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db-nummer: bverfg-02BvG-1960-00001

BVerfG, Urteil vom 28.02.1961 - 2 BvG 1 u. 2/60 - "Deutschlandfernsehen"
Art. 5 Abs. 1, 30, 59 Abs. 2, 73 Nr.. 7, 75 Nr. 2, 83, 87-90, 93 Abs. 1 Nr.. 2, 3 GG
§ 76 Nr. 2 BVerfGG

Leitsätze (amtl)

1. Auch "Vertragsgesetze" zu Staatsverträgen zwischen den Ländern unterliegen der verfassungsgerichtlichen Prüfung im Normenkontrollverfahren.
2. Ein Organ des Bundes hat Landesrecht auch dann i.S. von § 76 Ziff. 2 BVerfGG "nicht angewendet", wenn es dieses Recht "nicht beachtet" hat.
3. a) Das Post- und Fernmeldewesen i.S. von Art. 73 Ziff. 7 GG umfasst - wenn man vom Empfang der Rundfunksendungen absieht - nur den sendetechnischen Bereich des Rundfunks unter Ausschluss der sog. Studiotechnik.
b) Art. 73 Ziff. 7 GG gibt dem Bund nicht die Befugnis, die Organisation der Veranstaltung und die der Veranstalter von Rundfunksendungen zu regeln.
4. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Fernmeldewesen (Art. 73 Ziff. 7 GG) lässt auch Regelungen zu, die dem Bund das ausschliessliche Recht vorbehalten, Funkanlagen für Zwecke des Rundfunks zu errichten und zu betreiben.
5. Nach der Systematik des GG bezeichnet die Gesetzgebungskompetenz des Bundes die äusserste Grenze für seine Verwaltungsbefugnisse. "Bundespost" in Art. 87 Abs. 1 GG kann daher nicht mehr umfassen als "Post- und Fernmeldewesen" in Art. 73 Ziff. 7 GG.
6. Die Bundespost ist gehalten, bei Verleihungen zur Errichtung oder zum Betrieb von Rundfunksendeanlagen (§ 2 FAG) und beim Abschluss von Verträgen über die Benutzung solcher Anlagen ausschliesslich sendetechnische Gesichtspunkte zu berücksichtigen. "Auflagen", die diesen Bereich verlassen, sind unzulässig.
7. a) Die Veranstaltung von Rundfunksendungen ist nach der deutschen Rechtsentwicklung eine öffentliche Aufgabe. Wenn sich der Staat mit dieser Aufgabe in irgendeiner Form befasst (auch dann, wenn er sich privatrechtlicher Formen bedient), wird sie zu einer "staatlichen Aufgabe" i.S. von Art. 30 GG.
b) Die Veranstaltung von Rundfunksendungen durch den Bund kann nach Art. 30 in Verb. mit Art. 83 ff. GG nicht damit gerechtfertigt werden, dass die Veranstaltung von Rundfunksendungen eine "überregionale" Aufgabe sei, oder dass das GG die Veranstaltung solcher Sendungen durch den Bund zugelassen habe, die der nationalen Repräsentation nach innen und der Pflege "kontinuitätsbewahrender Tradition" dienen sollen. Der Bund hat hierfür keine Kompetenz aus der Natur der Sache.
8. a) Art. 30 GG gilt sowohl für die gesetzesakzessorische wie für die "gesetzesfreie" Erfüllung öffentlicher Aufgaben.
b) Der VIII. Abschnitt des GG trifft sowohl für die gesetzesakzessorische wie für die "gesetzesfreie" Verwaltung "andere Regelungen" i.S. von Art. 30 GG.
9. Auch das procedere und der Stil der Verhandlungen, die zwischen dem Bund und seinen Gliedern und zwischen den Ländern im Verfassungsleben erforderlich werden, stehen unter dem Gebot bundesfreundlichen Verhaltens.
10. Art. 5 GG fordert Gesetze, durch die die Veranstalter von Rundfunkdarbietungen so organisiert werden, dass alle in Betracht kommenden Kräfte in ihren Organen Einfluss haben und im Gesamtprogramm zu Wort kommen können, und die für den Inhalt des Gesamtprogramms Leitgrundsätze verbindlich machen, die ein Mindestmass von inhaltlicher Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung gewährleisten.