweit darlegungs- und beweisbelastet.
Der Vortrag der Kl. genügt den hieran zu stellenden Anforderungen grundsätzlich zwar nicht und ist teilweise auch in sich widersprüchlich. Er erscheint dem Senat aber gerade noch geeignet, ihm die für eine Schätzung gem. § 287 ZPO erforderlichen Anknüpfungstatsachen zu vermitteln. (Wird ausgeführt.)
Ausgehend davon, dass die Kl. für insgesamt 18 Kalenderwochen Umsatzeinbussen vortragen, sie aber in diesem Zeitraum auch Umsatz erzielt haben, schätzt der Senat den entgangenen Gewinn auf insgesamt 4.000 Euro (§ 287 ZPO). Insgesamt steht den Kl. danach ein Anspruch auf Zahlung von 5.768,23 Euro Schadensersatz zu.