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db-nummer: eugh-0000C-2010-00135

EuGH, Urteil vom 15.03.2012 - C-135/10 -

Tenor (amtl)

1. Die Bestimmungen des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums, das Anhang 1 C zum Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO), unterzeichnet in Marrakesch am 15. April 1994 und genehmigt durch den Beschluss 94/800/EG vom 22. Dezember 1994 über den Abschluss der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986"1994) im Namen der Europäischen Gemeinschaft in Bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche, bildet, und des Vertrags der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) über Darbietungen und Tonträger vom 20. Dezember 1996 sind in der Unionsrechtsordnung unmittelbar anwendbar.
Das internationale Abkommen von Rom vom 26. Oktober 1961 über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen ist nicht Teil der Unionsrechtsordnung und daher in der Union nicht anwendbar, entfaltet dort jedoch mittelbare Wirkungen. Einzelpersonen können sich weder auf dieses Abkommen noch auf dieses Übereinkommen noch auf diesen Vertrag unmittelbar berufen.
Der Begriff "öffentliche Wiedergabe" in den Richtlinien 92/100/EWG des Rates vom 19. November 1992 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums und 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ist im Licht der gleichen Begriffe im Abkommen, dem Übereinkommen und dem Vertrag und so auszulegen, dass er mit diesen vereinbar bleibt, wobei auch der Kontext dieser Begriffe und die Zielsetzung der einschlägigen Bestimmungen der Übereinkünfte im Bereich des geistigen Eigentums zu berücksichtigen sind.
2. Der Begriff der "öffentlichen Wiedergabe" im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100 ist dahin auszulegen, dass er nicht die kostenlose Wiedergabe von Tonträgern in einer Zahnarztpraxis wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden im Rahmen der Ausübung eines freien Berufs für die Patienten, die unabhängig von ihrem Willen in den Genuss dieser Wiedergabe kommen, betrifft. Infolgedessen begründet eine solche Wiedergabe für die Tonträgerhersteller keinen Anspruch auf Vergütung.