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db-nummer: bgh-006ZR-1993-0286

Leitsätze (amtl)
1. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Unternehmens ist verletzt, wenn ein Wissenschaftler, der für Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Fortbildungsseminare durchführt, Ablichtungen eines im Bundesanzeiger veröffentlichten Jahresabschlusses, der die finanzielle Situation dieses Unternehmens offenbart, an Banken und Seminarteilnehmer weitergibt, ohne den Namen und die Adresse des Unternehmens unkenntlich zu machen.
2. Auch im ausserwettbewerblichen Bereich besteht aufgrund einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eine tatsächliche Vermutung für eine Wiederholungsgefahr. Weigert sich der Verletzer, eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben, dann kann eine Entkräftung der Vermutung der Wiederholungsgefahr auch hier nur in Ausnahmefällen angenommen werden.

Tatbestand
[1] Der Beklagte ist Professor der Wirtschaftswissenschaften und Vorsitzender des Vorstandes eines Institutes für Finanzmanagement. Er führte vom 27. November 1989 bis zum 6. Juni 1991 für die Bundessteuerberaterkammer bundesweit ein Seminar mit dem Titel "Jahresabschlussanalyse aus der Sicht der Banken" durch; das Seminar wurde 24 mal in 16 Städten veranstaltet. Dabei verwandte der Beklagte als "Fallstudie" den Jahresabschluss 1987 der Klägerin, eines mittelständischen, national und international tätigen Bauunternehmens, dessen Geschäftsanteile sich ausschliesslich im Familienbesitz befinden. Dieser Jahresabschluss war im Bundesanzeiger vollständig abgedruckt worden. Der Beklagte fügte, ohne den Namen und die Adresse der Klägerin unkenntlich zu machen, Ablichtungen des Jahresabschlusses der Klägerin den Seminarunterlagen bei, die jeder der etwa 960 Seminarteilnehmer erhielt. Ausserdem fügte er den Seminarunterlagen Ablichtungen von Analysen dieses Jahresabschlusses bei, die mehrere Banken auf seine Bitte erstellt hatten. In eigenen umfangreichen Ausführungen, in denen er die Analysen der Banken erörterte, gelangte der Beklagte zu dem Ergebnis, dass die finanzielle Situation der Klägerin kritisch zu beurteilen sei. Auch diese Ausführungen sind Teil der Seminarunterlagen.
[2] Nachdem die Klägerin von dem Vorgehen des Beklagten Kenntnis erlangt hatte, forderte sie ihn u.a. auf, sich für seine Äusserungen zu ihrer finanziellen Situation zu entschuldigen und sich schriftlich zu verpflichten, seine negativen Bewertungen in den Unterlagen zu tilgen und künftig nicht mehr zu wiederholen sowie ihren Namen innerhalb des Vortrags nicht mehr zu nennen und aus den Unterlagen zu entfernen. Dieser Aufforderung kam der Beklagte nicht nach. Er sortierte aber die Unterlagen, die die Klägerin betrafen, aus und verwandte sie seither nicht mehr. Die Bundessteuerberaterkammer teilte der Klägerin mit, dass die Seminarreihe planmässig abgeschlossen worden und eine weitere mit diesem Inhalt nicht geplant sei; in Zukunft werde sie bei Lehrveranstaltungen alle Beispielfälle anonymisieren.
[3] Die Klägerin sieht sich durch das Vorgehen des Beklagten weiterhin in ihren Rechten beeinträchtigt. Sie hat Klage erhoben und zuletzt beantragt, den Beklagten zu verurteilen,
"1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 500.000, - DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen,
a. Jahresabschlüsse der Klägerin ohne deren Zustimmung an Dritte zu versenden/Dritten zugänglich zu machen bzw. zum Gegenstand von Seminar-Veranstaltungen zu machen;
hilfsweise,
Jahresabschlüsse der Klägerin ohne deren Zustimmung unter voller Namensnennung und Adressenwiedergabe der Klägerin an Dritte zu versenden/Dritten zugänglich zu machen bzw. zum Gegenstand von Seminar-Veranstaltungen zu machen;
weiter hilfsweise,
Jahresabschlüsse der Klägerin ohne deren Zustimmung unter voller Namensnennung und Adressenwiedergabe der Klägerin an Banken zur Analyse zuzuleiten und diese Analysen für Seminar-Veranstaltungen zu verwenden;
b. Dritten gegenüber bezüglich des Jahresabschlusses der Klägerin für 1987 folgendes wörtlich oder sinngemäss zu behaupten oder zu verbreiten:
aa. "Damit ist die Ertragslage der H.-Bau GmbH (Klägerin) - trotz eines Jahresüberschusses von 557 TDM - als sehr schlecht einzustufen."
bb. "Die Finanzlage der H.-Bau GmbH ist nach den vorliegenden Zahlen sehr kritisch zu beurteilen."
cc. "Die Bonität der Gesellschaft ist ganz offensichtlich schlecht."
dd. "Bei negativer Entscheidungsdauer dürfte die Gesellschaft in der Zukunft grosse Schwierigkeiten haben, Kredite zurückzuzahlen."
2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen Teilbetrag in Höhe von 30.000,- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 05.09.1991 zu zahlen."
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
[4] Der Senat hat die Revision der Klägerin, mit der sie ihre Klageanträge weiterverfolgt hat, nicht angenommen, soweit ihre Klageanträge zu Ziff. 1 a hinsichtlich des Hauptantrages, zu Ziff. 1 b und zu Ziff. 2 abgewiesen worden sind.

Entscheidungsgründe
I.
[5] Nach der teilweisen Nichtannahme der Revision der Klägerin steht nunmehr nur noch zur Entscheidung, ob das Berufungsgericht mit Recht einen Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten darauf verneint hat, dass er es unterlässt, Jahresabschlüsse der Klägerin ohne deren Zustimmung unter voller Namensnennung und Adressenwiedergabe an Dritte zu versenden oder Dritten zugänglich bzw. zum Gegenstand von Seminarveranstaltungen zu machen, oder es wenigstens unterlässt (Hilfsantrag), die Jahresabschlüsse an Banken zur Analyse zuzuleiten und diese Analysen für Seminarveranstaltungen zu verwenden. Das Berufungsgericht hat diese Unterlassungsansprüche mit der Begründung verneint, dass schon die für solche Ansprüche erforderliche Wiederholungsgefahr nicht vorliege. Zwar werde dann, wenn sich der Unterlassungsanspruch gegen einen Eingriff richte, der bereits stattgefunden habe, eine Wiederholungsgefahr vermutet; eine solche Vermutung könne in der Regel auch nur dadurch ausgeräumt werden, dass der Unterlassungsanspruch anerkannt oder eine strafbewehrte Unterlassungserklärung unterzeichnet werde. Im Streitfall sei eine solche Vermutung aber deshalb nicht gerechtfertigt, weil sowohl der Beklagte als auch die Bundessteuerberaterkammer alle Unterlagen über den Jahresabschluss 1987 der Klägerin aus den Unterrichtsmaterialien entfernt hätten. Im übrigen habe der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt, dass er unter keinen Umständen mehr einen veröffentlichten Jahresabschluss der Klägerin in irgendeiner Weise zu Lehr- oder Ausbildungszwecken verwenden werde. Für das Gewicht und die Ernsthaftigkeit dieser Erklärung spreche, dass sich nachträglich herausgestellt habe, dass der Unternehmenstyp der Klägerin als Fallstudie für die Seminare des Beklagten ungeeignet sei. Überdies habe es sich bei der Seminarreihe um eine einmalige Veranstaltung der Bundessteuerberaterkammer gehandelt.
[6] Im übrigen seien, so fährt das Berufungsgericht fort, auch die übrigen Voraussetzungen der geltend gemachten Unterlassungsansprüche zu verneinen. In der Weiterleitung des nicht anonymisierten Jahresabschlusses der Klägerin an Dritte und seiner Verwendung zu Zwecken der Fortbildung in Seminaren liege weder ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin noch in ihr Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts stehe juristischen Personen ohnehin nur begrenzt zu; dieser begrenzte Schutzbereich sei hier nicht betroffen. Ein Unternehmen, das am Wirtschaftsleben teilnehme und zur Veröffentlichung seiner Jahresabschlüsse gesetzlich verpflichtet sei, setze sich bewusst der Kritik an seiner Betätigung aus; es sei gerade das Ziel der Verpflichtung zur Veröffentlichung, die Möglichkeit einer Erörterung des Jahresabschlusses von Kapitalgesellschaften zu schaffen, deren Haftung beschränkt sei. Zwar habe es für das Seminar der Nennung des Namens der Klägerin nicht bedurft, jedoch liege in der Verwendung des nicht anonymisierten Jahresabschlusses als Seminarunterlage deshalb kein Eingriff in die Rechtsposition der Klägerin, weil ihr Name bereits in der Veröffentlichung im Bundesanzeiger, einem Mitteilungsblatt des Bundes, erschienen sei. Eine Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb setze einen Eingriff in den Organismus oder die unternehmerische Entscheidungsfreiheit voraus. Beides sei hier weder durch die Weitergabe des veröffentlichten Jahresabschlusses noch durch dessen Erörterung mit Banken und Seminarteilnehmern erfolgt, vielmehr muteten die Publizitätsvorschriften des HGB dem betroffenen Unternehmen eine Auseinandersetzung mit seinen Jahresabschlüssen zu.

II.
[7] Diese Erwägungen halten einer Überprüfung im Ergebnis nicht stand.
[8] 1. Nach Auffassung des Senats kann die Klägerin, gestützt auf ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht, nach §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB von dem Beklagten verlangen, dass er es unterlässt, ihr Unternehmen betreffende Jahresabschlüsse ohne ihre Zustimmung unter Nennung ihres Namens und ihrer Adresse an Dritte zu versenden oder Dritten zugänglich bzw. zum Gegenstand von Seminarveranstaltungen zu machen.
[9] a) Dem Berufungsgericht kann schon nicht in der Auffassung gefolgt werden, dass dem Beklagten ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin nicht vorgeworfen werden könne.
[10] aa) Zwar führt das Berufungsgericht zu Recht aus, dass sich Kapitalgesellschaften nur begrenzt auf den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts berufen können. Eine Ausdehnung der Schutzwirkung dieses Rechts über natürliche Personen hinaus auf juristische Personen ist nur insoweit gerechtfertigt, als sie aus ihrem Wesen als Zweckschöpfung des Rechts und ihren Funktionen dieses Rechtsschutzes bedürfen. Das ist insbesondere der Fall, wenn sie in ihrem sozialen Geltungsanspruch als Arbeitgeber oder als Wirtschaftsunternehmen betroffen werden (Senat BGHZ 98, 94, 97 [BGH 03.06.1986 - VI ZR 102/85] m.w.N.). In diesem begrenzten Schutzbereich ist die Klägerin aber durch das Vorgehen des Beklagten bei der Vorbereitung und Durchführung der Seminarveranstaltungen verletzt worden.
[11] Der Jahresabschluss 1987 der Klägerin erweist sich mit seinem Anhang als umfassende Darstellung und Durchleuchtung ihrer finanziellen Situation. Damit wird die Klägerin durch die Weitergabe dieser Daten an die Empfänger, denen der Beklagte den Jahresabschluss ausgehändigt hat, in ihrem sozialen Geltungsanspruch als Wirtschaftsunternehmen betroffen. Der Senat vermag dem Berufungsgericht nicht in der Überlegung zu folgen, dass die Weitergabe des nicht anonymisierten Jahresabschlusses an Dritte und seine Verwendung als "Fallstudie" in den Seminarveranstaltungen deshalb nicht als Eingriffe in die Rechtsposition der Klägerin gewertet werden könnten, weil der Jahresabschluss durch seine Veröffentlichung im Bundesanzeiger den interessierten Kreisen ohnehin schon bekannt bzw. zugänglich gewesen sei. Diese Erwägung trägt nicht hinreichend der Wirkung Rechnung, die auf das Ansehen der Klägerin als Wirtschaftsunternehmen davon ausging, dass gerade der Beklagte zur Vorbereitung bzw. Durchführung eines Seminars mit dem Titel "Jahresabschlussanalyse aus der Sicht der Banken" den Jahresabschluss an den hier in Rede stehenden Adressatenkreis - Banken, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater - weitergab und in dem Seminar als "Fallstudie" behandelte. Wenn ein kompetenter Fachmann im Zuge der Vorbereitung bzw. Durchführung eines Seminars mit einem solchen Thema derartiges Material an einen fachkundigen Empfängerkreis weitergibt, dann verbindet sich damit ein Hinweiseffekt, der die Aufmerksamkeit der Adressaten gerade auf solche Daten zur finanziellen Situation des betroffenen Unternehmens lenkt, die zu kritischen Wertungen Anlass geben können. Durch sein Vorgehen führte der Beklagte die Klägerin den Adressaten des Jahresabschlusses in ihrer finanziellen Situation gezielt vor. Diese Wirkung trat erst recht ein, als der Beklagte den Jahresabschluss zum Gegenstand der Seminarveranstaltungen machte, in deren Verlauf er auf tatsächliche oder vermeintliche Schwachstellen in der finanziellen Lage der Klägerin hinwies. Es kommt hinzu, dass diese gezielte Hervorhebung kritischer Werte gegenüber einem zahlenmässig beachtlichen Personenkreis erfolgt ist, von dem jeder als Multiplikator wirken konnte.
[12] bb) Entgegen der Revisionserwiderung scheidet die Annahme eines Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht deshalb aus, weil die Veröffentlichung des Jahresabschlusses gesetzlich vorgeschrieben ist (§§ 325 ff. HGB). Mit dieser Regelung verfolgt der Gesetzgeber den Schutz Dritter, die mit dem betroffenen Unternehmen in Beziehungen stehen oder treten wollen. Die Vorschrift berechtigt aber nicht, das Unternehmen der Klägerin ohne deren Zustimmung mit diesen Daten unter Namensnennung in die eigenerwerbswirtschaftlichen Zwecke einzuspannen. Nicht einmal gibt sie einem Aussenstehenden das Recht, die in der Veröffentlichung des Jahresabschlusses liegende Offenlegung der finanziellen Lage des betroffenen Unternehmens noch dadurch zu verstärken, dass er das Interesse fachkundiger Kreise gezielt auf diese Veröffentlichung lenkt. Ein solches Vorgehen ist durch den Schutzzweck des § 325 HGB nicht gedeckt. Es findet entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung auch nicht in der in Art. 5 Abs. 3 GG gewährleisteten Wissenschaftsfreiheit eine Stütze. Allerdings ist angesichts der Wirkungsbreite dieses Grundrechts (BVerfGE 35, 79, 112 = NJW 1973, 1176) davon auszugehen, dass sich der Beklagte für sein Vorgehen auf den Schutz der Wissenschaftsfreiheit berufen kann. Dieser Schutz wirkt indes, wie die Revisionserwiderung nicht verkennt, nicht schrankenlos, vielmehr kann er in gegenläufigen Rechtspositionen seine Grenze finden, vorausgesetzt, dass sich diese Rechtspositionen aus der Verfassung selbst herleiten lassen. Ein solcher Konflikt zwischen der Gewährleistung der Wissenschaftsfreiheit und dem Schutz anderer verfassungsrechtlich garantierter Rechtsgüter ist nach Massgabe der grundgesetzlichen Wertordnung und unter Berücksichtigung der Einheit dieses Wertsystems durch Verfassungsauslegung zu lösen; dabei geht es um eine Abwägung nach Massgabe der Bedeutung der miteinander kollidierenden Grundrechte und des rechtsstaatlichen Grundsatzes der Verhältnismässigkeit (BVerfGE 47, 327, 369 f. = NJW 1978, 1621, 1622) [BVerfG 01.03.1978 - 1 BvR 174/71]. Um einen solchen Konfliktfall handelt es sich hier. Der Wissenschaftsfreiheit, die der Beklagte für sein Vorgehen in Anspruch nimmt, steht, wie ausgeführt, das verfassungsrechtlich gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin entgegen. Die Abwägung beider Rechtspositionen fällt nach Lage der Dinge zu Gunsten der Klägerin aus. Dies schon deshalb, weil der Beklagte ohne ernstliche Einschränkungen seine wissenschaftlichen Belange hätte verfolgen und insbesondere seine Seminare hätte durchführen können, wenn er zuvor den Namen und die Adresse der Klägerin unkenntlich gemacht und damit den Eingriff in ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht vermieden hätte.
[13] b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der Senat ferner der Ansicht, dass das Unterlassungsverlangen der Klägerin auch nicht am Erfordernis der Wiederholungsgefahr scheitert.
[14] Das Berufungsgericht geht mit Recht davon aus, dass dann, wenn - wie hier - bereits ein rechtswidriger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen erfolgt ist, eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen der Wiederholungsgefahr besteht (st.Rspr., vgl. Senatsurteil vom 27. Mai 1986 - VI ZR 169/85 - VersR 1986, 1075, 1077 m.w.N.). Es trifft auch zu, dass diese Vermutung widerlegt werden kann; eine solche Widerlegung kann ausnahmsweise dann angenommen werden, wenn der Eingriff durch eine einmalige Sondersituation veranlasst gewesen ist (vgl. BGB-RGRK/Dunz, 12. Aufl., Anh. I § 823 Rdn. 147; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 6. Aufl., 7. Kapitel RdNr. 11). Das Berufungsgericht hat eine solche Situation hier angenommen, weil der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt hat, dass er unter keinen Umständen mehr einen veröffentlichten Jahresabschluss der Klägerin in irgendeiner Weise zu Lehr- und Ausbildungszwecken verwenden werde, weil der Unternehmenstyp der Klägerin für eine Fallstudie ohnehin ungeeignet sei, weil der Beklagte und die Bundessteuerberaterkammer den Jahresabschluss aus den Seminarunterlagen entfernt hätten, weil es sich bei der Seminarreihe um ein abgeschlossenes und einmaliges Unternehmen der Bundessteuerberaterkammer gehandelt habe und weil eine Zusammenarbeit zwischen dem Beklagten und der Bundessteuerberaterkammer nicht mehr bestehe. Diese Gesichtspunkte haben Gewicht; sie reichen jedoch nicht aus, um im Streitfall die Vermutung der Wiederholungsgefahr zu widerlegen. Im Interesse des Rechtsschutzes des Betroffenen, der bereits einmal das Opfer eines Eingriffs in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht geworden ist, müssen an die Widerlegung der Vermutung der Wiederholungsgefahr hohe Anforderungen gestellt werden. Diese Anforderungen sind hier nicht erfüllt. Der Beklagte hat sich noch während des vorliegenden Rechtsstreits geweigert, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung, die die Klägerin mehrfach verlangt hat (GA 4, 371, 490), abzugeben. Für den Bereich des Wettbewerbsrechts hat die Rechtsprechung den Grundsatz entwickelt, dass die Wiederholungsgefahr nur dann entfällt, wenn der Verletzer dem Verletzten oder einem zur Rechtsverfolgung Befugten eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abgibt; ohne eine solche Erklärung ist die Verneinung der Wiederholungsgefahr allenfalls in ganz ungewöhnlichen Ausnahmefällen denkbar (vgl. Teplitzky, aaO RdNr. 4 ff. m.w.N.). Dieser Grundsatz gilt auch für den deliktischen Unterlassungsanspruch, jedoch nicht mit gleicher Strenge. Während im Bereich des Wettbewerbsrechts die Verletzungshandlungen in der Regel dadurch geprägt sind, dass der Verletzer starke wirtschaftliche Interessen verfolgt, ist die Motivation des Verletzers im deliktischen Bereich vielfältiger Art. Dem ist bei der Bemessung der Anforderungen an die Entkräftung der Vermutung der Wiederholungsgefahr Rechnung zu tragen. Im Deliktsrecht kann der Schwere des Eingriffs, den Umständen der Verletzungshandlung, dem fallbezogenen Grad der Wahrscheinlichkeit einer Wiederholung und vor allem der Motivation des Verletzers für die Entkräftung der Vermutung der Wiederholungsgefahr durchaus ein erhebliches Gewicht zukommen. Dies ändert indes im Streitfall nichts daran, dass die Vermutung der Wiederholungsgefahr nicht als widerlegt zu erachten ist. Das folgt einmal daraus, dass sich der Beklagte bei seinem Vorgehen auch von eigenwirtschaftlichen Interessen hat leiten lassen. Es kommt - worauf die Revision zu Recht hinweist - hinzu, dass er in einem Schreiben an eine der Banken, die auf seine Bitte eine Analyse des Jahresabschlusses der Klägerin erstellt hatten, die künftige Verwertung des die finanzielle Situation der Klägerin betreffenden Materials offen gelassen hat. In diesem Schreiben heisst es: "Bis zur endgültigen gerichtlichen Klärung werde ich die von Ihnen aufbereiteten Zahlen nicht weiterverwerten" (GA 409).
[15] 2. Damit erweist sich das Unterlassungsbegehren, soweit es hier noch infrage steht, als begründet. Da der Antrag, der das Verbot der Weitergabe von Jahresabschlüssen der Klägerin an Dritte erfasst, weiter geht als der Hilfsantrag, mit dem die Klägerin ein Verbot der Weitergabe von Jahresabschlüssen an Banken zur Analyse begehrt, hat mit der hier getroffenen Entscheidung zugleich der Hilfsantrag seine Erledigung gefunden.
[16] 3. Da die Klageanträge im Umfang der Annahme der Revision schon aus dem Gesichtspunkt einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin begründet sind, bedarf es nicht der Prüfung, ob sie auch in den weiteren Rechtsgründen eine Stütze finden, die die Revision zusätzlich heranzieht.

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Quelle Entscheidungstext: https://www.wolterskluwer-online.de (Wolters Kluwer Deutschland GmbH, Luxemburger Strasse 449, 50939 Köln)

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