Gesicht zeigen

Wer als Rechtsextremer am politischen Meinungskampf teilnimmt, muss mit abwertender Presseberichterstattung rechnen. Dadurch verursachte Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht können durch ein öffentliches Informationsinteresse gerechtfertigt sein. 

OLG Braunschweig,  Beschluss vom 18.10.2000  – 2 W 241-242/00  –  ” Gesicht zeigen”
Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 5 Abs. 1 GG
§§ 22, 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG

Leitsätze (tm.)

1. Zur Frage, ob eine Pressekampagne mit Bild- und Wortberichterstattung über Rechtsextremisten, die nach Art eines Steckbriefes aufgemacht ist, einen rechtwidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines davon Betroffenen darstellt.
2. Wer sich als Rechtsextremer fortlaufend öffentlich am politischen Meinungskampf beteiligt, muss grundsätzlich auch scharfe, nicht im Einzelnen begründete, auch abwertende Vorwürfe hinnehmen, insbesondere, wenn ein öffentliche Informationsinteresse besteht, weil aus dieser Szene heraus vielfach schwere Gewaltverbrechen verübt worden sind.

NJW 02 / 2001, 160:

Zum Sachverhalt

Die Bg. gibt “Die T” heraus. In deren Ausgabe vom 19./20.08.2000 sind auf der Titelseite Fotografien von 22 namentlich und mit ihrer politischen Tätigkeit bezeichneten Rechtsextremisten unter der Überschrift “Gesicht zeigen” abgedruckt. Darunter befindet sich auch der Bf. Der ihn betreffende Text lautet: “L, Aktivist des ,Blood & Honour-Netzwerks, Kameradschaftsführer und im CD-Handel aktiv”. Die Titelseite ist nach Art eines Steckbriefes aufgemacht. Hiergegen hat sich der Ast. unter Beantragung von Prozesskostenhilfe im Wege einstweiliger Verfügung mit folgenden Anträgen gewandt: “der Ag. im Wege einer einstweiligen Verfügung, zu untersagen, (I) (Hauptsacheanspruch) ein Portrait des Ast. mit der Bildunterschrift “L, Aktivist des Blood & Honour-Netzwerks, Kameradschaftsführer und im CD-Handel aktiv.” mit Portraitfotos anderer Personen auf der ersten Seite der von ihr herausgegebenen Zeitung und dem folgenden Text abzudrucken: “Die taz startet heute die Aktion Z. Z ist kein Bündnis, keine Kundgebung und kein Event. Z ist gegen das Wegsehen und für die Aktivierung der Zivilgesellschaft. Und für die Bereitschaft und den Mut zur Auseinandersetzung – nicht nur mit Auswüchsen, sondern mit den Ursachen jeder Art von Gewalt gegen und Diskriminierung von Minderheiten. Aus diesem Grunde zeigt die taz nicht bekannte Gesichter, die dagegen sind. Sondern die Gesichter, die man kennen muss, um reagieren zu können. Z will nicht, dass sie auch einen Baseballschläger in die Hand nehmen. Z ist eine Grundlage für eine Vernetzung.” (II) (Hilfsanspruch) hilfsweise, öffentlich oder durch Schriften zu behaupten, der Ast. sei Aktivist des Blood & Honou-Netzwerks.

Das LG hat eine einstweilige Verfügung nach Massgabe des Hilfsantrags erlassen und den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe im Übrigen zurückgewiesen. Gegen die einstweilige Verfügung hat sich die Bg. mit einem Widerspruch gewandt. Insoweit ist das Verfahren noch beim LG anhängig. Soweit seine Anträge zurückgewiesen worden sind, hat der Bf. hiergegen Beschwerde eingelegt. Diese hatten keinen Erfolg.

Aus den Gründen

Dem Bf. steht kein Verfügungsanspruch zu. Mangels Erfolgsaussicht hat ihm das LG daher auch zu Recht keine Prozesskostenhilfe hierfür bewilligt. Jedenfalls die mit dem Hauptantrag angegriffene Presseäusserung ist durch die Meinungs- und Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 und Abs. 2 GG) gedeckt. Hierbei hat sich der Senat mit dem Hauptantrag insoweit nicht zu befassen, als dem Bf. vorgeworfen wird, Aktivist des ?Blood & HonourŒ-Netzwerks zu sein. Denn insoweit hat das LG die einstweilige Verfügung erlassen.

I. 
Die angegriffene Veröffentlichung greift allerdings in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Bf., auch in dessen Ausprägung im Recht am eigenen Bild (§§ 22 ff. KUG), ein.

1. An der für die Veröffentlichung seines Bildes grundsätzlich erforderlichen Einwilligung (§ 22 KUG) fehlt es. Zu Gunsten der Bg. wirkt aber § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG, wonach Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte veröffentlicht werden können. Hierunter werden Ereignisse verstanden, die aus irgendeinem Grund in das Blickfeld der Öffentlichkeit geraten sind. Dies setzt bei Personen voraus, dass sie bewusst in die Zeitgeschichte eingetreten sind, gegebenenfalls auch durch negativ zu bewertende Verhaltensweisen. Stets erfordert die Befugnis zur Veröffentlichung der Abbildung aber eine Interessenabwägung, in die das Informationsinteresse der Allgemeinheit und das Rücksichtnahmegebot auf den Abgebildeten einzufliessen haben (Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 4. Aufl., Rdnrn. 8.3, 8.4, 8.8, 8.9, 8.12; Soehring/Seelmann-Eggebert, NJW 2000, 2466 [2473]). Die Veröffentlichungsbefugnis geht bei so genannten absoluten Personen der Zeitgeschichte weiter als bei relativen Personen der Zeitgeschichte. Unter letzteren sind solche Personen zu verstehen, die lediglich in Bezug auf ein bestimmtes Geschehen in das Blickfeld der Öffentlichkeit treten und allein insoweit ein sachentsprechendes Informationsinteresse erwecken, während bei ersteren an allen Vorgängen, die ihre Teilnahme am öffentlichen Leben ausmachen, ein Informationsinteresse gegeben ist (Wenzel, Rdnr. 8.4). Diese Begriffe haben aber nur Orientierungscharakter, denn entscheidend ist stets eine Interessen- und Güterabwägung (BVerfG, NJW 2000, 1021 [1025] = GRUR 2000, 446 – Caroline v. Monaco).

2. Auch unabhängig von der Bildveröffentlichung ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Bf. berührt. Es umfasst auch den Schutz vor Äusserungen, die geeignet sind, sich abträglich auf sein Bild in der Öffentlichkeit auszuwirken (BVerfG, NJW 1999, 1322 [1323] – Helnwein). Die Bezeichnung des Bf. als Akteur der rechtsradikalen Szene, die steckbriefartige Aufmachung der Titelseite der “taz” und der Umstand, dass auch der Bf. textlich mit den Ursachen von Gewalt in Verbindung gebracht wird, sind geeignet, sein Ansehen bei der Leserschaft herabzuwürdigen.

Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Aufmachung und Gestaltung der Titelseite für gewaltbereite Leser des linken politischen Lagers Anlass sein kann, die abgebildeten Personen direkt und möglicherweise auch körperlich anzugehen. Allerdings kann dem Bf. nicht darin gefolgt werden, dass der Artikel hierzu unmittelbar aufruft. Denn wenn es darin heisst: “Z will nicht, dass Sie auch einen Baseballschläger in die Hand nehmen”, wird damit gerade nicht zum Ausdruck gebracht, zu körperlicher Gewalt aufrufen zu wollen. Im Gegenteil: Die Aktion Z soll und will ausdrücklich zur

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Zivilcourage motivieren, also zur bürgerlichen Auseinandersetzung mit politischen Extremisten. Zur Gewalt ruft die Aktion gerade nicht auf. Deshalb kann der Bg. auch nicht unterstellt werden, derartiges zu beabsichtigen, zumal selbst bei mehreren möglichen Deutungen des Inhalts einer Äusserung der rechtlichen Beurteilung diejenige zu Grunde zu legen ist, die dem auf Unterlassung in Anspruch genommenen günstiger ist und den Betroffenen weniger beeinträchtigt (BVerfG, NJW 1998, 3047 [3048] – Stolpe).

II. 
Ob rechtswidrige Eingriffe gegeben sind, hängt von einer Güter- und Interessenbewertung ab, die im Spannungsfeld des den Bf. schützenden Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit 1 Abs. 1 GG und der zu Gunsten der Bg. streitenden Grundrechte der Meinungs- und Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 u. S. 2 GG) vorzunehmen ist. Das Grundrecht der Pressefreiheit ist neben dem der Meinungsfreiheit einschlägig, weil dadurch grundsätzlich auch die Entscheidung geschützt ist, ob und wie ein Presseerzeugnis bebildert wird, und zwar einschliesslich der Abbildung von Personen (BVerfG, NJW 2000, 1021 [1024] – Caroline v. Monaco). In die Gesamtabwägung sind die berührten Rechtspositionen als solche und sämtliche Einzelfallumstände einzustellen (BVerfGE 35, 202 = NJW 1973, 1226 – Soldatenmord von Lebach; NJW 1998, 3047 [3048] – Stolpe; NJW 1999, 1322 [1323 f.] – Helnwein). Hierzu führt der Senat aus:

1. Im Rahmen des Beschwerdegegenstands geht es ausschliesslich um wahre Aussagen und um Werturteile der Bg., jeweils im Zusammenwirkung mit der für die fotografische Abbildung des Bf. gewählten Form. Denn dass der Bf. der rechtsradikalen Szene angehört, Kameradschaftsführer und im CD-Handel aktiv ist, ist nicht bestritten, jedenfalls aber von der Bg. glaubhaft gemacht. Bei Werturteilen geht der Persönlichkeitsschutz regelmässig der Meinungsfreiheit vor, wenn sich die Äusserung als Angriff auf die Menschenwürde, als Schmähkritik oder als Formalbeleidigung darstellt. Bei wahren Aussagen können ausnahmsweise Persönlichkeitsbelange überwiegen, wenn die Aussagen die Intim-, Privat- oder Vertraulichkeitssphäre betreffen und sich nicht durch ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit rechtfertigen lassen (BVerfG, NJW 1999, 1322 [1324] – Helnwein). Von letzterem kann hier nicht die Rede sein, denn sowohl die Text- als auch die Bildveröffentlichung nimmt nur Bezug auf das teilweise öffentliche Auftreten des Bf. im politischen Kontext. Es stellt sich deshalb im Wesentlichen nur die Frage, ob die Zeitungsveröffentlichung sich als Angriff auf die Menschenwürde und als Schmähkritik durch Anprangerungswirkung darstellt.

2. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Bg. den Bf. in eine Art Steckbrief eingestellt hat und sich die sachliche Auseinandersetzung mit seinem politischen Wirken auf wenige Worte beschränkt. Die damit zweifellos einhergehende Prangerwirkung wird dadurch verstärkt, dass der Abdruck auf der Titelseite einer überregionalen Tageszeitung mit nicht ganz geringer Auflage erfolgt ist.

Dies für sich genommen führt indessen noch nicht aus dem Grundrecht der Meinungs- und Pressefreiheit heraus. Denn grundsätzlich ist auch die Form, in der eine bestimmte Meinung geäussert wird, durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit geschützt (BVerfG, NJW 2000, 2413 [2415] – MfS). Das gilt entsprechend auch für die Pressefreiheit (BVerfG, NJW 2000, 1021 [1024] – Caroline von Monaco). Der Betroffene muss es aber grundsätzlich nicht hinnehmen, wenn sich die Auseinandersetzung mit ihm in persönlicher Herabsetzung erschöpft und er gleichsam jenseits selbst polemischer und überspitzter Kritik persönlich an den Pranger gestellt wird (BVerfG, NJW 1991, 95 [96] – Zwangsdemokrat; NJW 1995, 3303 [3305] – Soldaten sind Mörder; NJW 2000, 1036 [1038] – Strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen Behördenbedienstete). Eine derartige Anprangerung muss nicht hingenommen werden, wenn nicht mehr die aktuelle Berichterstattung über diejenigen Themen im Mittelpunkt steht, die das öffentliche Interesse an dem Betroffenen geweckt haben, weil jenseits der Aktualität dem Schutz seiner Persönlichkeit jedenfalls der Vorrang zukommt (BVerfGE 35, 202 = NJW 1973, 1226 – Soldatenmord von Lebach). Im Rahmen aktueller Berichterstattung freilich kann – abhängig von den Umständen des Einzelfalls – auch eine Prangerwirkung hinzunehmen sein (BVerfG, NJW 1999, 2358 [2359] – Alle reden vom Klima; NJW 2000, 2413 [2415] – MfS). Solche Umstände sind hier gegeben:

(a) Der Bf. stellt sich mit seinem politischen Wirken fortdauernd selbst in das Licht der Öffentlichkeit und muss daher auch hinnehmen, dass man sich mit seiner Person wiederholt öffentlich auseinandersetzt (s. dazu BVerfG, NJW 2000, 1021 [1025] – Caroline v. Monaco). Zwar macht der Bf. geltend, seit dem Verbot der FAP im Jahre 1993, deren niedersächsischer Landesvorsitzender er war, keine Persönlichkeit des organisierten Rechtsextremismus mehr zu sein. Vielmehr bemühe er sich seit mehr als fünf Jahren mehr oder weniger erfolgreich, ein normales bürgerliches Leben zu führen. Indessen hat die Bg. Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht, die dies widerlegen: So ist über den Bf. auch in den letzten Jahren mehrfach in überregionalen Zeitungen im Zusammenhang mit seinen Aktivitäten betreffend den Vertrieb volksverhetzender Musik berichtet worden, teilweise auch unter Abdruck von Fotogafien des Bf. Er wird im Verfassungsschutzbericht Niedersachsen 1999 mehrfach erwähnt, wobei ihm eine Scharnierfunktion bei den Kontakten zwischen Skinheads und Neonazis zugewiesen wird. Er führt die so genannte Kameradschaft Northeim und ist in dieser Funktion mehrfach bei Aufmärschen hervorgetreten. Gleiches gilt für die Teilnahme an einer rechtsextremistischen Aktion in Budapest im Februar des vergangenen Jahres, die der Huldigung der Waffen SS diente.

Wer sich in dieser Weise öffentlich am politischen Meinungskampf beteiligt, muss grundsätzlich auch scharfe, nicht im Einzelnen begründete, auch abwertende Vorwürfe hinnehmen (BGHZ 45, 296 [308] = NJW 1966, 1617 = LM § 823 [Ai] BGB Nr. 42 – Höllenfeuer). Hierbei besteht auch ein Interesse an der öffentlichen Auseinandersetzung mit seiner Person, das die Bg. aufgegriffen hat. Denn Personalisierung bildet ein wichtiges publizistisches Mittel zur Erregung von Aufmerksamkeit. Sie weckt vielfach erst das Interesse an Problemen und begründet den Wunsch nach Sachinformationen. Auch Anteilnahme an Ereignissen und Zuständen wird meist durch Personalisierung vermittelt. Die Auseinandersetzung mit Leitfiguren erfüllt solchermassen auch eine Kontrastfunktion. Für Personen des politischen Lebens ist ein derartiges Interesse des Publikums unter dem Gesichtspunkt demokratischer Transparenz und Kontrolle stets als legitim anerkannt worden (BVerfG, NJW 2000, 1021 [1024] – Caroline v. Monaco). Gerade auch dem Umstand, dass sich der Bf. öffentlich über die Öffentlichkeit wesentlich berührende Fragen politischer Art geäussert hat, kommt hierbei wesentliche Wirkung für das Interesse an seiner Person zu (BVerfG, NJW 2000, 2413 [2415] – MfS). Anders als bei MfS-Mitarbeitern, die meist im Verborgenen gewirkt haben, kann nur von einer von vornherein geringeren Stigmatisierungswirkung der angegriffenen Veröffentlichung ausgegangen werden, weil sich der Bf. zuvor mit den Umständen, die Anlass hierfür gegeben haben, schon selbst ins Licht der Öffentlichkeit gestellt hatte und er im Zusammenhang damit auch bereits mehrfach in der Presse abgebildet war (s. dazu auch BGH, NJW 1999, 2893 [2894] = GRUR 1999, 1034 – Ernst August von Hannover).

b) Vorliegend kommt zu Gunsten der Bf. Folgendes hinzu: Gerade in den vergangenen Monaten ist das Interesse der Öffentlichkeit an Information über und Auseinandersetzung mit Straftaten aus dem rechtsextremen Bereich, möglichen Hintermännern, Ideologen und geistigen Hintergründen erheblich gestiegen. Denn aus dieser Szene heraus sind vielfach

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schwere Gewaltverbrechen verübt worden, nicht zuletzt vor dem Hintergrund, Minderheiten nicht nur ausgrenzen, sondern auch physisch beschädigen oder vernichten zu wollen. Dieses Informationsinteresse zu befriedigen, ist der angegriffene Artikel im Wesentlichen bemüht. Gleichzeitig geht damit der Aufruf zu mehr Zivilcourage und Schulterschluss in der Bevölkerung einher, um jenen radikalen Bestrebungen eine einheitliche Abwehrfront gegenüber zu stellen. Dies ist mit Blick auf die der Presse- und Meinungsfreiheit nicht zu beanstanden. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass sich die textile Auseinandersetzung mit den abgebildeten Personen und ihren Bestrebungen auf der Titelseite der =taz” in Grenzen hält. Denn für welche Geisteshaltung die dort abgebildeten Personen stehen, ist hinreichend dargelegt; welche Art von Gewalttaten mit welchen Wirkungen aus der rechtsradikalen Szene vor diesem Hintergrund verübt worden sind, ist hinlänglich bekannt, so dass es einer eingehenden Auseinandersetzung damit nicht erneut bedurfte. Was schliesslich die steckbriefartige Aufmachung und die damit verbundene Anprangerungswirkung angeht, muss eine weitere Besonderheit politisch radikaler Lager, insbesondere auch der rechten Szene berücksichtigt werden: Parteien und Gruppierungen, die politische Willensbildung und Entscheidungen auf dem vom Grundgesetz vorgegebenen parlamentarischen Weg verfolgen und weniger durch Aktion denn durch Diskurs agieren, treten in der Öffentlichkeit vornehmlich durch ihre Repräsentanten in Erscheinung. Dem gegenüber wirkt die rechtsradikale Szene in erster Linie durch Taten ihrer Basis, während führende Persönlichkeiten derselben weniger im Lichte der Öffentlichkeit stehen und mehr im Hintergrund bleiben. Gleichwohl und gerade auch deswegen besteht ein erhebliches öffentliches Interesse an der Auseinandersetzung auch mit Anführern und Hintermännern der Rechtsradikalen. Hierauf reagiert die angegriffene Aufmachung der Titelseite der Bg., indem sie in hervorgehobener Weise solche Persönlichkeiten in das Licht der Öffentlichkeit stellt.

Dies ist im Grundsatz ebenso wenig zu beanstanden wie die Veröffentlichung der Fotografie des Bf. und des ihn betreffenden Textes. Denn wie bereits oben ausgeführt, hat die Bf. hinreichende Tatsachen dafür dargelegt und glaubhaft gemacht, dass sich der Bf. noch immer als führender Kopf in der rechtsradikalen Szene betätigt, wenngleich auch nicht mehr in offizieller Funktion wie noch als Landesvorsitzender der verbotenen FAP. Erschwerend kommt hinzu, dass der Bf. Tonaufnahmen rechtsradikaler Musikgruppen vertreibt, die in widerwärtiger Weise Minderheiten gegenüber offen zur Gewalt aufrufen, wie dies durch den Text des Machwerkes “Blut muss fliessen” unterlegt ist. Wer in dieser Weise dazu beiträgt, gleichsam nahtlos an die schlimmsten Kapitel nationalsozialistischer Gewaltherrschaft anzuknüpfen, wird hinzunehmen haben, dass er sich auch öffentlich steckbriefartig in eine Art Verbrecheralbum einstellen lassen muss, so wie es die Bg. getan hat. Dass sich der Bf. selbst offenbar in dieser unseligen Tradition sieht, kommt unter anderem darin zum Ausdruck, dass er das Cover von ihm vertriebener Musikaufnahmen mit den Grussbuchstaben “SS” statt der an sich gebotenen Kleinschreibung versieht. Hiermit hofiert er offen die so genannten Schutzstaffeln (SS) des Naziregimes. Alles in allem muss die auf ihn bezogene Anprangerungswirkung deshalb im Licht der Meinungs- und Pressefreiheit völlig anders bewertet werden als die vom OLG Jena in seiner Entscheidung vom 16.08.2000 – 3 W 486/00, beanstandete Anprangerung eines Gewerkschafters, dessen Bild Rechtsradikale ins Internet eingestellt hatten, um ihn solchermassen als politischen Gegner zu individualisieren und – verdeckt – der Verfolgung durch seine politischen Gegner preiszugeben.

Quelle: NJW 02 / 2001, 160 ff.

Leitsätze, Format und Rechtschreibung: http://www.debier.de (debier-datenbank, RA Torsten Mahncke, Berlin)