Designschutz

Zum Umfang des Designschutzes für einen Holzhocker. Die Anmeldung eines Designs begründet Schutz nur für ein einziges Design, und zwar auch dann, wenn es unterschiedliche Darstellungen der Erscheinungs- bzw. Ausführungsformen eines Erzeugnisses enthält. In diesem Fall ist der Schutzgegenstand durch Auslegung zu ermitteln.

OLG Düsseldorf,  Urteil vom 06.10.2015  – I-20 U 213/14 –
§§ 37 Abs. 1, 38 Abs. 2, 42 ff. DesignG

Leitsätze (tm.)

1. Zum Umfang des Designschutzes für einen Holzhocker.
2. Die Anmeldung eines Designs begründet Schutz nur für ein einziges Design, und zwar auch dann, wenn es unterschiedliche Darstellungen der Erscheinungs- bzw. Ausführungsformen eines Erzeugnisses enthält. In diesem Fall ist der Schutzgegenstand durch Auslegung zu ermitteln.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 13. November 2014 verkündete Urteil der 14c. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert und wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Der Klägerin bleibt nachgelassen, eine Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des beitreibbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor Beginn der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages leisten.

Gründe

[1] A. Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird gemäss § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

[2] Durch dieses hat das Landgericht die Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel verurteilt, es zu unterlassen, die im Tenor des angefochtenen Urteils abgebildete Hocker oder Beistelltische im geschäftlichen Verkehr anzubieten, in Verkehr zu bringen und/oder einzuführen sowie der Klägerin Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen. Ferner hat es die Beklagten zur Vernichtung verurteilt, ihre Schadensersatzpflicht festgestellt und sie zur Zahlung vorgerichtlicher Kosten in Höhe von 4.102,00 EUR nebst Zinsen verurteilt.

[3] Das Landgericht hat angenommen, der von der Beklagten zu 1), deren persönlich haftende Gesellschafterin die Beklagte zu 2) ist, deren Geschäftsführer wiederum der Beklagte zu 3) ist, unter der Bezeichnung „X.“ vertriebene Hocker verletze das deutsche Geschmacksmuster M … des Geschäftsführers der Klägerin. Das Klagedesign ist mit 2 Darstellungen wie folgt eingetragen:

olgdüsseldorf-0020U-2014-00213-0

olgdüsseldorf-0020U-2014-00213-1

[4] Die Klägerin sei auch als ausschliessliche Lizenznehmerin aktiv legitimiert. Das Klagedesign sei auch rechtsbeständig, denn es zeige nicht mehrere Schutzgegenstände. Ihm komme ein weiter Schutzbereich zu, in den das nachstehend abgebildete, angegriffene Erzeugnis falle:

olgdüsseldorf-0020U-2014-00213-2

olgdüsseldorf-0020U-2014-00213-3

[5] Dagegen wenden sich die Beklagten mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründeten Berufung. Sie machen geltend, das Landgericht habe den Inhalt des Klagedesigns fehlerhaft bestimmt, weil nur die aus der Zeichnung und dem Lichtbild übereinstimmend ersichtlichen Merkmale den Schutzgegenstand bezeichneten. Sodann habe die Kammer den Gesamteindruck des Klagedesigns und des angegriffenen Erzeugnisses fehlerhaft bestimmt und daher zu Unrecht eine Verletzung bejaht.

[6] Die Beklagten beantragen, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

[7] Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

[8] Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Sachvortrages.

[9] Hinsichtlich aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

[10] B. Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg, denn das angegriffene Erzeugnis fällt nicht in den Schutzbereich des Klagedesigns, weshalb die Frage von dessen Rechtsbeständigkeit (vgl. § 34b DesignG) ebenso dahin stehen kann wie die im Hinblick auf die Entscheidung „Videospiel-Konsolen II“ des Bundesgerichtshofs (GRUR 2015, 672, Rn. 77-84) zweifelhafte Passivlegitimation der Beklagten zu 2) und 3).

[11] Entgegen der Ansicht der Beklagten hat das Landgericht jedoch den Schutzgegenstand des Klagedesigns zutreffend ermittelt. Auch ist es zu Recht von einem weiten Schutzbereich ausgegangen. Nicht zutreffend ist indes die Folgerung des Landgerichts, das angegriffene Erzeugnis erwecke beim informierten Benutzer den gleichen Gesamteindruck wie das Klagedesign.

[12] Das Landgericht hat angenommen, das Klagedesign werde im Wesentlichen durch folgende Gestaltungsmerkmale gekennzeichnet:

a) Massivholzmöbel,

b) aus dem Kernholz eines Baumes mit Trocknungsrissen,

c) mit einem etwa quaderförmigen Umriss,

d) mit vier Beinen, die an ihrer Oberseite eine Sitz- oder Stellfläche bilden und an zwei äusseren benachbarten Seiten nach unten jeweils senkrecht zulaufen und an zwei inneren benachbarten Seiten jeweils nach unten hin abgeschrägt sind,

e) wobei die abgeschrägten Flächen von jeweils zwei benachbarten Beinen vom Boden aus gesehen oberhalb der halben Höhe des Möbels aufeinander treffen, so dass sich von allen Seiten eine spitzwinklige Ausnehmung in Form eines umgedrehten „V“ zwischen den Beinen ergibt,

f) wobei die sich gegenüberliegenden spitzen Winkel der V-förmigen Ausnehmung jeweils durch eine über die oberen Seiten und die Sitzfläche verlaufende, gerade Fuge verbunden sind, die die Sitzfläche in vier Quadrate teilt,

g) wobei die Sitzfläche eine leichte Mulde aufweist.

[13] Das ist zutreffend. Nach § 37 Abs. 1 DesignG wird Schutz für diejenigen Merkmale eines eingetragenen Designs begründet, die aus der Anmeldung ersichtlich sind. Die Anmeldung eines Designs begründet indes nur Schutz für ein einziges Design, und zwar auch dann, wenn es unterschiedliche Darstellungen der Erscheinungsform eines Erzeugnisses oder eines Teiles davon enthält (BGH GRUR 2012, 1139 Rn. 17 – Weinkaraffe). Enthält die Anmeldung eines Designs eine Wiedergabe mit mehreren Darstellungen, bilden diese Darstellungen auch dann nur einen einzigen Schutzgegenstand, wenn sie verschiedene Ausführungsformen des Musters zeigen; Abweichungen in der Darstellung führen nicht zu einer Vermehrung der Schutzgegenstände (BGH GRUR 2001, 503, 505 – Sitz-Liegemöbel; BGH GRUR 2012, 1139 Rn. 19 – Weinkaraffe). In diesem Fall ist der Schutzgegenstand durch Auslegung zu ermitteln (Eichmann in Eichmann/v. Falckenstein/Kühne, DesignG, 5. Aufl., § 37 Rn. 11; vgl. auch Brückner-Hofmann in Hasselblatt (ed.), Community Design Regulation, Art. 6 CDR m n. 57 et seqq.). Diese kann ergeben, dass Schutzgegenstand gleichsam nur die Schnittmenge der Abbildungen ist (so im Falle Sitz-Liegemöbel), sie kann aber auch ergeben, dass in einer weiteren Abbildung nur einzelne Bestandteile eines Gesamterzeugnisses dargestellt werden (so im Fall Weinkaraffe). Schliesslich kann der informierte Benutzer auch eine verschiedenartige Darstellung des selben Schutzgegenstandes erkennen (vgl. Eichmann a.a.O.).

[14] So ist es hier: Ausgehend davon, dass beide Abbildungen den selben Gegenstand zeigen, wird der informierte Benutzer erkennen, dass die der Geschmacksmuster-/Designanmeldung beigegebene Zeichnung die Besonderheiten des Designs hervorheben soll, die nicht ohne Weiteres aus dem Lichtbild zu ersehen sind. Gerade weil er weiss, dass beide Abbildungen denselben Gegenstand zeigen, wird er in diesem Falle nicht – wie bei der Abbildung verschiedener Erzeugnisse – nur eine Schnittmenge der Merkmale den Abbildungen als Schutzgegenstand entnehmen. Andernfalls würde der Schutzgegenstand auch hier erweitert, weil er dann z.B. auch Erzeugnisse aus anderen Materialien als Holz umfassen würde. Aus diesem Grunde ist die von der Kammer vorgenommene Merkmalsbeschreibung zutreffend. Hinzuweisen ist noch darauf, dass der Senat hinsichtlich des Merkmals g) (Sitzmulde) entgegen der Wahrnehmung der Beklagten Abweichungen zwischen Zeichnung und Lichtbild nicht zu erkennen vermag: Die Mulde ist in beiden Darstellungen klar erkennbar.

[15] Nach § 38 Abs. 2 DesignG erstreckt sich der Schutz eines Designs auf jedes Design, das beim informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck erweckt. Bei der Beurteilung des Schutzumfangs des Klagedesigns ist der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung seines Designs zu berücksichtigen (§ 38 Abs. 2 S. 2 DesignG). Zwischen dem Gestaltungsspielraum des Entwerfers und dem Schutzumfang des Designs besteht eine Wechselwirkung. Eine hohe Musterdichte und ein kleiner Gestaltungsspielraum des Entwerfers können zu einem engen Schutzumfang des Musters mit der Folge führen, dass bereits geringe Gestaltungsunterschiede beim informierten Benutzer einen anderen Gesamteindruck hervorrufen, während umgekehrt eine geringe Musterdichte und damit ein grosser Gestaltungsspielraum des Entwerfers einen weiten Schutzumfang des Designs zur Folge haben können, so dass selbst grössere Gestaltungsunterschiede beim informierten Benutzer möglicherweise keinen anderen Gesamteindruck erwecken (vgl. BGH GRUR 2011, 142 Rn. 17 – Untersetzer; BGH GRUR 2013, 285 Rn. 31 – Kinderwagen II).

[16] Der Schutzumfang des Klagedesigns wird auch durch seinen Abstand zum vorbekannten Formenschatz bestimmt. Je grösser der Abstand des Klagedesigns zum vorbekannten Formenschatz ist, desto grösser ist der Schutzumfang des Klagedesigns zu bemessen. Der bereits vor der Umsetzung der Richtlinie 98/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1998 über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen (ABl. Nr. L 289 vom 28. Oktober 1998, S. 28) durch das Geschmacksmusterreformgesetz anerkannte Grundsatz, dass der Schutzumfang eines Geschmacksmusters von dessen Abstand zum vorbekannten Formenschatz abhängt, gilt daher nach wie vor und ist auch für die Bestimmung des Schutzumfangs eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters nach Art. 10 Abs. 2 GGV massgeblich (vgl. BGH, GRUR 2011, 142 Rn. 17 – Untersetzer; BGH GRUR 2013, 285 Rn. 32 – Kinderwagen II; EuG GRUR Int. 2010, 602 Rn. 72 – PepsiCo/Grupo Promer). Für die Bemessung des Schutzumfangs des Klagedesigns in diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, inwieweit der Entwerfer den ihm zur Verfügung stehenden Gestaltungsspielraum auch genutzt hat. Der Schutzumfang des Klagedesigns wird daher durch die Musterdichte einerseits und die Ausnutzung des Gestaltungsspielraums durch den Entwerfer und den dadurch erreichten Abstand vom Formenschatz andererseits bestimmt (BGH GRUR 2013, 285 Rn. 32 – Kinderwagen II).

[17] Gemessen an diesen Voraussetzungen ist das Landgericht auch zu Recht von einem weiten Schutzumfang ausgegangen. Auf die Gründe der landgerichtlichen Entscheidung wird insoweit Bezug genommen. Dem vorbekannten Formenschatz ist kein Design zu entnehmen, das im Gesamteindruck dem Klagedesign nahe kommt.

[18] Gleichwohl verletzt das angegriffene Erzeugnis das Klagedesign nicht, weil es beim informierten Benutzer einen anderen Gesamteindruck erweckt. Durch die oben aufgeführten Merkmale erweckt das Klagedesign die Anmutung eines Backenzahns mit einem massiven – aus vier Teilen zusammengesetzten – Korpus und daraus abgehenden vier „Wurzeln“, wobei durch die gut sichtbaren durchgehenden Fugen im oberen Bereich die vierteilige Gestaltung, d.h. die Zusammensetzung aus vier massiven Teilen, deutlich hervorgehoben wird.

[19] Dem gegenüber erweckt das angegriffene Erzeugnis den Eindruck einer nach unten offenen Kiste mit jeweils dreieckigen Aussparungen im unteren Bereich der dem Boden zugewandten Seite. Ihm fehlt die massive, kraftvolle Anmutung des Klagedesigns ebenso wie die dieses prägende Vierteiligkeit. Dieser unterschiedliche Gesamteindruck liegt letztlich darin begründet, dass das angegriffene Erzeugnis letztlich keines der das Klagedesign prägenden Merkmale übernimmt, mit Ausnahme des quaderförmigen Umrisses. Es handelt sich ersichtlich nicht um ein Massivholzmöbel (Merkmal a)), das aus dem Kernholz eines Baumes mit Trocknungsrissen hergestellt wurde (b)). Entscheidend ist aber vor allem, dass dem Erzeugnis der Beklagten die sich aus der Kombination der Merkmale d), e) und f) folgende Vierteiligkeit fehlt. Schliesslich fehlt auch das Merkmal g) (Mulde) bei dem Erzeugnis der Beklagten völlig. Auch unter Zugrundelegung eines weiten Schutzbereichs muss daher davon ausgegangen werden, dass das angegriffene Erzeugnis beim informierten Benutzer einen anderen Gesamteindruck erweckt als das Klagedesign.

[20] Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

[21] Es besteht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen. Die hierfür in § 543 Abs. 2 ZPO niedergelegten Voraussetzungen sind nicht gegeben. Die relevanten Rechtsfragen sind durch die zitierten höchstrichterlichen Entscheidungen beantwortet. Als reine Einzelfallentscheidung hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine revisionsgerichtliche Entscheidung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

[22] Streitwert: 100.000,00 € (entsprechend der von den Parteien nicht angegriffenen erstinstanzlichen Festsetzung)

Quelle: http://www.justiz.nrw.de/RB/nrwe2/index.php (Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, Justizkommunikation, 40212 Düsseldorf)

Leitsätze, Format, Randnummern und Rechtschreibung: http://www.debier.de (debier-datenbank, RA Torsten Mahncke, Berlin)