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db-nummer: bgh-001ZR-2002-00285

BGH, Urteil vom 19.05.2005 - I ZR 285/02 - "Der Zauberberg" (OLG München)
§§ 2 Abs. 1 Nr. 4, Nr. 6, 16, 17, 31 Abs. 4, Abs. 5, 89 Abs. 1, 97 UrhG

Leitsätze (tm.)

1. Die Filmverwertung auf DVD stellt gegenüber derjenigen auf Videokassetten keine neue Nutzungsart dar.
2. Eine neue Nutzungsart i.S. des § 31 Abs. 4 UrhG ist eine technisch und wirtschaftlich eigenständige Verwendungsform eines Werkes (im Anschluss an BGHZ 128, 336, 341 = NJW 1995, 1496 = GRUR 1995, 212 - Videozweitauswertung III, und BGHZ 133, 281, 287 f. = NJW 1997, 320 = GRUR 1997, 215 - Klimbim).
3. Eine wirtschaftlich eigenständige Verwendungsform ist dann anzunehmen, wenn mit Hilfe einer neuen Technik ein neuer Absatzmarkt erschlossen wird. Dies ist nicht der Fall, wenn durch die neue Verwendungsform die zuvor Gebräuchliche lediglich ersetzt wird. Technische Neuerungen, die zwar eine neue Verwendungsform des Werkes ermöglichen nicht aber eine wirtschaftlich eigenständige Vermarktungsmöglichkeit erschliessen, sind daher keine neue Nutzungsart.
4. Gegenüber der allgemeinen Auslegungsregel des § 31 Abs. 5 UrhG kommt der speziellen, auf die umfassende Rechteeinräumung am Filmwerk zu Gunsten des Filmherstellers abzielende Auslegungsregel des § 89 Abs. 1 UrhG grundsätzlich der Vorrang zu.

NJW 46 / 2005, 3354:

Aus dem Tatbestand

Der Kl. ist Szenenbildner und Filmarchitekt. Er schuf 1981 zusammen mit seiner Ehefrau das gesamte Szenenbild und die Filmarchitektur des Spielfilms "Der Zauberberg", wofür er 1982 mit dem Bundesfilmpreis, dem "Filmband in Gold", ausgezeichnet wurde. Aus eigenem und abgetretenem Recht seiner Ehefrau nimmt er die Bekl., die diesen Film zusammen mit einer ursprünglich für das Fernsehen produzierten Dokumentation "100 Tage auf dem Zauberberg" auf DVD vertreibt, auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz in Anspruch. Der Kl. schloss 1980 mit dem Produzenten, dem Rechtsvorgänger der Streithelferin, einen "Anstellungsvertrag für Filmschaffende", nach dem ihm bis zur Beendigung der Tätigkeit als Architekt des Films "Der Zauberberg" ein Betrag von 2.000,- DM pro Woche gezahlt werden sollte. In dem Vertrag wurde ergänzend auf den Tarifvertrag für Film- und Fernsehschaffende vom 1.4.1979 Bezug genommen. Dort heisst es in Nr. 3.1: "Der Filmschaffende räumt mit Ab-schluss des Vertrags alle ihm etwa durch das vertragliche Beschäftigungsverhältnis erwachsenden Nutzungs- und Verwertungsrechte an Urheber- und verwandten Schutzrechten dem Filmhersteller für die Herstellung und Verwertung des Films ausschliesslich und ohne inhaltliche, zeitliche oder räumliche Beschränkung ein. Die Einräumung umfassti a) den Film als Ganzes, seine einzelnen Teile (mit und ohne Ton), auch wenn sie nicht miteinander verbunden sind, die zum Film gehörigen Fotos sowie die für den Film benutzten und abgenommenen Zeichnungen, Entwürfe, Skizzen, Bauten und dergleichen, b) die Nutzung und Verwertung des Films durch den Filmhersteller in unveränderter oder geänderter Gestalt, gleichviel mit welchen technischen Mitteln sie erfolgt, einschliesslich ... der Verwertung durch andere zurzeit bekannte Verfahren, einschliesslich AV-Verfahren und -träger, gleichgültig, ob sie bereits in Benutzung sind oder in Zukunft genutzt werden." Nach Nr. 3.6 des Tarifvertrags sind von der Rechtseinräumung auch einzelne Teile des Films sowie alle zur Werbung für den Film hergestellten Fotos erfasst.
Die Bekl. beansprucht, Inhaberin der Rechte zu sein, die der Kl. dem Produzenten eingeräumt hat. Während zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die Videozweitauswertung von Spielfilmen bereits eine bekannte Nutzungsart darstellte, wurde das digitale Speichermedium DVD (= Digital Versatile Disc) erst in den 90er Jahren bekannt und spätestens 1998 in Deutschland eingeführt. Spielfilme auf DVD werden ebenfalls verkauft und vermietet. Für das Abspielen der DVD ist ein besonderes Gerät, der DVD-Player, oder ein PC/Notebook mit DVD-Laufwerk erforderlich. Wie alle digitalen Speichermedien ist die DVD nicht verschleissanfällig und weist eine höhere Bild- und Tonqualität sowie eine besonders hohe Speicherkapazität auf.. Sie verfügt über bis zu acht parallele Audiospuren. Daher können auf einer DVD bis zu acht verschiedene Sprachfassungen sowie eine grosse Zahl untertitelter Fassungen gespeichert sein. Auch die Auswahl zwischen verschiedenen Bild- und Tonversionen oder die direkte Ansteuerung bestimmter Szenen ist bei einer DVD ohne Schwierigkeiten menügesteuert am Gerät oder über eine Fernbedienung möglich.
Der Kl. hat die Bekl. wegen der Vervielfältigung und Verbreitung der DVD-Version des Films "Der Zauberberg" auf Unterlassung und Aus-

NJW 46 / 2005, 3355:
- BGH, Urteil vom 19.05.2005 - I ZR 285/02 -

kunftserteilung in Anspruch genommen. Er hat ferner die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Bekl. begehrt.
Das LG hat der Klage stattgegeben (LG München I, MMR 2001, 828 = ZUM 2002, 71). Im Berufungsverfahren ist die Streithelferin dem Rechtsstreit auf Seiten der Bekl. beigetreten. Das BerGer. hat die Klage abgewiesen (OLG München, NJW 2003, 675 = GRUR 2003, 50). Die Revision des Kl. hatte Erfolg und führte zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das BerGer.

Aus den Entscheidungsgründen

I.
Das BerGer. ist in Übereinstimmung mit dem LG von der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit der vom Kl. und seiner Ehefrau geschaffenen Filmarchitektur ausgegangen, hat aber gleichwohl Ansprüche des Kl. gegen die Bekl. wegen der Vervielfältigung und Verbreitung des Spielfilms "Der Zauberberg" auf DVD verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt: (Auf den Abdruck wird verzichtet, s. NJW 2003, 675.)

II.
Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg. Mit Recht ist das BerGer. davon ausgegangen, dass es sich bei der Vermarktung eines digital gespeicherten Films zum Abspielen auf einem eigenen Wiedergabegerät (DVD) nicht um eine gegenüber der Vermarktung herkömmlicher Videokassetten neue Nutzungsart i.S. des § 31 IV UrhG handelt. Dennoch führt die Revision zur Aufhebung und Zurückverweisung, weil sich das BerGer. nicht mit dem Klagevorbringen auseinander gesetzt hat, wonach das Urheberrecht des Kl. und seiner Ehefrau durch die Verbreitung der auf der DVD ebenfalls enthaltenen Dokumentation "100 Tage auf dem Zauberberg" verletzt worden sei.
1. Das BerGer. hat sich den Ausführungen des LG zum urheberrechtlichen Schutz der vom Kl. und seiner Ehefrau geschaffenen Ausstattung des Films "Der Zauberberg" angeschlossen. Diese Ausführungen lassen keinen Rechtsfehler erkennen; sie werden auch von der Revision nicht angegriffen.
2. Zutreffend hat das BerGer. angenommen, dass die Bekl. auf Grund einer lückenlosen Rechtekette Inhaberin der Rechte ist, die der Kl. 1980 dem Produzenten eingeräumt hat. Auch die Revision erhebt gegen diese Beurteilung keine Rügen. Dagegen lässt das Berufungsurteil Feststellungen darüber vermissen, ob neben dem Kl. auch seine Ehefrau dem Produzenten entsprechende Rechte eingeräumt hat, auf die sich die Bekl. über die beschriebene Rechtekette stützen könnte.
Diese Lücke in den tatrichterlichen Feststellungen lässt sich indessen in der Revisionsinstanz schliessen. Aus dem unstreitigen Parteivortrag ergibt sich, dass die Ehefrau des Kl. im September 1980 einen im Wesentlichen gleich lautenden Anstellungsvertrag mit dem Produzenten geschlossen hat (wöchentliches Honorar 1.800,- DM). Auch in ihrem Revisionsvorbringen nehmen beide Parteien auf diesen Vertrag Bezug. Dieser Vertrag enthält ebenso wie der vom Kl. unterzeichnete Anstellungsvertrag eine gleich lautende Verweisung auf den Tarifvertrag für Film- und Fernsehschaffende vom 1.4.1979.
3. Der Kl. und seine Ehefrau haben dem Produzenten in den Anstellungsverträgen vom August bzw. September 1980 umfassende ausschliessliche Nutzungsrechte für die Herstellung und Verwertung des Films "Der Zauberberg" eingeräumt. Mit Recht hat das BerGer. angenommen, dass sich diese Rechtseinräumung auch auf die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits bekannten Zweit- oder Drittverwertungsformen erstreckte. Dies ist den tarifvertraglichen Bestimmungen zu entnehmen, die Gegenstand der Anstellungsverträge geworden sind.
Die Rügen, die die Revision insofern erhebt, sind nicht begründet. Zutreffend hat das BerGer. darauf hingewiesen, dass es sich bei den Anstellungsverträgen, die der Produzent mit dem Kl. und mit seiner Ehefrau geschlossen hat, um Arbeits-Verträge handelt, auf die die Regelungen des AGB-Gesetzes nicht anwendbar sind (§ 23 Abs. 1 AGBG; Art. 229 § 5 EGBGB). Im Übrigen ist der Tarifvertrag für Film- und Fernsehschaffende vom 1.4.1979 in den Anstellungsverträgen jeweils ausdrücklich in Bezug genommen worden. Bedenken gegen die Wirksamkeit der entsprechenden umfassenden Rechtseinräumung zu Gunsten des Produzenten bestehen entgegen der Ansicht der Revision nicht. Die Rechtseinräumung für alle bekannten Nutzungsarten entspricht - wie das BerGer. mit Recht betont hat - der im Gesetz für Rechte am Filmwerk festgehaltenen Auslegungsregel (§ 89 I UrhG) und widerspricht damit jedenfalls nicht einem gesetzlichen Leitbild. Etwas anderes lässt sich auch dem urheberrechtlichen Zweckübertragungsgedanken (§ 31 V UrhG) nicht entnehmen. Gegenüber der allgemeinen Auslegungsregel des § 31 V UrhG kommt der besonderen, auf eine umfassende Rechtseinräumung zu Gunsten des Filmherstellers abzielenden Auslegungsregel des § 89 I UrhG für Filmwerke grundsätzlich der Vorrang zu (Lütje, in: Möhring/Nicolini, UrhG, 2. Aufl., § 89 Rdnrn. 15 f., 21; Schricker/Katzenberger, UrheberR, 2. Aufl., § 89 UrhG Rdnr. 3; Schulze, in: Dreier/Schulze, UrhG, § 89 Rdnr. 2; Hertin, in: Fromm/Nordemann, UrheberR, 9. Aufl., §§ 31/32 UrhG Rdnr. 21; a.A. Movsessian, UFITA 79 [1977], S. 213, 227; vermittelnd Manegold, in: Wandtke/Bullinger, UrhR, § 89 UrhG Rdnrn. 21 f.).
4. Mit Recht hat das BerGer. angenommen, dass es sich bei der Vervielfältigung und Verbreitung eines Films auf DVD nicht um eine unbekannte Nutzungsart handelt. Eine solche unbekannte Nutzungsart wird von der im Streitfall vereinbarten Rechtseinräumung, die sich lediglich auf eine "Verwertung durch ... zurzeit bekannte Verfahren" bezieht, nicht erfasst und könnte von ihr im Hinblick auf die Bestimmung des § 31 IV UrhG auch nicht erfasst werden. Zwar, war zum Zeitpunkt der Rechtseinräumung im Jahre 1980 die Möglichkeit der digitalen Speicherung von Filmwerken auf Speicherplatten (DVD) noch nicht bekannt; auch bietet die DVD gegenüber der herkömmlichen Videokassette eine Vielzahl technischer Vorteile. Dennoch handelt es sich dabei nicht um eine technisch und wirtschaftlich eigenständige Verwendungsform, durch die eine neue, vorher noch unbekannte Verwendungsmöglichkeit eröffnet worden wäre.
a) Ob es sich bei der Vervielfältigung und Verbreitung von Spielfilmen auf DVD um eine neue Nutzungsart handelt, ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten. So hat eine andere Kammer des LG München I eine neue Nutzungsart verneint (ZUM 2003, 147 [149]), während das LG Köln die Anwendbarkeit des § 31 IV UrhG bejaht hat (LG Köln, Urt. v. 25.5.2002 - 28 O 31/02; das Berufungsurteil - OLG Köln, GRUR-RR 2003, 367 = ZUM 2003, 317 - hat die Frage offen gelassen). Auch das Schrifttum bietet kein einheitliches Bild (eine neue Nutzungsart bejahen: Reber, GRUR 1998, 792 [797]; ders.; MMR 2001, 829; Stieper/ Frank, MMR 2000, 643; Schack, Urheber- und Urheberver-tragsR, 3. Aufl., Rdnr. 551; Katzenberger, GRURInt 2003, 889 [892 ff.]; ders., GRURInt 2005, 215; eine neue Nutzungsart verneinen: Castendyk, ZUM 2002, 332 [345 f.]; v. Petersdorff-Campen, ZUM 2002, 74; Fette, ZUM 2003, 49; Loewenheim, GRUR 2004, 36 [39 ff.]; Wandtke/Gru-nert, in: Wandtke/Bullinger, § 31 Rdnr. 67).

NJW 46 / 2005, 3356:
- BGH, Urteil vom 19.05.2005 - I ZR 285/02 -

b) Eine Nutzungsart i.S. des § 31 IV UrhG kann nur eine konkrete technisch und wirtschaftlich eigenständige Verwendungsform des Werks sein (vgl. BGHZ 133, 281 [287 f.] = NJW 1997, 320 = GRUR 1997, 215 - Klimbim; vgl. auch BGHZ 95, 274 [283] = GRUR 1986, 62 = NJW 1986, 1244 - GEMA-Vermutung I; BGHZ 128, 336 [341] = NJW 1995, 1496 = GRUR 1995,212 -Videozweitauswertung III). Technische Neuerungen, die eine neue Verwendungsform kennzeichnen, ohne wirtschaftlich eigenständige Vermarktungsmöglichkeiten zu erschliessen, reichen daher nicht aus, um eine neue Nutzungsart anzunehmen.
c) Mit Recht hat das BerGer. angenommen, dass die DVD-Zweitauswertung von Spielfilmen im Verhältnis zur herkömmlichen Vermarktung auf Videokassette keine wirtschaftlich eigenständige Verwendungsform darstellt.
aa) Mit der Frage nach der wirtschaftlich eigenständigen Verwendungsform wird dem urheberrechtlichen Grundsatz Rechnung getragen, dass der Urheber an der wirtschaftlichen Nutzung seines Werks tunlichst angemessen zu beteiligen ist (vgl. § 11 S. 2 UrhG; ferner BGHZ 133, 281 [288 f.] = NJW 1997, 320 = GRUR 1997, 215 - Klimbim). Dabei ist zu bedenken, dass einerseits urheberrechtliche Nutzungsrechte häufig für eine lange Zeitdauer, nicht selten für die gesamte Schutzdauer deg Werks eingeräumt werden und dass andererseits die rasante technische Entwicklung innerhalb kurzer Zeit neue Verwendungsformen schafft, für die bei Vertrags-schluss noch keine angemessenen Regelungen getroffen werden konnten. Mit Hilfe des § 31 IV UrhG soll daher verhindert werden, dass dem Urheber Mehrerträgnisse vorenthalten werden, die sich aus neuen technischen Entwicklungen ergeben (vgl. BGHZ 95, 274 [282 f.] = NJW 1986, 1244 = GRUR 1986, 62 - GEMA-Vermutung I; BGHZ 133, 281 [288] = NJW 1997, 320 = GRUR 1997, 215 - Klimbim); dem Urheber soll die Entscheidung darüber vorbehalten bleiben, ob und gegen welches Entgelt er mit der Nutzung seines Werks auch für die neu gefundene Verwendungsform einverstanden ist (Begr. des RegE, BT-Dr IV/270, S. 56).
Andererseits werden mit dem Merkmal der wirtschaftlich eigenständigen Verwendungsform auch die Interessen des Vertragspartners berücksichtigt, dem umfassende Nutzungsrechte eingeräumt worden sind. Würde allein eine technisch neue Verwendungsform, die eine intensivere Nutzung erlaubt und innerhalb kurzer Zeit die herkömmliche Verwendungsform verdrängt, ausreichen, um eine diese neue Verwendungsform umfassende Rechtseinräumung nach § 31 IV UrhG für nichtig zu erklären, wäre ein Produzent oder Vermarkter, der im Hinblick auf die vertraglich vereinbarte Nutzungsdauer hohe Investitionen getätigt hat, von der weiteren wirtschaftlichen Nutzung ausgeschlossen, weil die herkömmliche Verwendungsform sich nicht mehr absetzen liesse und ihm keine Rechte an der neuen Verwendungsform zustünden.
bb) Diese Erwägungen sprechen dafür, eine wirtschaftlich eigenständige Verwendungsform vor allem dann anzunehmen, wenn mit Hilfe einer neuen Technik ein neuer Absatzmarkt erschlossen wird, die traditionellen Verwendungsformen also nicht oder nur am Rande einschränkt werden (vgl. Castendyk, ZUM 2002, 332 [338]). Dagegen ist eine wirtschaftlich eigenständige Verwendungsform tendenziell eher zu verneinen, wenn durch die neue Verwendungsform eine gebräuchliche Verwendungsform substituiert wird. Aus der Sicht des Urhebers erscheint es besonders wichtig, ihm seine Rechte für die Vermarktung auf neuen Absatzwegen uneingeschränkt vorzubehalten; dagegen kann ihm zugemutet werden, für die blosse Intensivierung der Nutzung bereits im Rahmen der ursprünglichen Rechtseinräumung eine angemessene Regelung zu treffen. Aus der Sicht des Lizenznehmers ist von entscheidender Bedeutung, dass ihm durch eine neue Verwendungsform, die über kurz oder lang die herkömmliche Verwendungsform ersetzt, nicht die wirtschaftliche Grundlage für getätigte Investitionen entzogen wird; dagegen ist es nicht unbillig, dass sein Nutzungsrecht sich trotz umfassender Rechtseinräumung nicht auf neu entstandene Absatzmärkte erstreckt.
cc) Die Annahme des BerGer., dass die DVD auf längere Sicht die herkömmliche Videokassette ersetzen wird und daher keinen neuen Markt erschliesst, sondern eine herkömmliche Verwendungsform substituiert, ist vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden.
(1) Zutreffend hat das BerGer. für die Frage, ob die neue Verwendungsform einen neuen Absatzmarkt eröffnet oder auf Dauer eine herkömmliche' Verwendungsform substituiert, auf das Nachfrageverhalten der Verbraucher abgestellt. Unabhängig davon, ob für die Frage der Marktabgrenzung auf die kartellrechtlichen Gründsätze zurückgegriffen werden kann, kommt es jedenfalls für die Frage, ob ein Gut durch ein anderes substituiert wird, auf die Marktgegenseite, also auf die Verbraucher, an.
(2) Ohne Erfolg verweist die Revision darauf, dass die Videokassette sich nach wie vor einer nicht unerheblichen Beliebtheit erfreut. Zwar lässt sich dem von den Parteien vorgetragenen Zahlenmaterial entnehmen, dass die Einführung der DVD zu einer erheblichen Ausweitung des Marktes für die Heimvorführung von Spielfilmen geführt hat. Dass die Absatzzahlen der Videokassetten jedoch - anders als die Zahl der verkauften Vinyl-Schallplatten nach Einführung der CD - nicht sofort nach Einführung der DVD gesunken sind, lässt sich ohne weiteres dadurch erklären, dass DVD-Abspielgeräte zunächst noch sehr teuer waren, so dass viele Verbraucher nach wie vor auf herkömmliche Videokassetten angewiesen waren.
(3) Es ist nicht zu beanstanden, dass der Tatrichter hinsichtlich der Konsumgewohnheiten der Verbraucher eigene Erfahrungen eingebracht hat. Dabei ist zu bedenken, dass die Frage, ob eine neue Verwendungsform eine neue Nutzungsart i.S. von § 31 IV UrhG darstellt, von den Gerichten entschieden werden muss, auch wenn die Absatzzahlen der neuen im Verhältnis zur herkömmlichen Verwendungsform noch nicht über einen längeren Zeitraum hinweg beobachtet werden konnten. Denn zwischen dem Urheber und seinem Lizenznehmer muss alsbald Klarheit darüber bestehen, wer hinsichtlich der neuen Verwendungsform zur Nutzung berechtigt ist. Die Frage muss daher von den Gerichten beantwortet werden können, auch wenn der wirtschaftliche Sachverhalt noch nicht vollständig abgeschlossen ist. Dies kann im Einzelfall auf eine Prognose-Entscheidung hinauslaufen, die der Richter auf Grund der vorhandenen Anhaltspunkte zu treffen hat. Im Streitfall bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Richter des BerGer. nicht in der Lage gewesen wären, diese Entscheidung auch ohne sachverständigen Beistand zu treffen.
(4) Ohne Erfolg rügt die Revision, das BerGer. habe die mit der DVD verbundenen technischen Möglichkeiten nicht hinreichend zur Kenntnis genommen und gewürdigt. Dass die DVD gegenüber der herkömmlichen Videokassette ganz erhebliche technische Vorteile aufweist, hat das BerGer. nicht übersehen. Es hat indessen nicht festzustellen vermocht, dass auf Grund der technischen Neuerungen neben dem herkömmlichen Videokassetten-Markt ein neuer Absatz-

NJW 46 / 2005, 3357:
- BGH, Urteil vom 19.05.2005 - I ZR 285/02 -

markt entstünde. Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
d) Das BerGer. hat danach ohne Rechtsfehler angenommen, der Kl. habe dem Produzenten des Films "Der Zauberberg" das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung von Spielfilmen auf DVD durch den Anstellungsvertrag vom August 1980 eingeräumt (für den Werkanteil der Ehefrau des Kl. gilt Entsprechendes). Denn fehlt es an einer wirtschaftlich eigenständigen Verwendungsform, handelt es sich lediglich um eine technische Variante der bereits 1980 bekannten Nutzung von Spielfilmen zur Heimvorführung mit Hilfe des Fernsehgeräts.
5. Mit Erfolg rügt die Revision allerdings, dass sich das BerGer. nicht mit der Frage auseinander gesetzt hat, ob der Kl. und seine Ehefrau dem Produzenten auch Nutzungsrechte für die Erstellung der Dokumentation "100 Tage auf dem Zauberberg" eingeräumt haben, die ebenfalls auf der von der Bekl. hergestellten und vertriebenen DVD enthalten ist. Nach dem unstreitigen Klagevorbringen ist die vom Kl. und seiner Ehefrau geschaffene Filmausstattung in der Dokumentation ausführlich wiedergegeben. Da sich die gestellten Anträge auf die Vervielfältigung und Verbreitung des konkreten Produkts ("DVD ... Liefer-Nr. 500041") beziehen, das nach dem unstreitigen Parteivorbringen neben dem Spielfilm auch die Dokumentation enthält, ist dieses Vorbringen grundsätzlich geeignet, die Klage zu begründen. Die Bekl. hat bislang nicht geltend gemacht, dass ihr auch insofern ausdrücklich Nutzungsrechte vom Kl. und seiner Ehefrau eingeräumt worden seien. Sie hat sich lediglich darauf berufen, dass die Rechte, die dem Produzenten hinsichtlich des Spielfilms eingeräumt worden seien, sich auch auf die in Rede stehende Dokumentation bezögen. Dies erscheint schon deswegen zweifelhaft, weil die vertraglich eingeräumten Rechte stets den Film "Der Zauberberg", nicht aber eine für das Fernsehen produzierte Dokumentation über den Film betreffen.

III.
Das angefochtene Urteil kann danach keinen Bestand haben. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren werden die Parteien Gelegenheit haben, ergänzend zur Frage der Werknutzung im Rahmen der Dokumentation und zu einer entsprechenden Rechtseinräumung vorzutragen.