Hausordnung bei Wohnungseigentümergemeinschaft

Carel Fabritius Die TorwacheAG Charlottenburg: Ein Wohnungseigentümer kann eine Hausordnung verlangen. Beschliesst die Wohnungseigentümergemeinschaft lediglich einen allgemeinen Verweis auf die Gesetze, kann dieser Beschluss gerichtlich angefochten werden.

AG Charlottenburg, Urteil vom 16.09.2016 – 73 C 33/16 –
§§ 21 Abs. 4, Abs. 5 Nr. 1, 43 Nr. 4 WoEigG
§ 167 ZPO

Leitsätze (tm.)

1. Das Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft hat gegen diese einen Anspruch auf die Aufstellung einer Hausordnung, da diese Bestandteil einer Verwaltung ist, die dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht.
2. Unter einer Hausordnung ist im Wesentlichen eine Mehrzahl von Verhaltensvorschriften zu verstehen, mit denen der Schutz des Gebäudes, die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung und die Erhaltung des Hausfriedens sichergestellt werden sollen. Auch Regelungen über den Gebrauch des Sondereigentums und des Gemeinschaftseigentums können getroffen werden.
3. Das Mitglied, das eine solche Hausordnung beansprucht, kann den Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung anfechten, durch den hinsichtlich einer Hsuordnung lediglich die Geltung der gesetze beschlossen wurde.

Tenor

1. Der Beschluss zu TOP 11 der Wohnungseigentümerversammlung vom 11.04.2016 der Wohnungseigentümergemeinschaft … Berlin, wird für ungültig erklärt.
2. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen sich durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Tatbestand

[1] Die Parteien sind die Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft … in Berlin-… . Der Kläger ist Eigentümer einer Wohnung.

[2] In der Teilungserklärung aus dem Jahr 1982, deren Bestandteil eine Gemeinschaftsordnung ist, ist geregelt, dass der Verwalter im Einvernehmen mit dem Verwaltungsbeirat eine geeignete Hausordnung aufzustellen und deren Einhaltung zu überwachen hat. Bisher ist allerdings für diese Gemeinschaft weder vom Verwalter noch von der Wohnungseigentümerversammlung eine Hausordnung beschlossen gewesen.

[3] Der Kläger brachte in die Eigentümerversammlung vom 11. April 2016 den Antrag ein, einen von ihm übersandten Entwurf einer Hausordnung durch Beschluss für verbindlich zu erklären.

[4] Dieser Antrag wurde auf den Tagesordnungspunkt 11 der genannten Versammlung gesetzt. Zu diesem Punkt wurde mehrheitlich das Folgende beschlossen:
„In der Hausordnung steht, dass die gesetzlichen Regelungen gelten.“

[5] Wegen der weiteren Einzelheiten dieser Eigentümerversammlung wird auf das Protokoll Bl. 5 bis 13 d. A. verwiesen.

[6] Gegen diesen Beschluss richtet sich die Klage des Klägers, die am 11. Mai 2016 bei Gericht einging und in der Klageschrift näher begründet wurde.

[7] Der Kläger ist der Auffassung, dass eine Hausordnung beschlossen werden müsse, in der die üblichen Regelungen zur Tierhaltung, Einhaltung von Ruhezeiten, Kellernutzung und Ähnlichem enthalten seien. Ein bloßer Verweis auf gesetzlich bereits geltende Regelungen widerspreche ordnungsmäßiger Verwaltung.

[8] Der Kläger beantragt, der Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung …straße, … Berlin zu Tagesordnungspunkt (TOP) 11 der Wohnungseigentümerversammlung vom 11. April 2016 wird für ungültig erklärt, hilfsweise für den Fall, dass der Beschluss nichtig ist, wird festgestellt, dass der Beschluss zu TOP 11 vom 11. April 2016 nichtig ist.

[9] Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

[10] Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

[11] Die Anfechtungsklage ist gemäß § 43 Nr. 4 WEG zulässig. Entgegen der Auffassung der Beklagten steht ihr auch ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite. Dies kann nämlich nicht mit der Erwägung verneint werden, die „gesetzlichen Regelungen“, auf die in dem angefochtenen Beschluss Bezug genommen werde, gälten auch dann, wenn der angefochtene Beschluss rechtskräftig für ungültig erklärt würde. Der Beschluss kann nämlich so verstanden werden, dass er den Anspruch des Klägers und eventuell anderer Eigentümer auf Aufstellung einer Hausordnung in dieser Gemeinschaft erfüllt und daher künftige Verpflichtungsbegehren in dieser Hinsicht schon deshalb scheitern müssten, weil es bereits eine bestandskräftig beschlossene Hausordnung gäbe. Unter diesem Gesichtspunkt bleibt die Rechtslage durch die Ungültigerklärung des angefochtenen Beschlusses auch nicht unverändert. Im Übrigen rügt der Kläger sowohl die Unbestimmtheit des angefochtenen Beschlusses als auch den Widerspruch zu den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung, den er darin erkennt, dass es sich inhaltlich nicht um eine Hausordnung handele.

[12] Die Klage wurde auch innerhalb der Fristen der §§ 46 Abs. 1 WEG in Verbindung mit § 167 ZPO erhoben und begründet. Sie ist auch inhaltlich begründet. Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass gemäß § 21 Abs. 4 WEG jeder Wohnungseigentümer eine Verwaltung verlangen kann, die den Vereinbarungen und Beschlüssen und dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht. Aus § 21 Abs. 5 Nr. 1 WEG folgt, dass die Aufstellung einer Hausordnung eine solche Maßnahme ist, die jeder Eigentümer verlangen kann. Ungeachtet des unbestritten weiten inhaltlichen Ermessens der Eigentümer bei der Gestaltung dieser Hausordnung, kann diese Fassung des Gesetzes nur zu dem Schluss zwingen, dass eine Hausordnung stets aufgestellt werden muss, wenn auch nur ein Eigentümer dies verlangt.

[13] Dieser Anspruch kann nicht dadurch erfüllt werden, dass, wie hier geschehen, lediglich beschlossen wird, dass die gesetzlichen Regelungen gelten. Unter einer Hausordnung ist im Wesentlichen nämlich eine Mehrzahl von Verhaltensvorschriften zu verstehen, mit denen der Schutz des Gebäudes, die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung und die Erhaltung des Hausfriedens sichergestellt werden sollen. Außerdem können Regelungen über den Gebrauch des Sondereigentums und des Gemeinschaftseigentums getroffen werden, soweit dies nach § 15 Abs. 2 WEG möglich ist (Bärmann/Merle, WEG, 13. Aufl., § 21 Rdnr. 78). Die beschlossene Hausordnung muss sich daher zumindest bemühen, Regelungen aufzustellen, die diesen Zwecken entsprechen und auf die Situation der jeweiligen Wohnanlage und ihre Bewohner abgestimmt sind. Die Hausordnung muss also die „goldene Regel“ des Wohnungseigentumsrechts in § 14 Nr. 1 WEG, nämlich dass jeder von den im Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen vom Gemeinschaftseigentum in solcher Weise Gebrauch zu machen hat, dass dadurch keinem der anderen Eigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst, mit konkreten Regelungen erfüllen. Der angefochtene Beschluss leistet in dieser Beziehung nichts.

[14] Wie bereits in der mündlichen Verhandlung geschehen, wird ergänzend darauf hingewiesen, dass die Eigentümermehrheit selbstverständlich nicht verpflichtet ist, deswegen den vom Kläger in die Eigentümerversammlung eingebrachten Entwurf der Hausordnung unverändert zu übernehmen. Auch die in der Gemeinschaftsordnung bestehende Verpflichtung des Verwalters, im Einvernehmen mit dem Beirat eine Hausordnung aufzustellen, lässt weder die Beschlusskompetenz der Gemeinschaft für die Aufstellung einer Hausordnung entfallen, noch deren Verpflichtung gemäß § 21 Abs. 4 WEG die Gemeinschaft ordnungsgemäß zu verwalten (vgl. Bärmann a. a. O. Rdnr. 80 mit Nachweisen zur Rechtsprechung).

[15] Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Der Anregung des Klägers, die Kosten gemäß § 49 Abs. 2 WEG der Verwalterin aufzuerlegen, konnte nicht gefolgt werden. Nach seinem eigenen Vortrag in der mündlichen Verhandlung geht die konkrete Formulierung des Beschlusses auf eine Initiative des Beirats bzw. anderer Eigentümer zurück. Die Verwalterin hatte seinen Beschlussantrag korrekt auf die Tagesordnung der Versammlung gesetzt. Ein grobes Verschulden der Verwalterin im Sinne des § 49 Abs. 2 WEG kann daher hier nicht festgestellt werden. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Quelle: http://www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de

Leitsätze, Format, Randnummern und Rechtschreibung: https://www.debier.de (debier-datenbank, RA Torsten Mahncke, Berlin)